Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

allerlei anderem Schmuck, wie Federn auf dem Kopf,
buntem Pelzbesatz an Kleidern und Mützen nicht werde
gefehlt haben. Nähen und ein bischen Steppen und
Sticken konnte man schon, aber man sieht aus den
Stichen, daß die Nadeln, die wir jetzt aus Vogel- und
Mausbeinchen, aus Fischgräten so fein herzustellen und
handzuhaben wissen, noch sehr grob gewesen sein müssen.
Auch Halsschnurkugeln und Wirtel aus Thon hat man
gefunden, sogar mit eingeritzten, freilich sehr uran¬
fänglichen Verzierungen. Man hat keine Wagenreste
entdeckt, sie werden nur grobe Schlitten zum Lastführen
gebraucht haben; daß aber keine Trümmer von Pflügen
vorkamen, das kann nicht beweisen, daß jene unsere
Ahnen kein Getraide bauten, kein Brod aßen, das wißt
ihr, denn auch bei euch hat man ja die groben Pum¬
pernickel gefunden, wie dort. Und endlich führte man
im alten Milun kein so armseliges Leben, daß es nicht
so gut wie im alten Robanus schon Schnitzli gegeben
hätte. (Heiterkeit.)

"Nun aber, hochwürdige, hochachtbare und achtbare
Zuhörer, ist das eigentlich kein so gar besonderer,
sondern ein ganz einfacher Fall und hättet ihr keines
auswärtigen Gelehrten bedurft, ihn euch zu erklären,
wenn sonst nichts dabei wäre. Ich kann euch weiter
nichts Neues sagen, als daß wir in Turik durch unsere
vergleichenden Knochenmessungen herausgebracht haben,
die Hausthiere: Rind, Ziege, Schwein, Hund, müssen

allerlei anderem Schmuck, wie Federn auf dem Kopf,
buntem Pelzbeſatz an Kleidern und Mützen nicht werde
gefehlt haben. Nähen und ein bischen Steppen und
Sticken konnte man ſchon, aber man ſieht aus den
Stichen, daß die Nadeln, die wir jetzt aus Vogel- und
Mausbeinchen, aus Fiſchgräten ſo fein herzuſtellen und
handzuhaben wiſſen, noch ſehr grob geweſen ſein müſſen.
Auch Halsſchnurkugeln und Wirtel aus Thon hat man
gefunden, ſogar mit eingeritzten, freilich ſehr uran¬
fänglichen Verzierungen. Man hat keine Wagenreſte
entdeckt, ſie werden nur grobe Schlitten zum Laſtführen
gebraucht haben; daß aber keine Trümmer von Pflügen
vorkamen, das kann nicht beweiſen, daß jene unſere
Ahnen kein Getraide bauten, kein Brod aßen, das wißt
ihr, denn auch bei euch hat man ja die groben Pum¬
pernickel gefunden, wie dort. Und endlich führte man
im alten Milun kein ſo armſeliges Leben, daß es nicht
ſo gut wie im alten Robanus ſchon Schnitzli gegeben
hätte. (Heiterkeit.)

