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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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Geheilt weiter gewandert. Ueber wüste Hochebenen,
todeseinsam. Oft hungernd fortgeschleppt, bis ein ärm¬
licher Säter mich aufnahm. Ein Schneehuhn flattert
auf, ein Fuchs schleicht, keine Menschenseele. An Berg¬
seen schwerträumend. Hinab? Unter? Nein, weiter!
Ich sehe Gestalten im Geist über diese Wüsten schreiten,
kriegerische, abgemagert, zerlumpt, ungebeugt, ein jugend¬
lich Haupt ihr Führer. König Sverrir, der du mit
deinen kühnen Banden einst hier ringend mit Kälte,
Schnee, Hunger umhergeirrt, Kriegern in Birkenrinde
gekleidet, oft der Verzweiflung nahe, sich fragend, ob
sie sich nicht lieber hoch von den Klippen stürzen oder
gegenseitig tödten sollten, -- hast ausgehalten mit deiner
Schaar, ein halb Jahrhundert gekämpft gegen Priester¬
herrschaft, drunten im Sognefjord in blutiger See¬
schlacht gesiegt, -- o, so etwas! wer mir das brächte!
-- Aber will aushalten! Will mich nicht schämen vor
euch Heldengeistern. Bin Mann.


Hinüber in's Jötunfjeld, von den alten Riesen
gethürmt gegen die Asen, Gipfel an Gipfel, Zacken an
Zacken, ewiges Eis, wüthende Wasserstürze, Hochthal
dazwischen schauerlich schön --, geisterhafte Seen --,
ich schaue empor an den unerbittlichen Krystallen --
fällt mir ein aus der Edda, wie es von Brynhild
heißt:

Geheilt weiter gewandert. Ueber wüſte Hochebenen,
todeseinſam. Oft hungernd fortgeſchleppt, bis ein ärm¬
licher Säter mich aufnahm. Ein Schneehuhn flattert
auf, ein Fuchs ſchleicht, keine Menſchenſeele. An Berg¬
ſeen ſchwerträumend. Hinab? Unter? Nein, weiter!
Ich ſehe Geſtalten im Geiſt über dieſe Wüſten ſchreiten,
kriegeriſche, abgemagert, zerlumpt, ungebeugt, ein jugend¬
lich Haupt ihr Führer. König Sverrir, der du mit
deinen kühnen Banden einſt hier ringend mit Kälte,
Schnee, Hunger umhergeirrt, Kriegern in Birkenrinde
gekleidet, oft der Verzweiflung nahe, ſich fragend, ob
ſie ſich nicht lieber hoch von den Klippen ſtürzen oder
gegenſeitig tödten ſollten, — haſt ausgehalten mit deiner
Schaar, ein halb Jahrhundert gekämpft gegen Prieſter¬
herrſchaft, drunten im Sognefjord in blutiger See¬
ſchlacht geſiegt, — o, ſo etwas! wer mir das brächte!
— Aber will aushalten! Will mich nicht ſchämen vor
euch Heldengeiſtern. Bin Mann.


Hinüber in's Jötunfjeld, von den alten Rieſen
gethürmt gegen die Aſen, Gipfel an Gipfel, Zacken an
Zacken, ewiges Eis, wüthende Waſſerſtürze, Hochthal
dazwiſchen ſchauerlich ſchön —, geiſterhafte Seen —,
ich ſchaue empor an den unerbittlichen Kryſtallen —
fällt mir ein aus der Edda, wie es von Brynhild
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[175/0188] Geheilt weiter gewandert. Ueber wüſte Hochebenen, todeseinſam. Oft hungernd fortgeſchleppt, bis ein ärm¬ licher Säter mich aufnahm. Ein Schneehuhn flattert auf, ein Fuchs ſchleicht, keine Menſchenſeele. An Berg¬ ſeen ſchwerträumend. Hinab? Unter? Nein, weiter! Ich ſehe Geſtalten im Geiſt über dieſe Wüſten ſchreiten, kriegeriſche, abgemagert, zerlumpt, ungebeugt, ein jugend¬ lich Haupt ihr Führer. König Sverrir, der du mit deinen kühnen Banden einſt hier ringend mit Kälte, Schnee, Hunger umhergeirrt, Kriegern in Birkenrinde gekleidet, oft der Verzweiflung nahe, ſich fragend, ob ſie ſich nicht lieber hoch von den Klippen ſtürzen oder gegenſeitig tödten ſollten, — haſt ausgehalten mit deiner Schaar, ein halb Jahrhundert gekämpft gegen Prieſter¬ herrſchaft, drunten im Sognefjord in blutiger See¬ ſchlacht geſiegt, — o, ſo etwas! wer mir das brächte! — Aber will aushalten! Will mich nicht ſchämen vor euch Heldengeiſtern. Bin Mann. Hinüber in's Jötunfjeld, von den alten Rieſen gethürmt gegen die Aſen, Gipfel an Gipfel, Zacken an Zacken, ewiges Eis, wüthende Waſſerſtürze, Hochthal dazwiſchen ſchauerlich ſchön —, geiſterhafte Seen —, ich ſchaue empor an den unerbittlichen Kryſtallen — fällt mir ein aus der Edda, wie es von Brynhild heißt:

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/188>, abgerufen am 25.11.2024.