Platz blieb, und zwar neben dem älteren Herrn und den zwei Knaben, dem Meidenden und Gemiedenen schief gegenüber. Er grüßte nicht unfreundlich, doch formell. Er war im Gespräche mit der Mißeß begriffen. Sie sprachen italienisch, wohl in der Voraussetzung, daß Wenige der Tischgäste dieser Sprache kundig seien. Ohne zu horchen konnte ich wohl vernehmen, daß einige Fragen A. E.'s sich auf einen Todesfall beziehen mußten, dessen Einzelheiten ihm wohl unterwegs schon erzählt worden waren. Ich hörte den Namen Erik. Aus Ton und Mienen der Dame ließ sich erkennen, daß das Gespräch sich auf den verlorenen Gatten be¬ ziehen mußte; es war der Ausdruck gehaltenen Schmerzes einer Seele, die mit der Kraft der Sanftmuth schweres Leiden beherrscht. Tief bewegt hörte A. E. ihr zu, man sah, daß er diesen Kummer im tiefsten Gemüthe theilte und ebensosehr die Schönheit des Schmerzes in dieser anmuthvollen Erscheinung bewunderte. Mit Blicken wie Blicke der Andacht schaute er zu ihr auf und wirklich mußte ich mir nun sagen, daß mir nicht umsonst Cordelia in den Sinn gekommen war, denn niemals wird Wehmuth und ein gewisses Lächeln, wie es auf den Lippen, in den Wangengrübchen wohl¬ wollender Seelen zum bleibenden Zuge wird, sich schöner auf einem Angesicht verschwistern. Nicht minder herzgewinnend war die sanfte Stimme und der Klang des Italienischen in diesem Munde. Sie sprach es
Platz blieb, und zwar neben dem älteren Herrn und den zwei Knaben, dem Meidenden und Gemiedenen ſchief gegenüber. Er grüßte nicht unfreundlich, doch formell. Er war im Geſpräche mit der Mißeß begriffen. Sie ſprachen italieniſch, wohl in der Vorausſetzung, daß Wenige der Tiſchgäſte dieſer Sprache kundig ſeien. Ohne zu horchen konnte ich wohl vernehmen, daß einige Fragen A. E.'s ſich auf einen Todesfall beziehen mußten, deſſen Einzelheiten ihm wohl unterwegs ſchon erzählt worden waren. Ich hörte den Namen Erik. Aus Ton und Mienen der Dame ließ ſich erkennen, daß das Geſpräch ſich auf den verlorenen Gatten be¬ ziehen mußte; es war der Ausdruck gehaltenen Schmerzes einer Seele, die mit der Kraft der Sanftmuth ſchweres Leiden beherrſcht. Tief bewegt hörte A. E. ihr zu, man ſah, daß er dieſen Kummer im tiefſten Gemüthe theilte und ebenſoſehr die Schönheit des Schmerzes in dieſer anmuthvollen Erſcheinung bewunderte. Mit Blicken wie Blicke der Andacht ſchaute er zu ihr auf und wirklich mußte ich mir nun ſagen, daß mir nicht umſonſt Cordelia in den Sinn gekommen war, denn niemals wird Wehmuth und ein gewiſſes Lächeln, wie es auf den Lippen, in den Wangengrübchen wohl¬ wollender Seelen zum bleibenden Zuge wird, ſich ſchöner auf einem Angeſicht verſchwiſtern. Nicht minder herzgewinnend war die ſanfte Stimme und der Klang des Italieniſchen in dieſem Munde. Sie ſprach es
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[60/0073]
Platz blieb, und zwar neben dem älteren Herrn und den
zwei Knaben, dem Meidenden und Gemiedenen ſchief
gegenüber. Er grüßte nicht unfreundlich, doch formell.
Er war im Geſpräche mit der Mißeß begriffen. Sie
ſprachen italieniſch, wohl in der Vorausſetzung, daß
Wenige der Tiſchgäſte dieſer Sprache kundig ſeien.
Ohne zu horchen konnte ich wohl vernehmen, daß
einige Fragen A. E.'s ſich auf einen Todesfall beziehen
mußten, deſſen Einzelheiten ihm wohl unterwegs ſchon
erzählt worden waren. Ich hörte den Namen Erik.
Aus Ton und Mienen der Dame ließ ſich erkennen,
daß das Geſpräch ſich auf den verlorenen Gatten be¬
ziehen mußte; es war der Ausdruck gehaltenen Schmerzes
einer Seele, die mit der Kraft der Sanftmuth ſchweres
Leiden beherrſcht. Tief bewegt hörte A. E. ihr zu,
man ſah, daß er dieſen Kummer im tiefſten Gemüthe
theilte und ebenſoſehr die Schönheit des Schmerzes
in dieſer anmuthvollen Erſcheinung bewunderte. Mit
Blicken wie Blicke der Andacht ſchaute er zu ihr auf
und wirklich mußte ich mir nun ſagen, daß mir nicht
umſonſt Cordelia in den Sinn gekommen war, denn
niemals wird Wehmuth und ein gewiſſes Lächeln, wie
es auf den Lippen, in den Wangengrübchen wohl¬
wollender Seelen zum bleibenden Zuge wird, ſich
ſchöner auf einem Angeſicht verſchwiſtern. Nicht minder
herzgewinnend war die ſanfte Stimme und der Klang
des Italieniſchen in dieſem Munde. Sie ſprach es
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/73>, abgerufen am 04.12.2024.
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