Es ist auch deßwegen in Ordnung, daß der Mensch endlich stirbt, er soll sich schon deßwegen gern darein fügen, weil sich mit der Zeit gar zu viel Sach um ihn ansammelt. Man erfährt das so recht bei einem Umzug. Nicht nur Bücher, -- Briefe, Blätter, Blätt¬ chen, Zeitungsnummern, Büchsen, Schachteln, Salben, Pulver, tausend Geräthe. Wie oft, alter Narr, willst du die alte Papiertute hinten in der Schubladenecke noch einmal hervorziehen, öffnen, finden, daß ein Rest Holder- oder Wollblumenthee darin steckt, dich besinnen, ob du ihn wegwerfen willst, ihn noch einmal behalten? -- Mach', geh' fort, nimm Abschied auf einmal von all' dem Quark!
Ballast! Ein- für allemal zu viel Ballast! -- So stark bin ich nicht, daß mir nicht manchmal eine Sehn¬ sucht aufstiege: nur ein Jährchen lang nach dem Tode noch auf einem Planeten, wo man keinen Schneider, Schuster, Schreiner braucht und wo es überhaupt gar kein Wetter, also auch keinen Katarrh gibt! Nicht unsterblich, o nein, nur dieß Jährchen! -- Aber das sind schwache Stunden.
Vitam, non mortem recogita! Altes Motto.
Es iſt auch deßwegen in Ordnung, daß der Menſch endlich ſtirbt, er ſoll ſich ſchon deßwegen gern darein fügen, weil ſich mit der Zeit gar zu viel Sach um ihn anſammelt. Man erfährt das ſo recht bei einem Umzug. Nicht nur Bücher, — Briefe, Blätter, Blätt¬ chen, Zeitungsnummern, Büchſen, Schachteln, Salben, Pulver, tauſend Geräthe. Wie oft, alter Narr, willſt du die alte Papiertute hinten in der Schubladenecke noch einmal hervorziehen, öffnen, finden, daß ein Reſt Holder- oder Wollblumenthee darin ſteckt, dich beſinnen, ob du ihn wegwerfen willſt, ihn noch einmal behalten? — Mach', geh' fort, nimm Abſchied auf einmal von all' dem Quark!
Ballaſt! Ein- für allemal zu viel Ballaſt! — So ſtark bin ich nicht, daß mir nicht manchmal eine Sehn¬ ſucht aufſtiege: nur ein Jährchen lang nach dem Tode noch auf einem Planeten, wo man keinen Schneider, Schuſter, Schreiner braucht und wo es überhaupt gar kein Wetter, alſo auch keinen Katarrh gibt! Nicht unſterblich, o nein, nur dieß Jährchen! — Aber das ſind ſchwache Stunden.
Vitam, non mortem recogita! Altes Motto.
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Es iſt auch deßwegen in Ordnung, daß der Menſch
endlich ſtirbt, er ſoll ſich ſchon deßwegen gern darein
fügen, weil ſich mit der Zeit gar zu viel Sach um
ihn anſammelt. Man erfährt das ſo recht bei einem
Umzug. Nicht nur Bücher, — Briefe, Blätter, Blätt¬
chen, Zeitungsnummern, Büchſen, Schachteln, Salben,
Pulver, tauſend Geräthe. Wie oft, alter Narr, willſt
du die alte Papiertute hinten in der Schubladenecke
noch einmal hervorziehen, öffnen, finden, daß ein Reſt
Holder- oder Wollblumenthee darin ſteckt, dich beſinnen,
ob du ihn wegwerfen willſt, ihn noch einmal behalten?
— Mach', geh' fort, nimm Abſchied auf einmal von
all' dem Quark!
Ballaſt! Ein- für allemal zu viel Ballaſt! — So
ſtark bin ich nicht, daß mir nicht manchmal eine Sehn¬
ſucht aufſtiege: nur ein Jährchen lang nach dem Tode
noch auf einem Planeten, wo man keinen Schneider,
Schuſter, Schreiner braucht und wo es überhaupt gar
kein Wetter, alſo auch keinen Katarrh gibt! Nicht
unſterblich, o nein, nur dieß Jährchen! — Aber das
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Vitam, non mortem recogita! Altes Motto.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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