hat er gespuckt! O, wir sind geboren, zu suchen, Knoten aufzudröseln, die Welt mit Hühneraugen anzu¬ sehen, und ach! zu niesen, zu husten und zu spucken! Der Mensch mit seines Hauptes gewölbter Welt, mit dem strahlenden Auge, dem Geist, der in die Tiefen und Weiten blitzt, mit dem Fühlen, das mit Silber¬ schwingen zum Himmel aufsteigt, mit der Phantasie, die ihres Feuers goldene Ströme ausgießt über Berg und Thal und sterblich Menschenbild zum Gott ver¬ klärt, mit dem Willen, dem blanken Schwert in der Hand, zu schlichten, zu richten, zu bezwingen, mit der frommen Geduld, zu pflanzen, zu pflegen, zu wachen, daß der Baum des Lebens wachse, gedeihe und Himmels¬ frucht jeder sanften Bildung trage, der Mensch mit der Engelsgestalt des ewig Schönen im ahnenden, sehnenden Busen -- ja, dieser Mensch verwandelt in einen schleimigen Mollusken, zur klebrigen Auster er¬ niedrigt, ein Magazin, ein Schandschlauch für vergäh¬ renden Drüsensaft, eine Schnäuzmaschine, im Hals ein zackig Kratzeisen, ein Nest von Teufeln, die mit feinen Nadeln nächtelang am Kehlkopf kitzeln, die Augen trübe, das Hirn dumpf, stumpf, verstört, der Nerv giftig gereizt und dabei erst nicht als Kranker geltend, noch geschont -- und da soll es einen Gott --!"
Hier gerieth mein Gottesleugner in ein Niesen und Husten so theilnahmwerther Art, daß ich eine Bemerkung, die mir auf der Zunge lag: der Ka¬
hat er geſpuckt! O, wir ſind geboren, zu ſuchen, Knoten aufzudröſeln, die Welt mit Hühneraugen anzu¬ ſehen, und ach! zu nieſen, zu huſten und zu ſpucken! Der Menſch mit ſeines Hauptes gewölbter Welt, mit dem ſtrahlenden Auge, dem Geiſt, der in die Tiefen und Weiten blitzt, mit dem Fühlen, das mit Silber¬ ſchwingen zum Himmel aufſteigt, mit der Phantaſie, die ihres Feuers goldene Ströme ausgießt über Berg und Thal und ſterblich Menſchenbild zum Gott ver¬ klärt, mit dem Willen, dem blanken Schwert in der Hand, zu ſchlichten, zu richten, zu bezwingen, mit der frommen Geduld, zu pflanzen, zu pflegen, zu wachen, daß der Baum des Lebens wachſe, gedeihe und Himmels¬ frucht jeder ſanften Bildung trage, der Menſch mit der Engelsgeſtalt des ewig Schönen im ahnenden, ſehnenden Buſen — ja, dieſer Menſch verwandelt in einen ſchleimigen Mollusken, zur klebrigen Auſter er¬ niedrigt, ein Magazin, ein Schandſchlauch für vergäh¬ renden Drüſenſaft, eine Schnäuzmaſchine, im Hals ein zackig Kratzeiſen, ein Neſt von Teufeln, die mit feinen Nadeln nächtelang am Kehlkopf kitzeln, die Augen trübe, das Hirn dumpf, ſtumpf, verſtört, der Nerv giftig gereizt und dabei erſt nicht als Kranker geltend, noch geſchont — und da ſoll es einen Gott —!“
Hier gerieth mein Gottesleugner in ein Nieſen und Huſten ſo theilnahmwerther Art, daß ich eine Bemerkung, die mir auf der Zunge lag: der Ka¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0039"n="26"/>
hat er geſpuckt! O, wir ſind geboren, zu ſuchen,<lb/>
Knoten aufzudröſeln, die Welt mit Hühneraugen anzu¬<lb/>ſehen, und ach! zu nieſen, zu huſten und zu ſpucken!<lb/>
