ein Typhus war sehr zu befürchten, trotzdem war es nicht allzu gewagt, ihn zu Schiffe fortzubringen, die Seeluft konnte sogar heilsam wirken; rasch wurden die Vorbereitungen getroffen, die Abreise bewerkstelligt, das Wetter war schön und versprach, es zu bleiben; wirklich begünstigte es die Dampfschifffahrt um die Südspitze der Halbinsel und ohne störenden Zwischen¬ fall wurde Christiania erreicht. Für Unterkunft und Pflege des Kranken konnte ausreichend gesorgt werden, ein Nebenhaus der Wohnung, die Erik bezog, bot passenden Raum und ein verschwiegener Krankenwärter wurde bald gefunden. Sehr glückliche Umstände! Denn jetzt brach das befürchtete Nervenfieber aus, furchtbar schüttelte es den Unglücklichen und entsetzliche Phantasie¬ bilder jagten sich in seiner Seele. Er glaubte, das falsche Weib als Drachen über Eisberge zu verfolgen, mit ihr vom Rjukansoß durch Felsschluchten in's Innere der Erde hineingeschlagen zu werden, er verwechselte sich mit der mishandelten Leiche und glaubte, Goldrun wühle mit dem Dolch in seiner Brust, dann träumte er wieder von der Sognebucht, vom Baldurshag, seine Ausrufungen ließen auf beseligende Bilder schließen, aber schnell vertauschte sich die Bucht mit dem Tindsee, er sang Verse von Olaf, den die Meernixe verführt, plötzlich sah er sich von einem Ungeheuer der Tiefe verfolgt, rettete sich auf ein Schiff, fuhr als Vikinger hinaus in die Welt, er ließ Schlachtrufe vernehmen,
ein Typhus war ſehr zu befürchten, trotzdem war es nicht allzu gewagt, ihn zu Schiffe fortzubringen, die Seeluft konnte ſogar heilſam wirken; raſch wurden die Vorbereitungen getroffen, die Abreiſe bewerkſtelligt, das Wetter war ſchön und verſprach, es zu bleiben; wirklich begünſtigte es die Dampfſchifffahrt um die Südſpitze der Halbinſel und ohne ſtörenden Zwiſchen¬ fall wurde Chriſtiania erreicht. Für Unterkunft und Pflege des Kranken konnte ausreichend geſorgt werden, ein Nebenhaus der Wohnung, die Erik bezog, bot paſſenden Raum und ein verſchwiegener Krankenwärter wurde bald gefunden. Sehr glückliche Umſtände! Denn jetzt brach das befürchtete Nervenfieber aus, furchtbar ſchüttelte es den Unglücklichen und entſetzliche Phantaſie¬ bilder jagten ſich in ſeiner Seele. Er glaubte, das falſche Weib als Drachen über Eisberge zu verfolgen, mit ihr vom Rjukanſoß durch Felsſchluchten in's Innere der Erde hineingeſchlagen zu werden, er verwechſelte ſich mit der mishandelten Leiche und glaubte, Goldrun wühle mit dem Dolch in ſeiner Bruſt, dann träumte er wieder von der Sognebucht, vom Baldurshag, ſeine Ausrufungen ließen auf beſeligende Bilder ſchließen, aber ſchnell vertauſchte ſich die Bucht mit dem Tindſee, er ſang Verſe von Olaf, den die Meernixe verführt, plötzlich ſah er ſich von einem Ungeheuer der Tiefe verfolgt, rettete ſich auf ein Schiff, fuhr als Vikinger hinaus in die Welt, er ließ Schlachtrufe vernehmen,
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ein Typhus war ſehr zu befürchten, trotzdem war es
nicht allzu gewagt, ihn zu Schiffe fortzubringen, die
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Vorbereitungen getroffen, die Abreiſe bewerkſtelligt, das
Wetter war ſchön und verſprach, es zu bleiben;
wirklich begünſtigte es die Dampfſchifffahrt um die
Südſpitze der Halbinſel und ohne ſtörenden Zwiſchen¬
fall wurde Chriſtiania erreicht. Für Unterkunft und
Pflege des Kranken konnte ausreichend geſorgt werden,
ein Nebenhaus der Wohnung, die Erik bezog, bot
paſſenden Raum und ein verſchwiegener Krankenwärter
wurde bald gefunden. Sehr glückliche Umſtände! Denn
jetzt brach das befürchtete Nervenfieber aus, furchtbar
ſchüttelte es den Unglücklichen und entſetzliche Phantaſie¬
bilder jagten ſich in ſeiner Seele. Er glaubte, das
falſche Weib als Drachen über Eisberge zu verfolgen,
mit ihr vom Rjukanſoß durch Felsſchluchten in's Innere
der Erde hineingeſchlagen zu werden, er verwechſelte
ſich mit der mishandelten Leiche und glaubte, Goldrun
wühle mit dem Dolch in ſeiner Bruſt, dann träumte
er wieder von der Sognebucht, vom Baldurshag, ſeine
Ausrufungen ließen auf beſeligende Bilder ſchließen,
aber ſchnell vertauſchte ſich die Bucht mit dem Tindſee,
er ſang Verſe von Olaf, den die Meernixe verführt,
plötzlich ſah er ſich von einem Ungeheuer der Tiefe
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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