Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

sein, irgend ein Unglück, ein Unstern, der Unglück
wurde. Denn nach der Reise, wo er Sie kennen ge¬
lernt hat --"

"Eben auf der Reise ist solch ein Unstern vorge¬
kommen," fügte ich ein. Sie fragte gespannt und ich
erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann
in der Gotthardschlucht Unheimliches, Erschütterndes
dem närrischen Schlußakte in Göschenen vorangegangen.
Es wäre kindisch gewesen, ihr das Unschickliche, was
dort geschah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte,
zu verschweigen oder mit einem erfundenen Surrogate
zu vertuschen; die Frau hatte ja Salz.

Sie wurde sehr aufmerksam, lachte über das
Komische jenes ersten Vorgangs nicht, schwieg nach¬
denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur
von der reisenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬
neinte. "Er wird gemeint haben, sie meiden zu müssen,"
sagte sie, "ich muß da noch etwas anführen: daß er
nach seiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune
und Trübsinn verfiel, dazu muß diese Folge des Vorfalls
mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen
Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben seinem
Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem
starkem Niesen tief aufathmend schrie: ,Ach, gottlob, gott¬
lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten,
der vielleicht -- Gelt, gutes, dummes Vieh (-- das
konnte nur seinem Kater gelten, den er gern bei sich

ſein, irgend ein Unglück, ein Unſtern, der Unglück
wurde. Denn nach der Reiſe, wo er Sie kennen ge¬
lernt hat —“

„Eben auf der Reiſe iſt ſolch ein Unſtern vorge¬
kommen,“ fügte ich ein. Sie fragte geſpannt und ich
erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann
in der Gotthardſchlucht Unheimliches, Erſchütterndes
dem närriſchen Schlußakte in Göſchenen vorangegangen.
Es wäre kindiſch geweſen, ihr das Unſchickliche, was
dort geſchah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte,
zu verſchweigen oder mit einem erfundenen Surrogate
zu vertuſchen; die Frau hatte ja Salz.

Sie wurde ſehr aufmerkſam, lachte über das
Komiſche jenes erſten Vorgangs nicht, ſchwieg nach¬
denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur
von der reiſenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬
neinte. „Er wird gemeint haben, ſie meiden zu müſſen,“
ſagte ſie, „ich muß da noch etwas anführen: daß er
nach ſeiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune
und Trübſinn verfiel, dazu muß dieſe Folge des Vorfalls
mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen
Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben ſeinem
Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem
ſtarkem Nieſen tief aufathmend ſchrie: ‚Ach, gottlob, gott¬
lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten,
der vielleicht — Gelt, gutes, dummes Vieh (— das
konnte nur ſeinem Kater gelten, den er gern bei ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0066" n="53"/>
&#x017F;ein, irgend ein Unglück, ein Un&#x017F;tern, der Unglück<lb/>
wurde. Denn nach der Rei&#x017F;e, wo er Sie kennen ge¬<lb/>
lernt hat &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Eben auf der Rei&#x017F;e i&#x017F;t &#x017F;olch ein Un&#x017F;tern vorge¬<lb/>
kommen,&#x201C; fügte ich ein. Sie fragte ge&#x017F;pannt und ich<lb/>
erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann<lb/>
in der Gotthard&#x017F;chlucht Unheimliches, Er&#x017F;chütterndes<lb/>
dem närri&#x017F;chen Schlußakte in Gö&#x017F;chenen vorangegangen.<lb/>
Es wäre kindi&#x017F;ch gewe&#x017F;en, ihr das Un&#x017F;chickliche, was<lb/>
dort ge&#x017F;chah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte,<lb/>
zu ver&#x017F;chweigen oder mit einem erfundenen Surrogate<lb/>
zu vertu&#x017F;chen; die Frau hatte ja Salz.</p><lb/>
      <p>Sie wurde &#x017F;ehr aufmerk&#x017F;am, lachte über das<lb/>
Komi&#x017F;che jenes er&#x017F;ten Vorgangs nicht, &#x017F;chwieg nach¬<lb/>
denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur<lb/>
von der rei&#x017F;enden Familie entdeckt habe. Ich ver¬<lb/>
neinte. &#x201E;Er wird gemeint haben, &#x017F;ie meiden zu mü&#x017F;&#x017F;en,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, &#x201E;ich muß da noch etwas anführen: daß er<lb/>
nach &#x017F;einer Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune<lb/>
und Trüb&#x017F;inn verfiel, dazu muß die&#x017F;e Folge des Vorfalls<lb/>
mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen<lb/>
Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben &#x017F;einem<lb/>
Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem<lb/>
&#x017F;tarkem Nie&#x017F;en tief aufathmend &#x017F;chrie: &#x201A;Ach, gottlob, gott¬<lb/>
lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten,<lb/>
der vielleicht &#x2014; Gelt, gutes, dummes Vieh (&#x2014; das<lb/>
konnte nur &#x017F;einem Kater gelten, den er gern bei &#x017F;ich<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0066] ſein, irgend ein Unglück, ein Unſtern, der Unglück wurde. Denn nach der Reiſe, wo er Sie kennen ge¬ lernt hat —“ „Eben auf der Reiſe iſt ſolch ein Unſtern vorge¬ kommen,“ fügte ich ein. Sie fragte geſpannt und ich erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann in der Gotthardſchlucht Unheimliches, Erſchütterndes dem närriſchen Schlußakte in Göſchenen vorangegangen. Es wäre kindiſch geweſen, ihr das Unſchickliche, was dort geſchah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte, zu verſchweigen oder mit einem erfundenen Surrogate zu vertuſchen; die Frau hatte ja Salz. Sie wurde ſehr aufmerkſam, lachte über das Komiſche jenes erſten Vorgangs nicht, ſchwieg nach¬ denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur von der reiſenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬ neinte. „Er wird gemeint haben, ſie meiden zu müſſen,“ ſagte ſie, „ich muß da noch etwas anführen: daß er nach ſeiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune und Trübſinn verfiel, dazu muß dieſe Folge des Vorfalls mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben ſeinem Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem ſtarkem Nieſen tief aufathmend ſchrie: ‚Ach, gottlob, gott¬ lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten, der vielleicht — Gelt, gutes, dummes Vieh (— das konnte nur ſeinem Kater gelten, den er gern bei ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/66
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/66>, abgerufen am 18.05.2024.