den Zuschauer ansieht. Starke Brise. Wie weit kann man auf die Klippen jetzt hinaus? "Paolo weiß schon." Brandung wilder und wilder, ein göttliches Wüthen. Wir stehen mitten drin auf einer der durchfressenen Klippen. Schaumwelt wie ein wahnsinniger Traum, Riesenfächer ausgebreitet, Federbüsche, breite Wasser¬ raketen aufschießend, bäumende Rosse, Bären, Elephan¬ ten, Centauren, Fabelungeheuer, -- Gestalt in Gestalt verrinnend, Zischen, Speien, Pfeifen, Heulen, Klagen, Jauchzen, Kichern, Johlen, Wiehern, Brüllen, Baß- und schrille Hochtöne einer Riesenorgel, -- Kanonenschüsse, Donnerschläge, -- wir zwanzigmal überschüttet, Paolo's rothe Mütze fort, in den Strudeln umgezerrt -- o, so wohl, so frei ist mir's nur in der Schlacht gewesen, mir, der sonst mäßigen Wind nicht erträgt. -- Paolo schlägt die großen dunklen Augen unter den triefenden langen Wimpern doch etwas ängstlich nach mir auf. "Sei ruhig, caro ragazzo, uns geschieht nichts. Das kommt nicht von den Teufeln, kommt von guten Gei¬ stern, mir zu Ehren aufgeführt, zur Labung nach all' der Qual!" -- Ich stürme, wirble, jauchze, donnere mit, entbunden, frei Alles und Jedes, was Kraft¬ ahnung in mir ist. Hohe, herrliche Trunkenheit!
Abends im Albergo geplaudert mit den schönen Wirthstöchtern und ein paar frischen Burschen aus
den Zuſchauer anſieht. Starke Briſe. Wie weit kann man auf die Klippen jetzt hinaus? „Paolo weiß ſchon.“ Brandung wilder und wilder, ein göttliches Wüthen. Wir ſtehen mitten drin auf einer der durchfreſſenen Klippen. Schaumwelt wie ein wahnſinniger Traum, Rieſenfächer ausgebreitet, Federbüſche, breite Waſſer¬ raketen aufſchießend, bäumende Roſſe, Bären, Elephan¬ ten, Centauren, Fabelungeheuer, — Geſtalt in Geſtalt verrinnend, Ziſchen, Speien, Pfeifen, Heulen, Klagen, Jauchzen, Kichern, Johlen, Wiehern, Brüllen, Baß- und ſchrille Hochtöne einer Rieſenorgel, — Kanonenſchüſſe, Donnerſchläge, — wir zwanzigmal überſchüttet, Paolo's rothe Mütze fort, in den Strudeln umgezerrt — o, ſo wohl, ſo frei iſt mir's nur in der Schlacht geweſen, mir, der ſonſt mäßigen Wind nicht erträgt. — Paolo ſchlägt die großen dunklen Augen unter den triefenden langen Wimpern doch etwas ängſtlich nach mir auf. „Sei ruhig, caro ragazzo, uns geſchieht nichts. Das kommt nicht von den Teufeln, kommt von guten Gei¬ ſtern, mir zu Ehren aufgeführt, zur Labung nach all' der Qual!“ — Ich ſtürme, wirble, jauchze, donnere mit, entbunden, frei Alles und Jedes, was Kraft¬ ahnung in mir iſt. Hohe, herrliche Trunkenheit!
Abends im Albergo geplaudert mit den ſchönen Wirthstöchtern und ein paar friſchen Burſchen aus
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den Zuſchauer anſieht. Starke Briſe. Wie weit kann
man auf die Klippen jetzt hinaus? „Paolo weiß ſchon.“
Brandung wilder und wilder, ein göttliches Wüthen.
Wir ſtehen mitten drin auf einer der durchfreſſenen
Klippen. Schaumwelt wie ein wahnſinniger Traum,
Rieſenfächer ausgebreitet, Federbüſche, breite Waſſer¬
raketen aufſchießend, bäumende Roſſe, Bären, Elephan¬
ten, Centauren, Fabelungeheuer, — Geſtalt in Geſtalt
verrinnend, Ziſchen, Speien, Pfeifen, Heulen, Klagen,
Jauchzen, Kichern, Johlen, Wiehern, Brüllen, Baß- und
ſchrille Hochtöne einer Rieſenorgel, — Kanonenſchüſſe,
Donnerſchläge, — wir zwanzigmal überſchüttet, Paolo's
rothe Mütze fort, in den Strudeln umgezerrt — o, ſo
wohl, ſo frei iſt mir's nur in der Schlacht geweſen, mir,
der ſonſt mäßigen Wind nicht erträgt. — Paolo ſchlägt
die großen dunklen Augen unter den triefenden langen
Wimpern doch etwas ängſtlich nach mir auf. „Sei
ruhig, caro ragazzo, uns geſchieht nichts. Das
kommt nicht von den Teufeln, kommt von guten Gei¬
ſtern, mir zu Ehren aufgeführt, zur Labung nach all'
der Qual!“ — Ich ſtürme, wirble, jauchze, donnere
mit, entbunden, frei Alles und Jedes, was Kraft¬
ahnung in mir iſt. Hohe, herrliche Trunkenheit!
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/400>, abgerufen am 25.11.2024.
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