Und die Moden! Auf jedem Schritt über die Straßen werde ich beleidigt. Karikaturen auf Weg und Steg. "Jeder nach seinem Geschmack!" Gut! Nur zu! Nur zu! Man sieht, was dabei herauskommt! -- Ich finde, daß ein Mensch, der sich ganz geschmacklos kleidet, ja in seinem Anzug eine förmliche Rebellion gegen den Geschmack aufthut, eigentlich etwas Aggres¬ sives für jeden Begegnenden in seiner Erscheinung hat, etwas Kränkendes, Injuriöses. Ich meine nicht alte Herren, die hinter der Mode bleiben, nicht gut¬ artige Narren, die irgend ein Formen- oder Farben¬ kobold reitet, sondern Stutzer und Stutzerinnen, die eine rohe Unform der Mode flugs mitmachen und noch übertreiben. Sie haben einen Ausdruck im Gesicht, in allen Bewegungen, der stillschweigend dem Mit¬ menschen zuruft: "Es soll dir doch gefallen! Siehst du, so mußt du mich nun sehen, magst wollen oder nicht! Ich schlage dir mit dieser meiner Verzerrung des richtigen Menschenbilds in's Gesicht und du darfst nicht mucksen!"
Was folgt? Das folgt, daß es auch in diesem Gebiet heißt: der Mensch ist nicht geboren, frei zu sein! Er gebraucht seine Freiheit, die freilich doch nur die Freiheit des Sklaven, nur Modeknechtschaft ist, zu nichts, als zur Mißhandlung seiner Mitmenschen!
Ach! nun aber auch in diesem Stück: woher den Gerichtshof nehmen, woraus ihn bilden, dem man die
Und die Moden! Auf jedem Schritt über die Straßen werde ich beleidigt. Karikaturen auf Weg und Steg. „Jeder nach ſeinem Geſchmack!“ Gut! Nur zu! Nur zu! Man ſieht, was dabei herauskommt! — Ich finde, daß ein Menſch, der ſich ganz geſchmacklos kleidet, ja in ſeinem Anzug eine förmliche Rebellion gegen den Geſchmack aufthut, eigentlich etwas Aggreſ¬ ſives für jeden Begegnenden in ſeiner Erſcheinung hat, etwas Kränkendes, Injuriöſes. Ich meine nicht alte Herren, die hinter der Mode bleiben, nicht gut¬ artige Narren, die irgend ein Formen- oder Farben¬ kobold reitet, ſondern Stutzer und Stutzerinnen, die eine rohe Unform der Mode flugs mitmachen und noch übertreiben. Sie haben einen Ausdruck im Geſicht, in allen Bewegungen, der ſtillſchweigend dem Mit¬ menſchen zuruft: „Es ſoll dir doch gefallen! Siehſt du, ſo mußt du mich nun ſehen, magſt wollen oder nicht! Ich ſchlage dir mit dieſer meiner Verzerrung des richtigen Menſchenbilds in's Geſicht und du darfſt nicht muckſen!“
Was folgt? Das folgt, daß es auch in dieſem Gebiet heißt: der Menſch iſt nicht geboren, frei zu ſein! Er gebraucht ſeine Freiheit, die freilich doch nur die Freiheit des Sklaven, nur Modeknechtſchaft iſt, zu nichts, als zur Mißhandlung ſeiner Mitmenſchen!
Ach! nun aber auch in dieſem Stück: woher den Gerichtshof nehmen, woraus ihn bilden, dem man die
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Und die Moden! Auf jedem Schritt über die
Straßen werde ich beleidigt. Karikaturen auf Weg
und Steg. „Jeder nach ſeinem Geſchmack!“ Gut! Nur
zu! Nur zu! Man ſieht, was dabei herauskommt! —
Ich finde, daß ein Menſch, der ſich ganz geſchmacklos
kleidet, ja in ſeinem Anzug eine förmliche Rebellion
gegen den Geſchmack aufthut, eigentlich etwas Aggreſ¬
ſives für jeden Begegnenden in ſeiner Erſcheinung hat,
etwas Kränkendes, Injuriöſes. Ich meine nicht
alte Herren, die hinter der Mode bleiben, nicht gut¬
artige Narren, die irgend ein Formen- oder Farben¬
kobold reitet, ſondern Stutzer und Stutzerinnen, die
eine rohe Unform der Mode flugs mitmachen und noch
übertreiben. Sie haben einen Ausdruck im Geſicht,
in allen Bewegungen, der ſtillſchweigend dem Mit¬
menſchen zuruft: „Es ſoll dir doch gefallen! Siehſt
du, ſo mußt du mich nun ſehen, magſt wollen oder
nicht! Ich ſchlage dir mit dieſer meiner Verzerrung
des richtigen Menſchenbilds in's Geſicht und du darfſt
nicht muckſen!“
Was folgt? Das folgt, daß es auch in dieſem
Gebiet heißt: der Menſch iſt nicht geboren, frei zu
ſein! Er gebraucht ſeine Freiheit, die freilich doch nur
die Freiheit des Sklaven, nur Modeknechtſchaft iſt, zu
nichts, als zur Mißhandlung ſeiner Mitmenſchen!
Ach! nun aber auch in dieſem Stück: woher den
Gerichtshof nehmen, woraus ihn bilden, dem man die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/298>, abgerufen am 24.11.2024.
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