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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Wir Alle -- wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬
male Christi -- erfahren haben, was heißt: Mensch
sein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! --
Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß
er gut war? Ich mag ihn, seit ich seinen Hymnus
kenne, jenen Hochgesang, worin er in seinem ehrlichen
Altitalienisch den Allmächtigen preist, daß er geschaffen
hat Herrn Bruder Sonn -- misser lu frate Sol
--, der da schön und strahlend ist mit viel Glanz,
daß er uns erleuchte für ihn, und Schwester Luna
und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar
und kostbar und schön, Bruder Wind und Luft und
Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den
Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schwester Wasser,
welche sehr nützlich und niedrig und köstlich und keusch
ist, und Bruder Feuer, welcher ist schön und lustig
und gewaltig stark, und unsre Mutter Erde, die uns
trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte
und farbige Blumen und Kräuter. -- Und am Schluß
preist er den Herrn noch für den Tod, er ist ihm
weiblich (la morte) und er nennt ihn unsere Schwester.


Die Tante gefunden, gesprochen. Frau Cornelia
Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latinisch. Gute
Frau, echt katholisch, doch ohne Gift. Man sei sich
etwas fremd geworden, seit ihre Schwester nach Schott¬

Wir Alle — wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬
male Chriſti — erfahren haben, was heißt: Menſch
ſein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! —
Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß
er gut war? Ich mag ihn, ſeit ich ſeinen Hymnus
kenne, jenen Hochgeſang, worin er in ſeinem ehrlichen
Altitalieniſch den Allmächtigen preist, daß er geſchaffen
hat Herrn Bruder Sonn — misser lu frate Sol
—, der da ſchön und ſtrahlend iſt mit viel Glanz,
daß er uns erleuchte für ihn, und Schweſter Luna
und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar
und koſtbar und ſchön, Bruder Wind und Luft und
Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den
Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schweſter Waſſer,
welche ſehr nützlich und niedrig und köſtlich und keuſch
iſt, und Bruder Feuer, welcher iſt ſchön und luſtig
und gewaltig ſtark, und unſre Mutter Erde, die uns
trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte
und farbige Blumen und Kräuter. — Und am Schluß
preiſt er den Herrn noch für den Tod, er iſt ihm
weiblich (la morte) und er nennt ihn unſere Schweſter.


Die Tante gefunden, geſprochen. Frau Cornelia
Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latiniſch. Gute
Frau, echt katholiſch, doch ohne Gift. Man ſei ſich
etwas fremd geworden, ſeit ihre Schweſter nach Schott¬

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[263/0276] Wir Alle — wer nämlich in Wahrheit lebt. Wunden¬ male Chriſti — erfahren haben, was heißt: Menſch ſein. Nur aber fort mit dem Heiligengeruch! — Warum mußte er heilig werden, genügte es nicht, daß er gut war? Ich mag ihn, ſeit ich ſeinen Hymnus kenne, jenen Hochgeſang, worin er in ſeinem ehrlichen Altitalieniſch den Allmächtigen preist, daß er geſchaffen hat Herrn Bruder Sonn — misser lu frate Sol —, der da ſchön und ſtrahlend iſt mit viel Glanz, daß er uns erleuchte für ihn, und Schweſter Luna und die Sterne, die er am Himmel gebildet hat klar und koſtbar und ſchön, Bruder Wind und Luft und Wolken und heiteres und jeder Art Wetter, die den Kreaturen ihren Unterhalt geben, Schweſter Waſſer, welche ſehr nützlich und niedrig und köſtlich und keuſch iſt, und Bruder Feuer, welcher iſt ſchön und luſtig und gewaltig ſtark, und unſre Mutter Erde, die uns trägt und führt und hervorbringt mancherlei Früchte und farbige Blumen und Kräuter. — Und am Schluß preiſt er den Herrn noch für den Tod, er iſt ihm weiblich (la morte) und er nennt ihn unſere Schweſter. Die Tante gefunden, geſprochen. Frau Cornelia Ruggieri. Entfernte Aehnlichkeit, mehr latiniſch. Gute Frau, echt katholiſch, doch ohne Gift. Man ſei ſich etwas fremd geworden, ſeit ihre Schweſter nach Schott¬

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/276>, abgerufen am 22.07.2024.