unruhig, fahrig, immer eilig, immer gedrängt. Wie gemüthlich ist unser Abschiedsgruß, wenn Einer geht: Lassen's Zeit! Wie schrecklich ist das Pressiren, das Pressirtsein! So ein Mensch wird nichts mehr geruhig betrachten, bei nichts mehr mit stillem Sinnen ver¬ weilen! Sein Leben wird ein Jagen sein! Er wird raffen und raffen, um zu genießen! Was für Köche, was für Zuckerbäcker wird's dann geben! Und es wird den Menschen dann erst nichts recht schmecken, weil sie ja doch immer auf's Folgende spannen! Sie werden endlich nicht mehr raffen, um zu genießen, sondern um zu raffen! Es wird keine Gegenwart mehr für sie geben! Und wenn sie sich vormachen, sie haben eine Freud' am Mädel, so werden sie sich nur anlügen, denn auch da wird ihnen nichts genug sein! Und Schneider wird's geben! Denkt euch: die Kleider! Die Klunker! das Geflunker! O, die Kerle werden kleine Thürme auf den Kopf setzen, und wenn ihnen der runde Thurm nicht mehr gefällt, viereckige Schubladen! Die Weiber werden sich Haarhörner in die Höhe auf¬ stappeln, wie drüben der Tödi, der Titlis und der Glärnisch mit Breneli's Gärtli. Und werden noch ganze getrocknete Vögel drauf setzen und Fuchsschwänze, Schinken und Hasenschlegel! Röcke werden sie tragen, bald weit wie das runde Haus unserer vornehmen Herren, bald so eng, daß sie gehen wie in Knieschellen, und am Ende gar noch ein Gebausch und Gerausch
unruhig, fahrig, immer eilig, immer gedrängt. Wie gemüthlich iſt unſer Abſchiedsgruß, wenn Einer geht: Laſſen's Zeit! Wie ſchrecklich iſt das Preſſiren, das Preſſirtſein! So ein Menſch wird nichts mehr geruhig betrachten, bei nichts mehr mit ſtillem Sinnen ver¬ weilen! Sein Leben wird ein Jagen ſein! Er wird raffen und raffen, um zu genießen! Was für Köche, was für Zuckerbäcker wird's dann geben! Und es wird den Menſchen dann erſt nichts recht ſchmecken, weil ſie ja doch immer auf's Folgende ſpannen! Sie werden endlich nicht mehr raffen, um zu genießen, ſondern um zu raffen! Es wird keine Gegenwart mehr für ſie geben! Und wenn ſie ſich vormachen, ſie haben eine Freud' am Mädel, ſo werden ſie ſich nur anlügen, denn auch da wird ihnen nichts genug ſein! Und Schneider wird's geben! Denkt euch: die Kleider! Die Klunker! das Geflunker! O, die Kerle werden kleine Thürme auf den Kopf ſetzen, und wenn ihnen der runde Thurm nicht mehr gefällt, viereckige Schubladen! Die Weiber werden ſich Haarhörner in die Höhe auf¬ ſtappeln, wie drüben der Tödi, der Titlis und der Glärniſch mit Breneli's Gärtli. Und werden noch ganze getrocknete Vögel drauf ſetzen und Fuchsſchwänze, Schinken und Haſenſchlegel! Röcke werden ſie tragen, bald weit wie das runde Haus unſerer vornehmen Herren, bald ſo eng, daß ſie gehen wie in Knieſchellen, und am Ende gar noch ein Gebauſch und Gerauſch
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unruhig, fahrig, immer eilig, immer gedrängt. Wie
gemüthlich iſt unſer Abſchiedsgruß, wenn Einer geht:
Laſſen's Zeit! Wie ſchrecklich iſt das Preſſiren, das
Preſſirtſein! So ein Menſch wird nichts mehr geruhig
betrachten, bei nichts mehr mit ſtillem Sinnen ver¬
weilen! Sein Leben wird ein Jagen ſein! Er wird
raffen und raffen, um zu genießen! Was für Köche,
was für Zuckerbäcker wird's dann geben! Und es wird
den Menſchen dann erſt nichts recht ſchmecken, weil ſie
ja doch immer auf's Folgende ſpannen! Sie werden
endlich nicht mehr raffen, um zu genießen, ſondern
um zu raffen! Es wird keine Gegenwart mehr für
ſie geben! Und wenn ſie ſich vormachen, ſie haben
eine Freud' am Mädel, ſo werden ſie ſich nur anlügen,
denn auch da wird ihnen nichts genug ſein! Und
Schneider wird's geben! Denkt euch: die Kleider! Die
Klunker! das Geflunker! O, die Kerle werden kleine
Thürme auf den Kopf ſetzen, und wenn ihnen der
runde Thurm nicht mehr gefällt, viereckige Schubladen!
Die Weiber werden ſich Haarhörner in die Höhe auf¬
ſtappeln, wie drüben der Tödi, der Titlis und der
Glärniſch mit Breneli's Gärtli. Und werden noch
ganze getrocknete Vögel drauf ſetzen und Fuchsſchwänze,
Schinken und Haſenſchlegel! Röcke werden ſie tragen,
bald weit wie das runde Haus unſerer vornehmen
Herren, bald ſo eng, daß ſie gehen wie in Knieſchellen,
und am Ende gar noch ein Gebauſch und Gerauſch
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/282>, abgerufen am 05.12.2024.
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