Auge, erglänzend im Wiederschein ungewissen Licht¬ schimmers, der durch die Wolken brach, ruhte zuerst auf dem einen, dann dem andern der zwei Be¬ gleiter -- mit einem Ausdruck -- o, träfe auch mich ein solcher Blick! Aber mich übergieng sie, ruderte wieder einige Schritte und fuhr dann fort im Ge¬ sange:
"Und heller und heller das Meerweib singt Und süßer und süßer die Stimme klingt. Merk' auf, Herr Olaf!
,Laß fahren die Welt, laß fahren den Schwarm, Laß dich küssen und wiegen in meinem Arm!' Merk' auf, Herr Olaf!
Was sieht er im Strudel? Ein Augenpaar, Eine schneeweiße Brust, blond Lockenhaar. Merk' auf, Herr Olaf!
Und er spornt seinen Rappen, der wirft ihn ab Und er sinkt hinunter in's feuchte Grab. Merk' auf, Herr Olaf!"
In diesem Augenblick fuhr ein Fisch von seltener Größe, wohl acht Schuh lang, aus dem Wasser her¬ vor, glotzte sie einen Moment lang an und tauchte wieder unter, sie schlug ihm mit dem Ruder nach und rief: "Das ist ein Wels! Hat dich die Gewitterschwüle heraufgelockt, alter Seeräuber?"
"Auch ein Verehrer," sagte Dyring.
Auge, erglänzend im Wiederſchein ungewiſſen Licht¬ ſchimmers, der durch die Wolken brach, ruhte zuerſt auf dem einen, dann dem andern der zwei Be¬ gleiter — mit einem Ausdruck — o, träfe auch mich ein ſolcher Blick! Aber mich übergieng ſie, ruderte wieder einige Schritte und fuhr dann fort im Ge¬ ſange:
„Und heller und heller das Meerweib ſingt Und ſüßer und ſüßer die Stimme klingt. Merk' auf, Herr Olaf!
‚Laß fahren die Welt, laß fahren den Schwarm, Laß dich küſſen und wiegen in meinem Arm!' Merk' auf, Herr Olaf!
Was ſieht er im Strudel? Ein Augenpaar, Eine ſchneeweiße Bruſt, blond Lockenhaar. Merk' auf, Herr Olaf!
Und er ſpornt ſeinen Rappen, der wirft ihn ab Und er ſinkt hinunter in's feuchte Grab. Merk' auf, Herr Olaf!“
In dieſem Augenblick fuhr ein Fiſch von ſeltener Größe, wohl acht Schuh lang, aus dem Waſſer her¬ vor, glotzte ſie einen Moment lang an und tauchte wieder unter, ſie ſchlug ihm mit dem Ruder nach und rief: „Das iſt ein Wels! Hat dich die Gewitterſchwüle heraufgelockt, alter Seeräuber?“
„Auch ein Verehrer,“ ſagte Dyring.
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0159"n="146"/>
Auge, erglänzend im Wiederſchein ungewiſſen Licht¬<lb/>ſchimmers, der durch die Wolken brach, ruhte zuerſt<lb/>
auf dem einen, dann dem andern der zwei Be¬<lb/>
gleiter — mit einem Ausdruck — o, träfe auch mich<lb/>
ein ſolcher Blick! Aber mich übergieng ſie, ruderte<lb/>
wieder einige Schritte und fuhr dann fort im Ge¬<lb/>ſange:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>„Und heller und heller das Meerweib ſingt</l><lb/><l>Und ſüßer und ſüßer die Stimme klingt.</l><lb/><l>Merk' auf, Herr Olaf!</l><lb/></lg><lgn="2"><l>‚Laß fahren die Welt, laß fahren den Schwarm,</l><lb/><l>Laß dich küſſen und wiegen in meinem Arm!'</l><lb/><l>Merk' auf, Herr Olaf!</l><lb/></lg><lgn="3"><l>Was ſieht er im Strudel? Ein Augenpaar,</l><lb/><l>Eine ſchneeweiße Bruſt, blond Lockenhaar.</l><lb/><l>Merk' auf, Herr Olaf!</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Und er ſpornt ſeinen Rappen, der wirft ihn ab</l><lb/><l>Und er ſinkt hinunter in's feuchte Grab.</l><lb/><l>Merk' auf, Herr Olaf!“</l><lb/></lg></lg><p>In dieſem Augenblick fuhr ein Fiſch von ſeltener<lb/>
Größe, wohl acht Schuh lang, aus dem Waſſer her¬<lb/>
vor, glotzte ſie einen Moment lang an und tauchte<lb/>
wieder unter, ſie ſchlug ihm mit dem Ruder nach und<lb/>
rief: „Das iſt ein Wels! Hat dich die Gewitterſchwüle<lb/>
heraufgelockt, alter Seeräuber?“</p><lb/><p>„Auch ein Verehrer,“ſagte Dyring.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[146/0159]
Auge, erglänzend im Wiederſchein ungewiſſen Licht¬
ſchimmers, der durch die Wolken brach, ruhte zuerſt
auf dem einen, dann dem andern der zwei Be¬
gleiter — mit einem Ausdruck — o, träfe auch mich
ein ſolcher Blick! Aber mich übergieng ſie, ruderte
wieder einige Schritte und fuhr dann fort im Ge¬
ſange:
„Und heller und heller das Meerweib ſingt
Und ſüßer und ſüßer die Stimme klingt.
Merk' auf, Herr Olaf!
‚Laß fahren die Welt, laß fahren den Schwarm,
Laß dich küſſen und wiegen in meinem Arm!'
Merk' auf, Herr Olaf!
Was ſieht er im Strudel? Ein Augenpaar,
Eine ſchneeweiße Bruſt, blond Lockenhaar.
Merk' auf, Herr Olaf!
Und er ſpornt ſeinen Rappen, der wirft ihn ab
Und er ſinkt hinunter in's feuchte Grab.
Merk' auf, Herr Olaf!“
In dieſem Augenblick fuhr ein Fiſch von ſeltener
Größe, wohl acht Schuh lang, aus dem Waſſer her¬
vor, glotzte ſie einen Moment lang an und tauchte
wieder unter, ſie ſchlug ihm mit dem Ruder nach und
rief: „Das iſt ein Wels! Hat dich die Gewitterſchwüle
heraufgelockt, alter Seeräuber?“
„Auch ein Verehrer,“ ſagte Dyring.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/159>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.