„Nun aber, hochwürdige, hochachtbare und achtbare
Zuhörer, iſt das eigentlich kein ſo gar beſonderer,
ſondern ein ganz einfacher Fall und hättet ihr keines
auswärtigen Gelehrten bedurft, ihn euch zu erklären,
wenn ſonſt nichts dabei wäre. Ich kann euch weiter
nichts Neues ſagen, als daß wir in Turik durch unſere
vergleichenden Knochenmeſſungen herausgebracht haben,
die Hausthiere: Rind, Ziege, Schwein, Hund, müſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="262"/>
allerlei anderem Schmuck, wie Federn auf dem Kopf,<lb/>
buntem Pelzbe&#x017F;atz an Kleidern und Mützen nicht werde<lb/>
gefehlt haben. Nähen und ein bischen Steppen und<lb/>
Sticken konnte man &#x017F;chon, aber man &#x017F;ieht aus den<lb/>
Stichen, daß die Nadeln, die wir jetzt aus Vogel- und<lb/>
Mausbeinchen, aus Fi&#x017F;chgräten &#x017F;o fein herzu&#x017F;tellen und<lb/>
handzuhaben wi&#x017F;&#x017F;en, noch &#x017F;ehr grob gewe&#x017F;en &#x017F;ein mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Auch Hals&#x017F;chnurkugeln und Wirtel aus Thon hat man<lb/>
gefunden, &#x017F;ogar mit eingeritzten, freilich &#x017F;ehr uran¬<lb/>
fänglichen Verzierungen. Man hat keine Wagenre&#x017F;te<lb/>
entdeckt, &#x017F;ie werden nur grobe Schlitten zum La&#x017F;tführen<lb/>
gebraucht haben; daß aber keine Trümmer von Pflügen<lb/>
vorkamen, das kann nicht bewei&#x017F;en, daß jene un&#x017F;ere<lb/>
Ahnen kein Getraide bauten, kein Brod aßen, das wißt<lb/>
ihr, denn auch bei euch hat man ja die groben Pum¬<lb/>
pernickel gefunden, wie dort. Und endlich führte man<lb/>
im alten Milun kein &#x017F;o arm&#x017F;eliges Leben, daß es nicht<lb/>
&#x017F;o gut wie im alten Robanus &#x017F;chon Schnitzli gegeben<lb/>
hätte. (Heiterkeit.)</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun aber, hochwürdige, hochachtbare und achtbare<lb/>
Zuhörer, i&#x017F;t das eigentlich kein &#x017F;o gar be&#x017F;onderer,<lb/>
&#x017F;ondern ein ganz einfacher Fall und hättet ihr keines<lb/>
auswärtigen Gelehrten bedurft, ihn euch zu erklären,<lb/>
wenn &#x017F;on&#x017F;t nichts dabei wäre. Ich kann euch weiter<lb/>
nichts Neues &#x017F;agen, als daß wir in Turik durch un&#x017F;ere<lb/>
vergleichenden Knochenme&#x017F;&#x017F;ungen herausgebracht haben,<lb/>
die Hausthiere: Rind, Ziege, Schwein, Hund, mü&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0275] allerlei anderem Schmuck, wie Federn auf dem Kopf, buntem Pelzbeſatz an Kleidern und Mützen nicht werde gefehlt haben. Nähen und ein bischen Steppen und Sticken konnte man ſchon, aber man ſieht aus den Stichen, daß die Nadeln, die wir jetzt aus Vogel- und Mausbeinchen, aus Fiſchgräten ſo fein herzuſtellen und handzuhaben wiſſen, noch ſehr grob geweſen ſein müſſen. Auch Halsſchnurkugeln und Wirtel aus Thon hat man gefunden, ſogar mit eingeritzten, freilich ſehr uran¬ fänglichen Verzierungen. Man hat keine Wagenreſte entdeckt, ſie werden nur grobe Schlitten zum Laſtführen gebraucht haben; daß aber keine Trümmer von Pflügen vorkamen, das kann nicht beweiſen, daß jene unſere Ahnen kein Getraide bauten, kein Brod aßen, das wißt ihr, denn auch bei euch hat man ja die groben Pum¬ pernickel gefunden, wie dort. Und endlich führte man im alten Milun kein ſo armſeliges Leben, daß es nicht ſo gut wie im alten Robanus ſchon Schnitzli gegeben hätte. (Heiterkeit.) „Nun aber, hochwürdige, hochachtbare und achtbare Zuhörer, iſt das eigentlich kein ſo gar beſonderer, ſondern ein ganz einfacher Fall und hättet ihr keines auswärtigen Gelehrten bedurft, ihn euch zu erklären, wenn ſonſt nichts dabei wäre. Ich kann euch weiter nichts Neues ſagen, als daß wir in Turik durch unſere vergleichenden Knochenmeſſungen herausgebracht haben, die Hausthiere: Rind, Ziege, Schwein, Hund, müſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/275
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/275>, abgerufen am 11.06.2024.