Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

wendig, so müssen Die, welche ihn strafen, auch. Sie
strafen ihn, weil sie ihn für zurechnungsfähig, für
schuldig halten, und da sie ihn strafen müssen, so ist
es so gut, wie wenn er es wäre. Geschieht Heilsames,
so freuen sich die guten Menschen und lohnen es, --
nicht alle, doch viele, -- als ob es Verdienst wäre.
Sie müssen und der Mann, der sich verdient gemacht,
hat auch gemußt. Aber da beide müssen, so ist es
ebenso gut, wie wenn beide frei handelten. Und so
kann ich ganz getrost nach den gewöhnlichen Begriffen
von Freiheit des Willens leben, befehlen, strafen, loben,
lohnen, und thut die Menschheit recht, sich an dieselben
zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht
das Eine nothwendig ist, das Andere nicht, sondern
sowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, so bleibt
gut gut und schlecht schlecht.

Nur gegen Den soll man nachsichtig sein, der
Schnuppen oder gar Grippe hat, das ist etwas An¬
deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.


Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig.
Dieser, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬
verschämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe
dem naseweißen Geck gesagt: Danke, bin nicht liebens¬
würdig, bin zufrieden, wenn man Respekt vor mir hat.


wendig, ſo müſſen Die, welche ihn ſtrafen, auch. Sie
ſtrafen ihn, weil ſie ihn für zurechnungsfähig, für
ſchuldig halten, und da ſie ihn ſtrafen müſſen, ſo iſt
es ſo gut, wie wenn er es wäre. Geſchieht Heilſames,
ſo freuen ſich die guten Menſchen und lohnen es, —
nicht alle, doch viele, — als ob es Verdienſt wäre.
Sie müſſen und der Mann, der ſich verdient gemacht,
hat auch gemußt. Aber da beide müſſen, ſo iſt es
ebenſo gut, wie wenn beide frei handelten. Und ſo
kann ich ganz getroſt nach den gewöhnlichen Begriffen
von Freiheit des Willens leben, befehlen, ſtrafen, loben,
lohnen, und thut die Menſchheit recht, ſich an dieſelben
zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht
das Eine nothwendig iſt, das Andere nicht, ſondern
ſowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, ſo bleibt
gut gut und ſchlecht ſchlecht.

Nur gegen Den ſoll man nachſichtig ſein, der
Schnuppen oder gar Grippe hat, das iſt etwas An¬
deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.


Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig.
Dieſer, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬
verſchämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe
dem naſeweißen Geck geſagt: Danke, bin nicht liebens¬
würdig, bin zufrieden, wenn man Reſpekt vor mir hat.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0379" n="366"/>
wendig, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en Die, welche ihn &#x017F;trafen, <hi rendition="#g">auch</hi>. Sie<lb/>
&#x017F;trafen ihn, weil &#x017F;ie ihn für zurechnungsfähig, für<lb/>
&#x017F;chuldig halten, und da &#x017F;ie ihn &#x017F;trafen <hi rendition="#g">&#x017F;&#x017F;en</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es &#x017F;o gut, wie wenn er es wäre. Ge&#x017F;chieht Heil&#x017F;ames,<lb/>
&#x017F;o freuen &#x017F;ich die guten Men&#x017F;chen und lohnen es, &#x2014;<lb/>
nicht alle, doch viele, &#x2014; als ob es Verdien&#x017F;t wäre.<lb/>
Sie mü&#x017F;&#x017F;en und der Mann, der &#x017F;ich verdient gemacht,<lb/>
hat auch gemußt. Aber da beide mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o i&#x017F;t es<lb/>
eben&#x017F;o gut, wie wenn beide frei handelten. Und &#x017F;o<lb/>
kann ich ganz getro&#x017F;t nach den gewöhnlichen Begriffen<lb/>
von Freiheit des Willens leben, befehlen, &#x017F;trafen, loben,<lb/>
lohnen, und thut die Men&#x017F;chheit recht, &#x017F;ich an die&#x017F;elben<lb/>
zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht<lb/>
das Eine nothwendig i&#x017F;t, das Andere nicht, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;owohl die Gegenwirkung als die Wirkung, &#x017F;o bleibt<lb/>
gut gut und &#x017F;chlecht &#x017F;chlecht.</p><lb/>
        <p>Nur gegen Den &#x017F;oll man nach&#x017F;ichtig &#x017F;ein, der<lb/>
Schnuppen oder gar Grippe hat, das i&#x017F;t etwas An¬<lb/>
deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig.<lb/>
Die&#x017F;er, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬<lb/>
ver&#x017F;chämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe<lb/>
dem na&#x017F;eweißen Geck ge&#x017F;agt: Danke, bin nicht liebens¬<lb/>
würdig, bin zufrieden, wenn man Re&#x017F;pekt vor mir hat.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0379] wendig, ſo müſſen Die, welche ihn ſtrafen, auch. Sie ſtrafen ihn, weil ſie ihn für zurechnungsfähig, für ſchuldig halten, und da ſie ihn ſtrafen müſſen, ſo iſt es ſo gut, wie wenn er es wäre. Geſchieht Heilſames, ſo freuen ſich die guten Menſchen und lohnen es, — nicht alle, doch viele, — als ob es Verdienſt wäre. Sie müſſen und der Mann, der ſich verdient gemacht, hat auch gemußt. Aber da beide müſſen, ſo iſt es ebenſo gut, wie wenn beide frei handelten. Und ſo kann ich ganz getroſt nach den gewöhnlichen Begriffen von Freiheit des Willens leben, befehlen, ſtrafen, loben, lohnen, und thut die Menſchheit recht, ſich an dieſelben zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht das Eine nothwendig iſt, das Andere nicht, ſondern ſowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, ſo bleibt gut gut und ſchlecht ſchlecht. Nur gegen Den ſoll man nachſichtig ſein, der Schnuppen oder gar Grippe hat, das iſt etwas An¬ deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf. Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig. Dieſer, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬ verſchämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe dem naſeweißen Geck geſagt: Danke, bin nicht liebens¬ würdig, bin zufrieden, wenn man Reſpekt vor mir hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/379
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/379>, abgerufen am 25.11.2024.