Das Eine schien ihn zu reuen. Es war Schlafens¬ zeit, er eilte auf sein Zimmer. Ich hörte ihn oben laut mit sich selber reden, was er freilich gar oft that. Es ist schmählich zu sagen, ich habe dann im Vorbei¬ gehen ein wenig gehorcht -- ich hörte ihn auf und ab stürzen, Stühle auf die Seite schleudern -- ich ver¬ nahm unverständliche Laute, ein Wort kehrte wieder, das hieß Foß, aber in Zusammensetzungen, die ich nicht behalten konnte, dazwischen: ,Schweiß der Scham!' -- ,Höllischer Hohn!' -- Nach einer Pause hörte ich wieder fremdklingende Namen rufen, eine Zusam¬ mensetzung mit Strand, Sjöstrand oder ähnlich, und mit Hag -- ich meine: Baldurshag. Er schrie öfters: ,O! o!' Er stöhnte. -- Dann war es lange still und dann vernahm ich weiche Laute: ,Lichtgeist, Friedens¬ bote -- frei! frei!' -- Wieder ward es stiller, hier¬ auf hörte ich ihn laut kommandieren, ähnlich wie später in seiner Todesstunde; soweit ich es verstehe, waren es Rufe, wie wenn einer Truppe auf drang¬ vollem Rückzug vor starker Uebermacht öfters Halt und erneuerte Gegenwehr geboten wird, dabei hörte ich eine Mühle und ein Gehölz nennen."
"Die Kupfermühle bei Krusau," sagte ich, "ich wollte damals, als Sie mir das Aehnliche von seinen Traumreden kurz vor dem letzten Augenblick erzählten, nicht mit einer Notiz unterbrechen; ich erinnere mich noch der Berichte von dem Kampfe bei Bau, A. E.
Das Eine ſchien ihn zu reuen. Es war Schlafens¬ zeit, er eilte auf ſein Zimmer. Ich hörte ihn oben laut mit ſich ſelber reden, was er freilich gar oft that. Es iſt ſchmählich zu ſagen, ich habe dann im Vorbei¬ gehen ein wenig gehorcht — ich hörte ihn auf und ab ſtürzen, Stühle auf die Seite ſchleudern — ich ver¬ nahm unverſtändliche Laute, ein Wort kehrte wieder, das hieß Foß, aber in Zuſammenſetzungen, die ich nicht behalten konnte, dazwiſchen: ‚Schweiß der Scham!' — ‚Hölliſcher Hohn!' — Nach einer Pauſe hörte ich wieder fremdklingende Namen rufen, eine Zuſam¬ menſetzung mit Strand, Sjöſtrand oder ähnlich, und mit Hag — ich meine: Baldurshag. Er ſchrie öfters: ‚O! o!' Er ſtöhnte. — Dann war es lange ſtill und dann vernahm ich weiche Laute: ‚Lichtgeiſt, Friedens¬ bote — frei! frei!' — Wieder ward es ſtiller, hier¬ auf hörte ich ihn laut kommandieren, ähnlich wie ſpäter in ſeiner Todesſtunde; ſoweit ich es verſtehe, waren es Rufe, wie wenn einer Truppe auf drang¬ vollem Rückzug vor ſtarker Uebermacht öfters Halt und erneuerte Gegenwehr geboten wird, dabei hörte ich eine Mühle und ein Gehölz nennen.“
„Die Kupfermühle bei Kruſau,“ ſagte ich, „ich wollte damals, als Sie mir das Aehnliche von ſeinen Traumreden kurz vor dem letzten Augenblick erzählten, nicht mit einer Notiz unterbrechen; ich erinnere mich noch der Berichte von dem Kampfe bei Bau, A. E.
