kung selbst, die nur um jeden Preis nach einem Inhalt abzulenken suchte.
Ich kam schlecht an. "So, mein Herr, symbolisch?" sagte er. "Und das soll dann tiefer sein! Ah, Oh!"
"Nun, was denn?"
"Sehen Sie, mein Herr, suchen im bildlichen Sinn, darüber, daß das Leben so ein Suchen ist, darüber klage ich nicht, darüber sollen Sie nicht seufzen. Das Moralische versteht sich immer von selbst. Ein rechter Kerl sucht, strebt und beschwert sich nicht darüber, son¬ dern ist glücklich in diesem Unglück der aufsteigenden und nie anlangenden Linie des Lebens. Das ist unser oberes Stockwerk. Aber die Zugabe, die Hundenoth gleichzeitig im untern Stockwerk des Lebens, -- davon ist die Rede. Da ist also zum Beispiel das Suchen, das so toll, so nervös, so wahnsinnig macht. Man verfällt ja dabei immer in den Theismus. Der liebe Gott, der oben herunterschaut, der die Haare auf un¬ serem Haupte zählt, der mich nun stundenlang meine Brille suchen sieht, -- er sieht ja auch die Brille, weiß recht gut, wo sie liegt, -- ist es zum Ertragen, nun denken zu müssen, wie er lachen muß? -- All¬ gütiges Wesen! Meinen Sie, ein solches würde ferner den Katarrh zulassen? Leben -- Suchen -- Spucken! Da sagen die thörichten Menschen von einem Ausge¬ dienten, von einem Erlösten, von dem sie meinen, er gehe als Geist um, er spucke! Dummes Zeug, aus
kung ſelbſt, die nur um jeden Preis nach einem Inhalt abzulenken ſuchte.
Ich kam ſchlecht an. „So, mein Herr, ſymboliſch?“ ſagte er. „Und das ſoll dann tiefer ſein! Ah, Oh!“
„Nun, was denn?“
„Sehen Sie, mein Herr, ſuchen im bildlichen Sinn, darüber, daß das Leben ſo ein Suchen iſt, darüber klage ich nicht, darüber ſollen Sie nicht ſeufzen. Das Moraliſche verſteht ſich immer von ſelbſt. Ein rechter Kerl ſucht, ſtrebt und beſchwert ſich nicht darüber, ſon¬ dern iſt glücklich in dieſem Unglück der aufſteigenden und nie anlangenden Linie des Lebens. Das iſt unſer oberes Stockwerk. Aber die Zugabe, die Hundenoth gleichzeitig im untern Stockwerk des Lebens, — davon iſt die Rede. Da iſt alſo zum Beiſpiel das Suchen, das ſo toll, ſo nervös, ſo wahnſinnig macht. Man verfällt ja dabei immer in den Theismus. Der liebe Gott, der oben herunterſchaut, der die Haare auf un¬ ſerem Haupte zählt, der mich nun ſtundenlang meine Brille ſuchen ſieht, — er ſieht ja auch die Brille, weiß recht gut, wo ſie liegt, — iſt es zum Ertragen, nun denken zu müſſen, wie er lachen muß? — All¬ gütiges Weſen! Meinen Sie, ein ſolches würde ferner den Katarrh zulaſſen? Leben — Suchen — Spucken! Da ſagen die thörichten Menſchen von einem Ausge¬ dienten, von einem Erlöſten, von dem ſie meinen, er gehe als Geiſt um, er ſpucke! Dummes Zeug, aus
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[25/0038]
kung ſelbſt, die nur um jeden Preis nach einem Inhalt
abzulenken ſuchte.
Ich kam ſchlecht an. „So, mein Herr, ſymboliſch?“
ſagte er. „Und das ſoll dann tiefer ſein! Ah, Oh!“
„Nun, was denn?“
„Sehen Sie, mein Herr, ſuchen im bildlichen Sinn,
darüber, daß das Leben ſo ein Suchen iſt, darüber
klage ich nicht, darüber ſollen Sie nicht ſeufzen. Das
Moraliſche verſteht ſich immer von ſelbſt. Ein rechter
Kerl ſucht, ſtrebt und beſchwert ſich nicht darüber, ſon¬
dern iſt glücklich in dieſem Unglück der aufſteigenden
und nie anlangenden Linie des Lebens. Das iſt unſer
oberes Stockwerk. Aber die Zugabe, die Hundenoth
gleichzeitig im untern Stockwerk des Lebens, — davon
iſt die Rede. Da iſt alſo zum Beiſpiel das Suchen,
das ſo toll, ſo nervös, ſo wahnſinnig macht. Man
verfällt ja dabei immer in den Theismus. Der liebe
Gott, der oben herunterſchaut, der die Haare auf un¬
ſerem Haupte zählt, der mich nun ſtundenlang meine
Brille ſuchen ſieht, — er ſieht ja auch die Brille,
weiß recht gut, wo ſie liegt, — iſt es zum Ertragen,
nun denken zu müſſen, wie er lachen muß? — All¬
gütiges Weſen! Meinen Sie, ein ſolches würde ferner
den Katarrh zulaſſen? Leben — Suchen — Spucken!
Da ſagen die thörichten Menſchen von einem Ausge¬
dienten, von einem Erlöſten, von dem ſie meinen, er
gehe als Geiſt um, er ſpucke! Dummes Zeug, aus
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/38>, abgerufen am 04.12.2024.
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