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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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Thieren, insbesondere einen Stoßzahn von einem fürch¬
terlichen Geschöpf, das wie ein trampelnder Berg aus¬
gesehen haben muß; Enden vom Geweih des Riesen¬
hirsches Schelch, Wirbel und Schenkelknochen des Ur
fehlten so wenig, daß man leicht sah, die beiden ge¬
waltigen Thiere müssen damals weniger selten gewesen
sein als jetzt, wo man ihre Gehörne und Köpfe, bringt
einmal das Glück die rare Beute, an die Rathhaus¬
thüre nagelt, wie man das in Turik thut und ich
heut auch hierorts gesehen habe. Die menschliche Kunst,
-- das konnte man leichtlich schließen, -- muß damals
noch weit zurück gewesen sein; wir haben jetzt ange¬
fangen, unsere Flinswaffen glatt zu schleifen; deren
fanden sich nur roh gespaltene; man entdeckte keine
Spur von Weberei, die Leute von damals werden
wohl nur das Gerben verstanden haben, also in lauter
Pelz und Leder dahergestiegen sein, und da das Zeug
im Sommer doch arg heiß gibt, so mußten sie ent¬
weder sehr schwitzen oder sie giengen um diese Jahres¬
zeit eben fast nur so um, wie Selinur den Menschen
erschaffen hat. Doch ohne Putz müssen sie nicht ge¬
wesen sein, denn von jenem Röthel, womit sich jetzt
nur noch wenige alte Leute das Gesicht malen --"
(Gelächter -- man hört leiser, dann lauter den
Namen Urhixidur nennen -- Angus blickt finster) --
"von jenem Röthel hat man auch dort gar viele Stück¬
chen entdeckt. Und das läßt schließen, daß es an

Thieren, insbeſondere einen Stoßzahn von einem fürch¬
terlichen Geſchöpf, das wie ein trampelnder Berg aus¬
geſehen haben muß; Enden vom Geweih des Rieſen¬
hirſches Schelch, Wirbel und Schenkelknochen des Ur
fehlten ſo wenig, daß man leicht ſah, die beiden ge¬
waltigen Thiere müſſen damals weniger ſelten geweſen
ſein als jetzt, wo man ihre Gehörne und Köpfe, bringt
einmal das Glück die rare Beute, an die Rathhaus¬
thüre nagelt, wie man das in Turik thut und ich
heut auch hierorts geſehen habe. Die menſchliche Kunſt,
— das konnte man leichtlich ſchließen, — muß damals
noch weit zurück geweſen ſein; wir haben jetzt ange¬
fangen, unſere Flinswaffen glatt zu ſchleifen; deren
fanden ſich nur roh geſpaltene; man entdeckte keine
Spur von Weberei, die Leute von damals werden
wohl nur das Gerben verſtanden haben, alſo in lauter
Pelz und Leder dahergeſtiegen ſein, und da das Zeug
im Sommer doch arg heiß gibt, ſo mußten ſie ent¬
weder ſehr ſchwitzen oder ſie giengen um dieſe Jahres¬
zeit eben faſt nur ſo um, wie Selinur den Menſchen
erſchaffen hat. Doch ohne Putz müſſen ſie nicht ge¬
weſen ſein, denn von jenem Röthel, womit ſich jetzt
nur noch wenige alte Leute das Geſicht malen —“
(Gelächter — man hört leiſer, dann lauter den
Namen Urhixidur nennen — Angus blickt finſter) —
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[261/0274] Thieren, insbeſondere einen Stoßzahn von einem fürch¬ terlichen Geſchöpf, das wie ein trampelnder Berg aus¬ geſehen haben muß; Enden vom Geweih des Rieſen¬ hirſches Schelch, Wirbel und Schenkelknochen des Ur fehlten ſo wenig, daß man leicht ſah, die beiden ge¬ waltigen Thiere müſſen damals weniger ſelten geweſen ſein als jetzt, wo man ihre Gehörne und Köpfe, bringt einmal das Glück die rare Beute, an die Rathhaus¬ thüre nagelt, wie man das in Turik thut und ich heut auch hierorts geſehen habe. Die menſchliche Kunſt, — das konnte man leichtlich ſchließen, — muß damals noch weit zurück geweſen ſein; wir haben jetzt ange¬ fangen, unſere Flinswaffen glatt zu ſchleifen; deren fanden ſich nur roh geſpaltene; man entdeckte keine Spur von Weberei, die Leute von damals werden wohl nur das Gerben verſtanden haben, alſo in lauter Pelz und Leder dahergeſtiegen ſein, und da das Zeug im Sommer doch arg heiß gibt, ſo mußten ſie ent¬ weder ſehr ſchwitzen oder ſie giengen um dieſe Jahres¬ zeit eben faſt nur ſo um, wie Selinur den Menſchen erſchaffen hat. Doch ohne Putz müſſen ſie nicht ge¬ weſen ſein, denn von jenem Röthel, womit ſich jetzt nur noch wenige alte Leute das Geſicht malen —“ (Gelächter — man hört leiſer, dann lauter den Namen Urhixidur nennen — Angus blickt finſter) — „von jenem Röthel hat man auch dort gar viele Stück¬ chen entdeckt. Und das läßt ſchließen, daß es an

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/274>, abgerufen am 11.06.2024.