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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich
in's Lager der Unchristen übergetreten, doch, wie man
vernehme, nicht mehr zur Messe gegangen sei. Als
sie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia
kam, habe es sich bestätigt, daß sie der Kirche fremd
geworden, und als sie gar auf dem Sterbebett die
Sakramente nicht nahm, das sei ein Entsetzen für alle
guten Christen gewesen. "Aber," fügt Frau Cornelia
weinend hinzu, "ich glaube doch, daß sie Gott Vater
in Gnaden in den Paradiso aufnehmen wird nach
kurzem Fegfeuer, sie war bis zum letzten Augenblick
so carina, tanto, tanto buona." -- Die Tochter, be¬
fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei,
man erfahre wenig von dorther, außer neulich sei eine
Nachricht gekommen, daß Cordelia besorglich kränkle;
das Klima Schottlands und Norwegens scheine dem
südlichen Blute nicht zuträglich. --

Wirst du früh hingehen, hinwegschweben in gold¬
gesäumte Wolken, aus denen du mir kamst? Und ich
-- dir nachsehen, wie die Apostel auf dem alten
Bilde dort im Kloster, gebräunt von Erdensonne, ver¬
lassen, arm, hülflos emporschaun, da die Erde nun
öde, leer, grau, verwaist?


Werde ich Nazarener? Man spürt hier recht, wie
diese alten Bilder es unsern Overbeck, Veit, Steinle

land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich
in's Lager der Unchriſten übergetreten, doch, wie man
vernehme, nicht mehr zur Meſſe gegangen ſei. Als
ſie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia
kam, habe es ſich beſtätigt, daß ſie der Kirche fremd
geworden, und als ſie gar auf dem Sterbebett die
Sakramente nicht nahm, das ſei ein Entſetzen für alle
guten Chriſten geweſen. „Aber,“ fügt Frau Cornelia
weinend hinzu, „ich glaube doch, daß ſie Gott Vater
in Gnaden in den Paradiſo aufnehmen wird nach
kurzem Fegfeuer, ſie war bis zum letzten Augenblick
ſo carina, tanto, tanto buona.“ — Die Tochter, be¬
fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei,
man erfahre wenig von dorther, außer neulich ſei eine
Nachricht gekommen, daß Cordelia beſorglich kränkle;
das Klima Schottlands und Norwegens ſcheine dem
ſüdlichen Blute nicht zuträglich. —

Wirſt du früh hingehen, hinwegſchweben in gold¬
geſäumte Wolken, aus denen du mir kamſt? Und ich
— dir nachſehen, wie die Apoſtel auf dem alten
Bilde dort im Kloſter, gebräunt von Erdenſonne, ver¬
laſſen, arm, hülflos emporſchaun, da die Erde nun
öde, leer, grau, verwaist?


Werde ich Nazarener? Man ſpürt hier recht, wie
dieſe alten Bilder es unſern Overbeck, Veit, Steinle

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[264/0277] land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich in's Lager der Unchriſten übergetreten, doch, wie man vernehme, nicht mehr zur Meſſe gegangen ſei. Als ſie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia kam, habe es ſich beſtätigt, daß ſie der Kirche fremd geworden, und als ſie gar auf dem Sterbebett die Sakramente nicht nahm, das ſei ein Entſetzen für alle guten Chriſten geweſen. „Aber,“ fügt Frau Cornelia weinend hinzu, „ich glaube doch, daß ſie Gott Vater in Gnaden in den Paradiſo aufnehmen wird nach kurzem Fegfeuer, ſie war bis zum letzten Augenblick ſo carina, tanto, tanto buona.“ — Die Tochter, be¬ fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei, man erfahre wenig von dorther, außer neulich ſei eine Nachricht gekommen, daß Cordelia beſorglich kränkle; das Klima Schottlands und Norwegens ſcheine dem ſüdlichen Blute nicht zuträglich. — Wirſt du früh hingehen, hinwegſchweben in gold¬ geſäumte Wolken, aus denen du mir kamſt? Und ich — dir nachſehen, wie die Apoſtel auf dem alten Bilde dort im Kloſter, gebräunt von Erdenſonne, ver¬ laſſen, arm, hülflos emporſchaun, da die Erde nun öde, leer, grau, verwaist? Werde ich Nazarener? Man ſpürt hier recht, wie dieſe alten Bilder es unſern Overbeck, Veit, Steinle

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/277>, abgerufen am 26.11.2024.