Völker: Schattenleben im Scheol, im Hades; -- todt und im Tod so viel lebend, um zu wissen, wie un¬ angenehm der Tod sei. -- Was ist nun das Uebel? Es braucht Denken, viel Denken, diese Phantasie fern zu halten, als stäcken wir lebend im Tod, und zu begreifen, daß man an den Tod schlechthin nicht denken soll. So kommt es, daß man vor lauter Denken, warum man an den Tod nicht denken soll, zu viel an den Tod denkt.
Das hat nun Goldrun begriffen und mir die Hand gedrückt und mich hat es hoch gefreut, daß sie es begriff. Denn Jugend will ja sonst nichts vom Tode wissen. Vom Alter ja auch nichts. Ich erinnre mich, wie wir als junge Kerle von ungefähr fünfund¬ zwanzig Jahren einen Kameraden auslachten, der dreißig geworden. Dummheit, denkt man, so etwas passirt mir nicht! Man will natürlich fortleben, aber daß man dabei älter wird, das schiebt man einfach aus dem Kopfe weg. Und sterben? Seien wir nur redlich gegen uns: wir sind in Wahrheit Aristokraten des Lebens und sehen spöttisch mitleidig auf den, dem das Sterben passirt, eben doch herab wie auf eine Art von Lump.
Nun hat mich also der Handdruck gar sehr gefreut und ich habe wieder gedrückt und wir haben uns ge¬ küßt und nun ist's wieder im Zug.
Völker: Schattenleben im Scheol, im Hades; — todt und im Tod ſo viel lebend, um zu wiſſen, wie un¬ angenehm der Tod ſei. — Was iſt nun das Uebel? Es braucht Denken, viel Denken, dieſe Phantaſie fern zu halten, als ſtäcken wir lebend im Tod, und zu begreifen, daß man an den Tod ſchlechthin nicht denken ſoll. So kommt es, daß man vor lauter Denken, warum man an den Tod nicht denken ſoll, zu viel an den Tod denkt.
Das hat nun Goldrun begriffen und mir die Hand gedrückt und mich hat es hoch gefreut, daß ſie es begriff. Denn Jugend will ja ſonſt nichts vom Tode wiſſen. Vom Alter ja auch nichts. Ich erinnre mich, wie wir als junge Kerle von ungefähr fünfund¬ zwanzig Jahren einen Kameraden auslachten, der dreißig geworden. Dummheit, denkt man, ſo etwas paſſirt mir nicht! Man will natürlich fortleben, aber daß man dabei älter wird, das ſchiebt man einfach aus dem Kopfe weg. Und ſterben? Seien wir nur redlich gegen uns: wir ſind in Wahrheit Ariſtokraten des Lebens und ſehen ſpöttiſch mitleidig auf den, dem das Sterben paſſirt, eben doch herab wie auf eine Art von Lump.
Nun hat mich alſo der Handdruck gar ſehr gefreut und ich habe wieder gedrückt und wir haben uns ge¬ küßt und nun iſt's wieder im Zug.
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Völker: Schattenleben im Scheol, im Hades; — todt
und im Tod ſo viel lebend, um zu wiſſen, wie un¬
angenehm der Tod ſei. — Was iſt nun das Uebel?
Es braucht Denken, viel Denken, dieſe Phantaſie fern
zu halten, als ſtäcken wir lebend im Tod, und zu
begreifen, daß man an den Tod ſchlechthin nicht denken
ſoll. So kommt es, daß man vor lauter Denken,
warum man an den Tod nicht denken ſoll, zu viel
an den Tod denkt.
Das hat nun Goldrun begriffen und mir die
Hand gedrückt und mich hat es hoch gefreut, daß ſie
es begriff. Denn Jugend will ja ſonſt nichts vom
Tode wiſſen. Vom Alter ja auch nichts. Ich erinnre
mich, wie wir als junge Kerle von ungefähr fünfund¬
zwanzig Jahren einen Kameraden auslachten, der
dreißig geworden. Dummheit, denkt man, ſo etwas
paſſirt mir nicht! Man will natürlich fortleben, aber
daß man dabei älter wird, das ſchiebt man einfach
aus dem Kopfe weg. Und ſterben? Seien wir nur
redlich gegen uns: wir ſind in Wahrheit Ariſtokraten
des Lebens und ſehen ſpöttiſch mitleidig auf den, dem
das Sterben paſſirt, eben doch herab wie auf eine
Art von Lump.
Nun hat mich alſo der Handdruck gar ſehr gefreut
und ich habe wieder gedrückt und wir haben uns ge¬
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/176>, abgerufen am 28.11.2024.
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