Der Menſch mit ſeines Hauptes gewölbter Welt, mit<lb/>
dem ſtrahlenden Auge, dem Geiſt, der in die Tiefen<lb/>
und Weiten blitzt, mit dem Fühlen, das mit Silber¬<lb/>ſchwingen zum Himmel aufſteigt, mit der Phantaſie,<lb/>
die ihres Feuers goldene Ströme ausgießt über Berg<lb/>
und Thal und ſterblich Menſchenbild zum Gott ver¬<lb/>
klärt, mit dem Willen, dem blanken Schwert in der<lb/>
Hand, zu ſchlichten, zu richten, zu bezwingen, mit der<lb/>
frommen Geduld, zu pflanzen, zu pflegen, zu wachen,<lb/>
daß der Baum des Lebens wachſe, gedeihe und Himmels¬<lb/>
frucht jeder ſanften Bildung trage, der Menſch mit<lb/>
der Engelsgeſtalt des ewig Schönen im ahnenden,<lb/>ſehnenden Buſen — ja, dieſer Menſch verwandelt in<lb/>
einen ſchleimigen Mollusken, zur klebrigen Auſter er¬<lb/>
niedrigt, ein Magazin, ein Schandſchlauch für vergäh¬<lb/>
renden Drüſenſaft, eine Schnäuzmaſchine, im Hals ein<lb/>
zackig Kratzeiſen, ein Neſt von Teufeln, die mit feinen<lb/>
Nadeln nächtelang am Kehlkopf kitzeln, die Augen<lb/>
trübe, das Hirn dumpf, ſtumpf, verſtört, der Nerv<lb/>
giftig gereizt und dabei erſt nicht als Kranker geltend,<lb/>
noch geſchont — und da ſoll es einen Gott —!“</p><lb/><p>Hier gerieth mein Gottesleugner in ein Nieſen<lb/>
und Huſten ſo theilnahmwerther Art, daß ich eine<lb/>
Bemerkung, die mir auf der Zunge lag: der Ka¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0039]
hat er geſpuckt! O, wir ſind geboren, zu ſuchen,
Knoten aufzudröſeln, die Welt mit Hühneraugen anzu¬
ſehen, und ach! zu nieſen, zu huſten und zu ſpucken!
Der Menſch mit ſeines Hauptes gewölbter Welt, mit
dem ſtrahlenden Auge, dem Geiſt, der in die Tiefen
und Weiten blitzt, mit dem Fühlen, das mit Silber¬
ſchwingen zum Himmel aufſteigt, mit der Phantaſie,
die ihres Feuers goldene Ströme ausgießt über Berg
und Thal und ſterblich Menſchenbild zum Gott ver¬
klärt, mit dem Willen, dem blanken Schwert in der
Hand, zu ſchlichten, zu richten, zu bezwingen, mit der
frommen Geduld, zu pflanzen, zu pflegen, zu wachen,
daß der Baum des Lebens wachſe, gedeihe und Himmels¬
frucht jeder ſanften Bildung trage, der Menſch mit
der Engelsgeſtalt des ewig Schönen im ahnenden,
ſehnenden Buſen — ja, dieſer Menſch verwandelt in
einen ſchleimigen Mollusken, zur klebrigen Auſter er¬
niedrigt, ein Magazin, ein Schandſchlauch für vergäh¬
renden Drüſenſaft, eine Schnäuzmaſchine, im Hals ein
zackig Kratzeiſen, ein Neſt von Teufeln, die mit feinen
Nadeln nächtelang am Kehlkopf kitzeln, die Augen
trübe, das Hirn dumpf, ſtumpf, verſtört, der Nerv
giftig gereizt und dabei erſt nicht als Kranker geltend,
noch geſchont — und da ſoll es einen Gott —!“
Hier gerieth mein Gottesleugner in ein Nieſen
und Huſten ſo theilnahmwerther Art, daß ich eine
Bemerkung, die mir auf der Zunge lag: der Ka¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/39>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.