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0064"n="51"/>
Das Eine ſchien ihn zu reuen. Es war Schlafens¬<lb/>
zeit, er eilte auf ſein Zimmer. Ich hörte ihn oben<lb/>
laut mit ſich ſelber reden, was er freilich gar oft that.<lb/>
Es iſt ſchmählich zu ſagen, ich habe dann im Vorbei¬<lb/>
gehen ein wenig gehorcht — ich hörte ihn auf und<lb/>
ab ſtürzen, Stühle auf die Seite ſchleudern — ich ver¬<lb/>
nahm unverſtändliche Laute, ein Wort kehrte wieder,<lb/>
das hieß Foß, aber in Zuſammenſetzungen, die ich<lb/>
nicht behalten konnte, dazwiſchen: ‚Schweiß der Scham!'<lb/>—‚Hölliſcher Hohn!' — Nach einer Pauſe hörte<lb/>
ich wieder fremdklingende Namen rufen, eine Zuſam¬<lb/>
menſetzung mit Strand, Sjöſtrand oder ähnlich, und<lb/>
mit Hag — ich meine: Baldurshag. Er ſchrie öfters:<lb/>‚O! o!' Er ſtöhnte. — Dann war es lange ſtill und<lb/>
dann vernahm ich weiche Laute: ‚Lichtgeiſt, Friedens¬<lb/>
bote — frei! frei!' — Wieder ward es ſtiller, hier¬<lb/>
auf hörte ich ihn laut kommandieren, ähnlich wie<lb/>ſpäter in ſeiner Todesſtunde; ſoweit ich es verſtehe,<lb/>
waren es Rufe, wie wenn einer Truppe auf drang¬<lb/>
vollem Rückzug vor ſtarker Uebermacht öfters Halt<lb/>
und erneuerte Gegenwehr geboten wird, dabei hörte<lb/>
ich eine Mühle und ein Gehölz nennen.“</p><lb/><p>„Die Kupfermühle bei Kruſau,“ſagte ich, „ich<lb/>
wollte damals, als Sie mir das Aehnliche von ſeinen<lb/>
Traumreden kurz vor dem letzten Augenblick erzählten,<lb/>
nicht mit einer Notiz unterbrechen; ich erinnere mich<lb/>
noch der Berichte von dem Kampfe bei Bau, A. E.<lb/></p></body></text></TEI>
[51/0064]
Das Eine ſchien ihn zu reuen. Es war Schlafens¬
zeit, er eilte auf ſein Zimmer. Ich hörte ihn oben
laut mit ſich ſelber reden, was er freilich gar oft that.
Es iſt ſchmählich zu ſagen, ich habe dann im Vorbei¬
gehen ein wenig gehorcht — ich hörte ihn auf und
ab ſtürzen, Stühle auf die Seite ſchleudern — ich ver¬
nahm unverſtändliche Laute, ein Wort kehrte wieder,
das hieß Foß, aber in Zuſammenſetzungen, die ich
nicht behalten konnte, dazwiſchen: ‚Schweiß der Scham!'
— ‚Hölliſcher Hohn!' — Nach einer Pauſe hörte
ich wieder fremdklingende Namen rufen, eine Zuſam¬
menſetzung mit Strand, Sjöſtrand oder ähnlich, und
mit Hag — ich meine: Baldurshag. Er ſchrie öfters:
‚O! o!' Er ſtöhnte. — Dann war es lange ſtill und
dann vernahm ich weiche Laute: ‚Lichtgeiſt, Friedens¬
bote — frei! frei!' — Wieder ward es ſtiller, hier¬
auf hörte ich ihn laut kommandieren, ähnlich wie
ſpäter in ſeiner Todesſtunde; ſoweit ich es verſtehe,
waren es Rufe, wie wenn einer Truppe auf drang¬
vollem Rückzug vor ſtarker Uebermacht öfters Halt
und erneuerte Gegenwehr geboten wird, dabei hörte
ich eine Mühle und ein Gehölz nennen.“
„Die Kupfermühle bei Kruſau,“ ſagte ich, „ich
wollte damals, als Sie mir das Aehnliche von ſeinen
Traumreden kurz vor dem letzten Augenblick erzählten,
nicht mit einer Notiz unterbrechen; ich erinnere mich
noch der Berichte von dem Kampfe bei Bau, A. E.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/64>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.