Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur bestimmten Zeit erschien pünktlich der Druide
mit den Gemeindeältesten und den Singknaben. Er
lud die Gemeinde feierlich ein, seinen Hymnus nun
vollstimmig als Tischgebet zu singen, -- nur das erste
der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen
die Vorsänger genügten. Die Musiker waren schlecht¬
weg zu sehr erschöpft, das zweite und dritte Glied
vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬
möglich, diese kunstreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde
zu singen. Alles Volk hatte sich die alte Weise schnell
wieder im Gedächtniß aufgefrischt und mit wenig An¬
stoß wurde das ebenso verständige als fromme Fest¬
lied abgesungen. Gern setzte man sich jetzt und hob
zum leckeren Mahle die Hände.

Wir überlassen nun die thatlustige Gesellschaft im
Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genusse dieser Herr¬
lichkeiten. Es ist lustig, im grünen Haine umstrahlt
von feenhaftem Lichte zu speisen, und unsere Pfahl¬
männer bedrängte es wenig, daß die drei langen
Tafeln eigentlich keine Tafeln, sondern aus querge¬
legten Prügeln nicht allzu eben hergestellte Flächen
waren; lagen doch Bastdecken darüber gebreitet, welche
das so ziemlich ausgliechen und den Schüsseln einige
Standfestigkeit gönnten. Nur die Männer sehen wir
vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hause bleiben;
ihnen wurden je nach einem Gang des Festschmauses
die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus sich

Zur beſtimmten Zeit erſchien pünktlich der Druide
mit den Gemeindeälteſten und den Singknaben. Er
lud die Gemeinde feierlich ein, ſeinen Hymnus nun
vollſtimmig als Tiſchgebet zu ſingen, — nur das erſte
der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen
die Vorſänger genügten. Die Muſiker waren ſchlecht¬
weg zu ſehr erſchöpft, das zweite und dritte Glied
vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬
möglich, dieſe kunſtreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde
zu ſingen. Alles Volk hatte ſich die alte Weiſe ſchnell
wieder im Gedächtniß aufgefriſcht und mit wenig An¬
ſtoß wurde das ebenſo verſtändige als fromme Feſt¬
lied abgeſungen. Gern ſetzte man ſich jetzt und hob
zum leckeren Mahle die Hände.

Wir überlaſſen nun die thatluſtige Geſellſchaft im
Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genuſſe dieſer Herr¬
lichkeiten. Es iſt luſtig, im grünen Haine umſtrahlt
von feenhaftem Lichte zu ſpeiſen, und unſere Pfahl¬
männer bedrängte es wenig, daß die drei langen
Tafeln eigentlich keine Tafeln, ſondern aus querge¬
legten Prügeln nicht allzu eben hergeſtellte Flächen
waren; lagen doch Baſtdecken darüber gebreitet, welche
das ſo ziemlich ausgliechen und den Schüſſeln einige
Standfeſtigkeit gönnten. Nur die Männer ſehen wir
vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hauſe bleiben;
ihnen wurden je nach einem Gang des Feſtſchmauſes
die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0381" n="366"/>
          <p>Zur be&#x017F;timmten Zeit er&#x017F;chien pünktlich der Druide<lb/>
mit den Gemeindeälte&#x017F;ten und den Singknaben. Er<lb/>
lud die Gemeinde feierlich ein, &#x017F;einen Hymnus nun<lb/>
voll&#x017F;timmig als Ti&#x017F;chgebet zu &#x017F;ingen, &#x2014; nur das er&#x017F;te<lb/>
der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen<lb/>
die Vor&#x017F;änger genügten. Die Mu&#x017F;iker waren &#x017F;chlecht¬<lb/>
weg zu &#x017F;ehr er&#x017F;chöpft, das zweite und dritte Glied<lb/>
vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬<lb/>
möglich, die&#x017F;e kun&#x017F;treichen Gefüge mit ganzer Gemeinde<lb/>
zu &#x017F;ingen. Alles Volk hatte &#x017F;ich die alte Wei&#x017F;e &#x017F;chnell<lb/>
wieder im Gedächtniß aufgefri&#x017F;cht und mit wenig An¬<lb/>
&#x017F;toß wurde das eben&#x017F;o ver&#x017F;tändige als fromme Fe&#x017F;<lb/>
lied abge&#x017F;ungen. Gern &#x017F;etzte man &#x017F;ich jetzt und hob<lb/>
zum leckeren Mahle die Hände.</p><lb/>
          <p>Wir überla&#x017F;&#x017F;en nun die thatlu&#x017F;tige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft im<lb/>
Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genu&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er Herr¬<lb/>
lichkeiten. Es i&#x017F;t lu&#x017F;tig, im grünen Haine um&#x017F;trahlt<lb/>
von feenhaftem Lichte zu &#x017F;pei&#x017F;en, und un&#x017F;ere Pfahl¬<lb/>
männer bedrängte es wenig, daß die drei langen<lb/>
Tafeln eigentlich keine Tafeln, &#x017F;ondern aus querge¬<lb/>
legten Prügeln nicht allzu eben herge&#x017F;tellte Flächen<lb/>
waren; lagen doch Ba&#x017F;tdecken darüber gebreitet, welche<lb/>
das &#x017F;o ziemlich ausgliechen und den Schü&#x017F;&#x017F;eln einige<lb/>
Standfe&#x017F;tigkeit gönnten. Nur die Männer &#x017F;ehen wir<lb/>
vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hau&#x017F;e bleiben;<lb/>
ihnen wurden je nach einem Gang des Fe&#x017F;t&#x017F;chmau&#x017F;es<lb/>
die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0381] Zur beſtimmten Zeit erſchien pünktlich der Druide mit den Gemeindeälteſten und den Singknaben. Er lud die Gemeinde feierlich ein, ſeinen Hymnus nun vollſtimmig als Tiſchgebet zu ſingen, — nur das erſte der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen die Vorſänger genügten. Die Muſiker waren ſchlecht¬ weg zu ſehr erſchöpft, das zweite und dritte Glied vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬ möglich, dieſe kunſtreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde zu ſingen. Alles Volk hatte ſich die alte Weiſe ſchnell wieder im Gedächtniß aufgefriſcht und mit wenig An¬ ſtoß wurde das ebenſo verſtändige als fromme Feſt¬ lied abgeſungen. Gern ſetzte man ſich jetzt und hob zum leckeren Mahle die Hände. Wir überlaſſen nun die thatluſtige Geſellſchaft im Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genuſſe dieſer Herr¬ lichkeiten. Es iſt luſtig, im grünen Haine umſtrahlt von feenhaftem Lichte zu ſpeiſen, und unſere Pfahl¬ männer bedrängte es wenig, daß die drei langen Tafeln eigentlich keine Tafeln, ſondern aus querge¬ legten Prügeln nicht allzu eben hergeſtellte Flächen waren; lagen doch Baſtdecken darüber gebreitet, welche das ſo ziemlich ausgliechen und den Schüſſeln einige Standfeſtigkeit gönnten. Nur die Männer ſehen wir vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hauſe bleiben; ihnen wurden je nach einem Gang des Feſtſchmauſes die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/381
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/381>, abgerufen am 05.12.2024.