hoffte eine Kraftkur für die arme Seele. Im ewigen Schnee, am Eis der Gletscher: Kühlung, Kühlung! Will es ohne Schuß wagen mit aufgepflanztem Hau¬ bajonet. Bär steht, Stoß fehlt. Die Rothjacke hat mich mit wohlgezieltem Schusse gerettet. Unkraut ver¬ dirbt nicht. Aber Tatzenhieb über die Schulter. Gut, daß der Doktor die Jagd mitmachte, der Schwede Erik hat mich in den Gard bringen lassen, verbunden. Wund¬ fieber. Wilde Phantasieen: Goldrun, goldglänzende Bärin, haut mich über die Brust, schleppt mich hinter den Obsthusfoß, umarmt mich dort als Meerfräulein, verwandelt sich plötzlich in den Wolf Fenrir. -- Am andern Tage wieder hell, doch schwach. Der Doktor gar guter, gesund nüchterner junger Mann. Sitzt an meinem Lager, der Ton seiner Stimme, der Blick seiner Augen so ehrlich und beruhigend; erzählt: hat sich als Arzt in Bergen niedergelassen, holt bald seine Braut von Schottland herüber. Wird nicht müde, sie zu rühmen, wie reiches Seelenleben und dabei so sanft, gut, brav; Vater ein Schotte, Mutter aus Perugia; heißt Cordelia, "und," sagt er, "ist auch Cordelia." Malt sich rührend sein nahes Glück aus, -- wie die Zimmer einrichten -- Alles. Mir tönt das wie ferne Glocken, wie alte Sage von der in's Meer ver¬ sunkenen Stadt. Einfaches Menschenglück! -- Für mich nie!
hoffte eine Kraftkur für die arme Seele. Im ewigen Schnee, am Eis der Gletſcher: Kühlung, Kühlung! Will es ohne Schuß wagen mit aufgepflanztem Hau¬ bajonet. Bär ſteht, Stoß fehlt. Die Rothjacke hat mich mit wohlgezieltem Schuſſe gerettet. Unkraut ver¬ dirbt nicht. Aber Tatzenhieb über die Schulter. Gut, daß der Doktor die Jagd mitmachte, der Schwede Erik hat mich in den Gard bringen laſſen, verbunden. Wund¬ fieber. Wilde Phantaſieen: Goldrun, goldglänzende Bärin, haut mich über die Bruſt, ſchleppt mich hinter den Obsthusfoß, umarmt mich dort als Meerfräulein, verwandelt ſich plötzlich in den Wolf Fenrir. — Am andern Tage wieder hell, doch ſchwach. Der Doktor gar guter, geſund nüchterner junger Mann. Sitzt an meinem Lager, der Ton ſeiner Stimme, der Blick ſeiner Augen ſo ehrlich und beruhigend; erzählt: hat ſich als Arzt in Bergen niedergelaſſen, holt bald ſeine Braut von Schottland herüber. Wird nicht müde, ſie zu rühmen, wie reiches Seelenleben und dabei ſo ſanft, gut, brav; Vater ein Schotte, Mutter aus Perugia; heißt Cordelia, „und,“ ſagt er, „iſt auch Cordelia.“ Malt ſich rührend ſein nahes Glück aus, — wie die Zimmer einrichten — Alles. Mir tönt das wie ferne Glocken, wie alte Sage von der in's Meer ver¬ ſunkenen Stadt. Einfaches Menſchenglück! — Für mich nie!
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hoffte eine Kraftkur für die arme Seele. Im ewigen
Schnee, am Eis der Gletſcher: Kühlung, Kühlung!
Will es ohne Schuß wagen mit aufgepflanztem Hau¬
bajonet. Bär ſteht, Stoß fehlt. Die Rothjacke hat
mich mit wohlgezieltem Schuſſe gerettet. Unkraut ver¬
dirbt nicht. Aber Tatzenhieb über die Schulter. Gut,
daß der Doktor die Jagd mitmachte, der Schwede Erik
hat mich in den Gard bringen laſſen, verbunden. Wund¬
fieber. Wilde Phantaſieen: Goldrun, goldglänzende
Bärin, haut mich über die Bruſt, ſchleppt mich hinter
den Obsthusfoß, umarmt mich dort als Meerfräulein,
verwandelt ſich plötzlich in den Wolf Fenrir. — Am
andern Tage wieder hell, doch ſchwach. Der Doktor
gar guter, geſund nüchterner junger Mann. Sitzt an
meinem Lager, der Ton ſeiner Stimme, der Blick ſeiner
Augen ſo ehrlich und beruhigend; erzählt: hat ſich als
Arzt in Bergen niedergelaſſen, holt bald ſeine Braut
von Schottland herüber. Wird nicht müde, ſie zu
rühmen, wie reiches Seelenleben und dabei ſo ſanft,
gut, brav; Vater ein Schotte, Mutter aus Perugia;
heißt Cordelia, „und,“ ſagt er, „iſt auch Cordelia.“
Malt ſich rührend ſein nahes Glück aus, — wie die
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/187>, abgerufen am 25.11.2024.
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