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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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duldete, wenn er sich schnurrend auf seinem Schreibtisch
niederließ --), gelt, dir ist's gleich, ob ich dich anniese?'"

Wir wetteiferten in Vermuthungen und Ver¬
knüpfungen, mußten aber, da uns aller bestimmtere
Anhalt fehlte, unsere Versuche aufgeben. Es war
auch offenbar nicht Ort und Stunde, zu grübeln; das
Gefühl sträubte sich dagegen, an der Schnur der
Reflexion fortzuspinnen, und strebte zurück zur Ver¬
tiefung in reine Trauer um den theuren Todten.
Aber eine Beimischung des Geheimnißvollen erhielt
nun dieß einfache Gefühl des innigen Leides. In diesem
Leben mußte ein Sturm gewüthet haben, dessen Ge¬
walt wir wohl kaum ahnten; rettendes, himmlisches
Licht mußte dann erschienen, aber irgend ein Schmerz
nachgeblieben sein, der einen Wolkenschleier von Weh¬
muth um die Lichterscheinung legte.

Wir saßen noch ein Stündchen in der Nacht bei¬
sammen und sprachen von dem Todten. Die gute,
klare Frau erzählte mir noch Manches aus seinem
Leben, seinen Verhältnissen zu manchen Menschen aus
allerlei Ständen. Das Bild der Persönlichkeit wurde
mir runder, voller, ohne mir planer zu werden. Der
andere Tag, der letzte des kurzen Aufenthalts, den mir
meine Zeit erlaubte, war bestimmt, eine erste Einsicht
von den Papieren zu nehmen, die mein Eigenthum
geworden waren.

So betrat ich denn des andern Morgens zu früher

duldete, wenn er ſich ſchnurrend auf ſeinem Schreibtiſch
niederließ —), gelt, dir iſt's gleich, ob ich dich annieſe?'“

Wir wetteiferten in Vermuthungen und Ver¬
knüpfungen, mußten aber, da uns aller beſtimmtere
Anhalt fehlte, unſere Verſuche aufgeben. Es war
auch offenbar nicht Ort und Stunde, zu grübeln; das
Gefühl ſträubte ſich dagegen, an der Schnur der
Reflexion fortzuſpinnen, und ſtrebte zurück zur Ver¬
tiefung in reine Trauer um den theuren Todten.
Aber eine Beimiſchung des Geheimnißvollen erhielt
nun dieß einfache Gefühl des innigen Leides. In dieſem
Leben mußte ein Sturm gewüthet haben, deſſen Ge¬
walt wir wohl kaum ahnten; rettendes, himmliſches
Licht mußte dann erſchienen, aber irgend ein Schmerz
nachgeblieben ſein, der einen Wolkenſchleier von Weh¬
muth um die Lichterſcheinung legte.

Wir ſaßen noch ein Stündchen in der Nacht bei¬
ſammen und ſprachen von dem Todten. Die gute,
klare Frau erzählte mir noch Manches aus ſeinem
Leben, ſeinen Verhältniſſen zu manchen Menſchen aus
allerlei Ständen. Das Bild der Perſönlichkeit wurde
mir runder, voller, ohne mir planer zu werden. Der
andere Tag, der letzte des kurzen Aufenthalts, den mir
meine Zeit erlaubte, war beſtimmt, eine erſte Einſicht
von den Papieren zu nehmen, die mein Eigenthum
geworden waren.

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[54/0067] duldete, wenn er ſich ſchnurrend auf ſeinem Schreibtiſch niederließ —), gelt, dir iſt's gleich, ob ich dich annieſe?'“ Wir wetteiferten in Vermuthungen und Ver¬ knüpfungen, mußten aber, da uns aller beſtimmtere Anhalt fehlte, unſere Verſuche aufgeben. Es war auch offenbar nicht Ort und Stunde, zu grübeln; das Gefühl ſträubte ſich dagegen, an der Schnur der Reflexion fortzuſpinnen, und ſtrebte zurück zur Ver¬ tiefung in reine Trauer um den theuren Todten. Aber eine Beimiſchung des Geheimnißvollen erhielt nun dieß einfache Gefühl des innigen Leides. In dieſem Leben mußte ein Sturm gewüthet haben, deſſen Ge¬ walt wir wohl kaum ahnten; rettendes, himmliſches Licht mußte dann erſchienen, aber irgend ein Schmerz nachgeblieben ſein, der einen Wolkenſchleier von Weh¬ muth um die Lichterſcheinung legte. Wir ſaßen noch ein Stündchen in der Nacht bei¬ ſammen und ſprachen von dem Todten. Die gute, klare Frau erzählte mir noch Manches aus ſeinem Leben, ſeinen Verhältniſſen zu manchen Menſchen aus allerlei Ständen. Das Bild der Perſönlichkeit wurde mir runder, voller, ohne mir planer zu werden. Der andere Tag, der letzte des kurzen Aufenthalts, den mir meine Zeit erlaubte, war beſtimmt, eine erſte Einſicht von den Papieren zu nehmen, die mein Eigenthum geworden waren. So betrat ich denn des andern Morgens zu früher

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/67>, abgerufen am 27.11.2024.