land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich in's Lager der Unchristen übergetreten, doch, wie man vernehme, nicht mehr zur Messe gegangen sei. Als sie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia kam, habe es sich bestätigt, daß sie der Kirche fremd geworden, und als sie gar auf dem Sterbebett die Sakramente nicht nahm, das sei ein Entsetzen für alle guten Christen gewesen. "Aber," fügt Frau Cornelia weinend hinzu, "ich glaube doch, daß sie Gott Vater in Gnaden in den Paradiso aufnehmen wird nach kurzem Fegfeuer, sie war bis zum letzten Augenblick so carina, tanto, tanto buona." -- Die Tochter, be¬ fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei, man erfahre wenig von dorther, außer neulich sei eine Nachricht gekommen, daß Cordelia besorglich kränkle; das Klima Schottlands und Norwegens scheine dem südlichen Blute nicht zuträglich. --
Wirst du früh hingehen, hinwegschweben in gold¬ gesäumte Wolken, aus denen du mir kamst? Und ich -- dir nachsehen, wie die Apostel auf dem alten Bilde dort im Kloster, gebräunt von Erdensonne, ver¬ lassen, arm, hülflos emporschaun, da die Erde nun öde, leer, grau, verwaist?
Werde ich Nazarener? Man spürt hier recht, wie diese alten Bilder es unsern Overbeck, Veit, Steinle
land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich in's Lager der Unchriſten übergetreten, doch, wie man vernehme, nicht mehr zur Meſſe gegangen ſei. Als ſie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia kam, habe es ſich beſtätigt, daß ſie der Kirche fremd geworden, und als ſie gar auf dem Sterbebett die Sakramente nicht nahm, das ſei ein Entſetzen für alle guten Chriſten geweſen. „Aber,“ fügt Frau Cornelia weinend hinzu, „ich glaube doch, daß ſie Gott Vater in Gnaden in den Paradiſo aufnehmen wird nach kurzem Fegfeuer, ſie war bis zum letzten Augenblick ſo carina, tanto, tanto buona.“ — Die Tochter, be¬ fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei, man erfahre wenig von dorther, außer neulich ſei eine Nachricht gekommen, daß Cordelia beſorglich kränkle; das Klima Schottlands und Norwegens ſcheine dem ſüdlichen Blute nicht zuträglich. —
Wirſt du früh hingehen, hinwegſchweben in gold¬ geſäumte Wolken, aus denen du mir kamſt? Und ich — dir nachſehen, wie die Apoſtel auf dem alten Bilde dort im Kloſter, gebräunt von Erdenſonne, ver¬ laſſen, arm, hülflos emporſchaun, da die Erde nun öde, leer, grau, verwaist?
Werde ich Nazarener? Man ſpürt hier recht, wie dieſe alten Bilder es unſern Overbeck, Veit, Steinle
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0277"n="264"/>
land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich<lb/>
in's Lager der Unchriſten übergetreten, doch, wie man<lb/>
vernehme, nicht mehr zur Meſſe gegangen ſei. Als<lb/>ſie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia<lb/>
kam, habe es ſich beſtätigt, daß ſie der Kirche fremd<lb/>
geworden, und als ſie gar auf dem Sterbebett die<lb/>
Sakramente nicht nahm, das ſei ein Entſetzen für alle<lb/>
guten Chriſten geweſen. „Aber,“ fügt Frau Cornelia<lb/>
weinend hinzu, „ich glaube doch, daß ſie Gott Vater<lb/>
in Gnaden in den Paradiſo aufnehmen wird nach<lb/>
kurzem Fegfeuer, ſie war bis zum letzten Augenblick<lb/>ſo <hirendition="#aq">carina, tanto, tanto buona.</hi>“— Die Tochter, be¬<lb/>
fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei,<lb/>
man erfahre wenig von dorther, außer neulich ſei eine<lb/>
Nachricht gekommen, daß Cordelia beſorglich kränkle;<lb/>
das Klima Schottlands und Norwegens ſcheine dem<lb/>ſüdlichen Blute nicht zuträglich. —</p><lb/><p>Wirſt du früh hingehen, hinwegſchweben in gold¬<lb/>
geſäumte Wolken, aus denen du mir kamſt? Und ich<lb/>— dir nachſehen, wie die Apoſtel auf dem alten<lb/>
Bilde dort im Kloſter, gebräunt von Erdenſonne, ver¬<lb/>
laſſen, arm, hülflos emporſchaun, da die Erde nun<lb/>
öde, leer, grau, verwaist?</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Werde ich Nazarener? Man ſpürt hier recht, wie<lb/>
dieſe alten Bilder es unſern Overbeck, Veit, Steinle<lb/></p></div></body></text></TEI>
[264/0277]
land geheirathet habe und dort zwar nicht förmlich
in's Lager der Unchriſten übergetreten, doch, wie man
vernehme, nicht mehr zur Meſſe gegangen ſei. Als
ſie dem Tode nahe mit ihrem Mann nach Perugia
kam, habe es ſich beſtätigt, daß ſie der Kirche fremd
geworden, und als ſie gar auf dem Sterbebett die
Sakramente nicht nahm, das ſei ein Entſetzen für alle
guten Chriſten geweſen. „Aber,“ fügt Frau Cornelia
weinend hinzu, „ich glaube doch, daß ſie Gott Vater
in Gnaden in den Paradiſo aufnehmen wird nach
kurzem Fegfeuer, ſie war bis zum letzten Augenblick
ſo carina, tanto, tanto buona.“ — Die Tochter, be¬
fürchte man, folge der Mutter nach in der Ketzerei,
man erfahre wenig von dorther, außer neulich ſei eine
Nachricht gekommen, daß Cordelia beſorglich kränkle;
das Klima Schottlands und Norwegens ſcheine dem
ſüdlichen Blute nicht zuträglich. —
Wirſt du früh hingehen, hinwegſchweben in gold¬
geſäumte Wolken, aus denen du mir kamſt? Und ich
— dir nachſehen, wie die Apoſtel auf dem alten
Bilde dort im Kloſter, gebräunt von Erdenſonne, ver¬
laſſen, arm, hülflos emporſchaun, da die Erde nun
öde, leer, grau, verwaist?
Werde ich Nazarener? Man ſpürt hier recht, wie
dieſe alten Bilder es unſern Overbeck, Veit, Steinle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/277>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.