stündlich erwägen, daß er nicht ewig dauern kann, sollst also an dem Tisch kein Genüge mehr haben, sollst ferner von ihm Anlaß nehmen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend dich zu entsinnen, daß überhaupt Alles im Sein auch nicht ist, nein! sollst vom Sein absehend in das Nichts hineinstieren und so denn tagtäglich schon beim Frühstück dich ver¬ bittern!" -- Den Kerl soll doch der Teufel holen!
Es ist derselbe Prometheus, der den Menschen das Feuer, die Technik, das Selbstbewußtsein, das Denken, die Vernunft, und der ihnen die Illusion gebracht hat: er gab ihnen die Freude am Augen¬ blick und das Glück der blinden Hoffnung -- der¬ selbe. So nimmt es wenigstens Aeschylos. Also Prometheus, der Vordenkende! Er, der uns das Vordenken gebracht, er hat es auch durch die Phantasie begrenzt, begrenzt aus Vordenken darüber, was sonst folgen würde. Die Illusion ist also ein philosophi¬ sches Gut.
Man wird sehen, es taucht gewiß noch Einer auf, der aus Schopenhauer's blindem Urwillen und der Vorstellung, indem er sie kopulirt, vollends eine ganze niedliche Mythologie herausspinnt! Und ich
ſtündlich erwägen, daß er nicht ewig dauern kann, ſollſt alſo an dem Tiſch kein Genüge mehr haben, ſollſt ferner von ihm Anlaß nehmen, vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend dich zu entſinnen, daß überhaupt Alles im Sein auch nicht iſt, nein! ſollſt vom Sein abſehend in das Nichts hineinſtieren und ſo denn tagtäglich ſchon beim Frühſtück dich ver¬ bittern!“ — Den Kerl ſoll doch der Teufel holen!
Es iſt derſelbe Prometheus, der den Menſchen das Feuer, die Technik, das Selbſtbewußtſein, das Denken, die Vernunft, und der ihnen die Illuſion gebracht hat: er gab ihnen die Freude am Augen¬ blick und das Glück der blinden Hoffnung — der¬ ſelbe. So nimmt es wenigſtens Aeſchylos. Alſo Prometheus, der Vordenkende! Er, der uns das Vordenken gebracht, er hat es auch durch die Phantaſie begrenzt, begrenzt aus Vordenken darüber, was ſonſt folgen würde. Die Illuſion iſt alſo ein philoſophi¬ ſches Gut.
Man wird ſehen, es taucht gewiß noch Einer auf, der aus Schopenhauer's blindem Urwillen und der Vorſtellung, indem er ſie kopulirt, vollends eine ganze niedliche Mythologie herausſpinnt! Und ich
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0131"n="118"/>ſtündlich erwägen, daß er nicht ewig dauern kann,<lb/>ſollſt alſo an dem Tiſch kein Genüge mehr haben,<lb/>ſollſt ferner von ihm Anlaß nehmen, vom frühen<lb/>
Morgen bis zum ſpäten Abend dich zu entſinnen,<lb/>
daß überhaupt Alles im Sein auch nicht iſt, nein!<lb/>ſollſt vom Sein abſehend in das Nichts hineinſtieren<lb/>
und ſo denn tagtäglich ſchon beim Frühſtück dich ver¬<lb/>
bittern!“— Den Kerl ſoll doch der Teufel holen!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es iſt <hirendition="#g">derſelbe</hi> Prometheus, der den Menſchen<lb/>
das Feuer, die Technik, das Selbſtbewußtſein, das<lb/>
Denken, die Vernunft, und der ihnen die <hirendition="#g">Illuſion</hi><lb/>
gebracht hat: er gab ihnen die Freude am Augen¬<lb/>
blick und das Glück der blinden Hoffnung —<hirendition="#g">der¬<lb/>ſelbe</hi>. So nimmt es wenigſtens Aeſchylos. Alſo<lb/>
Prometheus, <hirendition="#g">der Vordenkende</hi>! Er, der uns das<lb/>
Vordenken gebracht, er hat es auch durch die Phantaſie<lb/>
begrenzt, begrenzt <hirendition="#g">aus</hi> Vordenken darüber, was ſonſt<lb/>
folgen würde. Die Illuſion iſt alſo ein philoſophi¬<lb/>ſches Gut.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Man wird ſehen, es taucht gewiß noch Einer auf,<lb/>
der aus Schopenhauer's blindem Urwillen und der<lb/>
Vorſtellung, indem er ſie kopulirt, vollends eine<lb/>
ganze niedliche Mythologie herausſpinnt! Und ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[118/0131]
ſtündlich erwägen, daß er nicht ewig dauern kann,
ſollſt alſo an dem Tiſch kein Genüge mehr haben,
ſollſt ferner von ihm Anlaß nehmen, vom frühen
Morgen bis zum ſpäten Abend dich zu entſinnen,
daß überhaupt Alles im Sein auch nicht iſt, nein!
ſollſt vom Sein abſehend in das Nichts hineinſtieren
und ſo denn tagtäglich ſchon beim Frühſtück dich ver¬
bittern!“ — Den Kerl ſoll doch der Teufel holen!
Es iſt derſelbe Prometheus, der den Menſchen
das Feuer, die Technik, das Selbſtbewußtſein, das
Denken, die Vernunft, und der ihnen die Illuſion
gebracht hat: er gab ihnen die Freude am Augen¬
blick und das Glück der blinden Hoffnung — der¬
ſelbe. So nimmt es wenigſtens Aeſchylos. Alſo
Prometheus, der Vordenkende! Er, der uns das
Vordenken gebracht, er hat es auch durch die Phantaſie
begrenzt, begrenzt aus Vordenken darüber, was ſonſt
folgen würde. Die Illuſion iſt alſo ein philoſophi¬
ſches Gut.
Man wird ſehen, es taucht gewiß noch Einer auf,
der aus Schopenhauer's blindem Urwillen und der
Vorſtellung, indem er ſie kopulirt, vollends eine
ganze niedliche Mythologie herausſpinnt! Und ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/131>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.