keuchend an ihm vorüberstürzt. Er vernimmt ein heiseres Fluchen, von Husten und Niesen seltsam, fast komisch unterbrochen, und erinnert sich, daß A. E. öfters über Neigung zu katarrhalischen Affektionen ge¬ klagt hatte. Der kurze Lachreiz vergieng ihm, als er im Nachschauen etwas wie einen Dolch in der Hand des nächtlichen Springers funkeln sah. Er kann noch wahrnehmen, daß die dunkle Gestalt einem Hause zu¬ eilt, das vereinzelt an einem Kanale des Hafens steht; er sieht Jemand aus dem Hause treten, A. E. den Begegnenden anhalten, er meint zu beobachten, wie er den blinkenden Stahl gegen ihn hebt, dann aber den Ruf zu vernehmen: ,Nein, nicht dir!' Ver¬ worrene Laute gedrängter Bewegungen lassen auf ein Ringen der Beiden schließen, es folgt ein platschender Schall, wie wenn ein Körper in's Wasser fällt, Erik ist inzwischen näher gekommen, sieht einen Schwim¬ menden sich an die gegenüberliegende Kanaltreppe durcharbeiten, A. E. aber in dem Hause verschwinden. Es war ihm nicht unbekannt, daß hier eine durch Schönheit und Geist ausgezeichnete, aber von dunkeln Gerüchten umsponnene Dame wohnte; er bemerkt Licht in den Zimmern zu ebener Erde; nach wenigen Minuten hört er hinter den Fenstern einen Schrei, einen dumpfen Fall, kurz darauf stürmt A. E. aus der Hausthüre und sinkt nah an der Schwelle zu Boden. Er beugt sich über ihn, befühlt ihn, kann kein Blut
keuchend an ihm vorüberſtürzt. Er vernimmt ein heiſeres Fluchen, von Huſten und Nieſen ſeltſam, faſt komiſch unterbrochen, und erinnert ſich, daß A. E. öfters über Neigung zu katarrhaliſchen Affektionen ge¬ klagt hatte. Der kurze Lachreiz vergieng ihm, als er im Nachſchauen etwas wie einen Dolch in der Hand des nächtlichen Springers funkeln ſah. Er kann noch wahrnehmen, daß die dunkle Geſtalt einem Hauſe zu¬ eilt, das vereinzelt an einem Kanale des Hafens ſteht; er ſieht Jemand aus dem Hauſe treten, A. E. den Begegnenden anhalten, er meint zu beobachten, wie er den blinkenden Stahl gegen ihn hebt, dann aber den Ruf zu vernehmen: ‚Nein, nicht dir!‘ Ver¬ worrene Laute gedrängter Bewegungen laſſen auf ein Ringen der Beiden ſchließen, es folgt ein platſchender Schall, wie wenn ein Körper in's Waſſer fällt, Erik iſt inzwiſchen näher gekommen, ſieht einen Schwim¬ menden ſich an die gegenüberliegende Kanaltreppe durcharbeiten, A. E. aber in dem Hauſe verſchwinden. Es war ihm nicht unbekannt, daß hier eine durch Schönheit und Geiſt ausgezeichnete, aber von dunkeln Gerüchten umſponnene Dame wohnte; er bemerkt Licht in den Zimmern zu ebener Erde; nach wenigen Minuten hört er hinter den Fenſtern einen Schrei, einen dumpfen Fall, kurz darauf ſtürmt A. E. aus der Hausthüre und ſinkt nah an der Schwelle zu Boden. Er beugt ſich über ihn, befühlt ihn, kann kein Blut
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[198/0211]
keuchend an ihm vorüberſtürzt. Er vernimmt ein
heiſeres Fluchen, von Huſten und Nieſen ſeltſam, faſt
komiſch unterbrochen, und erinnert ſich, daß A. E.
öfters über Neigung zu katarrhaliſchen Affektionen ge¬
klagt hatte. Der kurze Lachreiz vergieng ihm, als er
im Nachſchauen etwas wie einen Dolch in der Hand
des nächtlichen Springers funkeln ſah. Er kann noch
wahrnehmen, daß die dunkle Geſtalt einem Hauſe zu¬
eilt, das vereinzelt an einem Kanale des Hafens ſteht;
er ſieht Jemand aus dem Hauſe treten, A. E. den
Begegnenden anhalten, er meint zu beobachten, wie
er den blinkenden Stahl gegen ihn hebt, dann aber
den Ruf zu vernehmen: ‚Nein, nicht dir!‘ Ver¬
worrene Laute gedrängter Bewegungen laſſen auf ein
Ringen der Beiden ſchließen, es folgt ein platſchender
Schall, wie wenn ein Körper in's Waſſer fällt, Erik
iſt inzwiſchen näher gekommen, ſieht einen Schwim¬
menden ſich an die gegenüberliegende Kanaltreppe
durcharbeiten, A. E. aber in dem Hauſe verſchwinden.
Es war ihm nicht unbekannt, daß hier eine durch
Schönheit und Geiſt ausgezeichnete, aber von dunkeln
Gerüchten umſponnene Dame wohnte; er bemerkt Licht
in den Zimmern zu ebener Erde; nach wenigen Minuten
hört er hinter den Fenſtern einen Schrei, einen
dumpfen Fall, kurz darauf ſtürmt A. E. aus der
Hausthüre und ſinkt nah an der Schwelle zu Boden.
Er beugt ſich über ihn, befühlt ihn, kann kein Blut
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/211>, abgerufen am 23.11.2024.
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