Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

strenge Begleiter Arthur's, stieß die Thüre auf und im
Nu waren sich beide Hunde in den Haaren. Ein
wildwüthendes Raufen gieng los, während die Familie
und der Gast herausstürzten. Der große Bulle war
dem braven Schäferhund nicht an Tapferkeit, aber an
Kraft überlegen, das zottige Fell des Feindes bot
seinen Zähnen Anhalt und er verbieß sich nach Art
seines Schlages so in dessen Genick, daß Alpin nicht
zaudern durfte: er packte das starke Thier um den
Hals und schleuderte es mit einem mächtigen Schwung
über die Brustwehr des Pfahldorfs; erst der Flug
durch die Luft vermochte die festgeklemmte Zange seiner
Zähne zu lösen, so war Ryno mitgerissen worden und
fielen beide Hunde zusammen in das Gewässer des
Sees. Mit rollenden Augen standen Arthur und
Alpin einige Minuten sich gegenüber, Odgal suchte
seinen Gast zu beschwichtigen, auf Alpin fiel ein Blick
von Sigunen, seltsam gemischt aus Unwillen und zugleich
aus Mitgefühl, und dann doch auch aus Furcht und
Scheu, wie ein Weib sie wohl fühlen mag vor einem
Mann, den sie als gutmüthig kennt, von dem sie
aber weiß, daß er doch auch einmal schrecklich werden
könne. Mitten in seinem Zorn und Jammer schöpfte
Alpin aus diesem Anblick unbewußt eine gewisse Ge¬
nugthuung, die ihm so viel Halt gab, daß er sich
durch Arthur's drohende Blicke zu keinem Ausbruch
hinreißen ließ. Auch dieser nahm sich zusammen und

ſtrenge Begleiter Arthur's, ſtieß die Thüre auf und im
Nu waren ſich beide Hunde in den Haaren. Ein
wildwüthendes Raufen gieng los, während die Familie
und der Gaſt herausſtürzten. Der große Bulle war
dem braven Schäferhund nicht an Tapferkeit, aber an
Kraft überlegen, das zottige Fell des Feindes bot
ſeinen Zähnen Anhalt und er verbieß ſich nach Art
ſeines Schlages ſo in deſſen Genick, daß Alpin nicht
zaudern durfte: er packte das ſtarke Thier um den
Hals und ſchleuderte es mit einem mächtigen Schwung
über die Bruſtwehr des Pfahldorfs; erſt der Flug
durch die Luft vermochte die feſtgeklemmte Zange ſeiner
Zähne zu löſen, ſo war Ryno mitgeriſſen worden und
fielen beide Hunde zuſammen in das Gewäſſer des
Sees. Mit rollenden Augen ſtanden Arthur und
Alpin einige Minuten ſich gegenüber, Odgal ſuchte
ſeinen Gaſt zu beſchwichtigen, auf Alpin fiel ein Blick
von Sigunen, ſeltſam gemiſcht aus Unwillen und zugleich
aus Mitgefühl, und dann doch auch aus Furcht und
Scheu, wie ein Weib ſie wohl fühlen mag vor einem
Mann, den ſie als gutmüthig kennt, von dem ſie
aber weiß, daß er doch auch einmal ſchrecklich werden
könne. Mitten in ſeinem Zorn und Jammer ſchöpfte
Alpin aus dieſem Anblick unbewußt eine gewiſſe Ge¬
nugthuung, die ihm ſo viel Halt gab, daß er ſich
durch Arthur's drohende Blicke zu keinem Ausbruch
hinreißen ließ. Auch dieſer nahm ſich zuſammen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="169"/>
&#x017F;trenge Begleiter Arthur's, &#x017F;tieß die Thüre auf und im<lb/>
Nu waren &#x017F;ich beide Hunde in den Haaren. Ein<lb/>
wildwüthendes Raufen gieng los, während die Familie<lb/>
und der Ga&#x017F;t heraus&#x017F;türzten. Der große Bulle war<lb/>
dem braven Schäferhund nicht an Tapferkeit, aber an<lb/>
Kraft überlegen, das zottige Fell des Feindes bot<lb/>
&#x017F;einen Zähnen Anhalt und er verbieß &#x017F;ich nach Art<lb/>
&#x017F;eines Schlages &#x017F;o in de&#x017F;&#x017F;en Genick, daß Alpin nicht<lb/>
zaudern durfte: er packte das &#x017F;tarke Thier um den<lb/>
Hals und &#x017F;chleuderte es mit einem mächtigen Schwung<lb/>
über die Bru&#x017F;twehr des Pfahldorfs; er&#x017F;t der Flug<lb/>
durch die Luft vermochte die fe&#x017F;tgeklemmte Zange &#x017F;einer<lb/>
Zähne zu lö&#x017F;en, &#x017F;o war Ryno mitgeri&#x017F;&#x017F;en worden und<lb/>
fielen beide Hunde zu&#x017F;ammen in das Gewä&#x017F;&#x017F;er des<lb/>
Sees. Mit rollenden Augen &#x017F;tanden Arthur und<lb/>
Alpin einige Minuten &#x017F;ich gegenüber, Odgal &#x017F;uchte<lb/>
&#x017F;einen Ga&#x017F;t zu be&#x017F;chwichtigen, auf Alpin fiel ein Blick<lb/>
von Sigunen, &#x017F;elt&#x017F;am gemi&#x017F;cht aus Unwillen und zugleich<lb/>
aus Mitgefühl, und dann doch auch aus Furcht und<lb/>
Scheu, wie ein Weib &#x017F;ie wohl fühlen mag vor einem<lb/>
Mann, den &#x017F;ie als gutmüthig kennt, von dem &#x017F;ie<lb/>
aber weiß, daß er doch auch einmal &#x017F;chrecklich werden<lb/>
könne. Mitten in &#x017F;einem Zorn und Jammer &#x017F;chöpfte<lb/>
Alpin aus die&#x017F;em Anblick unbewußt eine gewi&#x017F;&#x017F;e Ge¬<lb/>
nugthuung, die ihm &#x017F;o viel Halt gab, daß er &#x017F;ich<lb/>
durch Arthur's drohende Blicke zu keinem Ausbruch<lb/>
hinreißen ließ. Auch die&#x017F;er nahm &#x017F;ich zu&#x017F;ammen und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0182] ſtrenge Begleiter Arthur's, ſtieß die Thüre auf und im Nu waren ſich beide Hunde in den Haaren. Ein wildwüthendes Raufen gieng los, während die Familie und der Gaſt herausſtürzten. Der große Bulle war dem braven Schäferhund nicht an Tapferkeit, aber an Kraft überlegen, das zottige Fell des Feindes bot ſeinen Zähnen Anhalt und er verbieß ſich nach Art ſeines Schlages ſo in deſſen Genick, daß Alpin nicht zaudern durfte: er packte das ſtarke Thier um den Hals und ſchleuderte es mit einem mächtigen Schwung über die Bruſtwehr des Pfahldorfs; erſt der Flug durch die Luft vermochte die feſtgeklemmte Zange ſeiner Zähne zu löſen, ſo war Ryno mitgeriſſen worden und fielen beide Hunde zuſammen in das Gewäſſer des Sees. Mit rollenden Augen ſtanden Arthur und Alpin einige Minuten ſich gegenüber, Odgal ſuchte ſeinen Gaſt zu beſchwichtigen, auf Alpin fiel ein Blick von Sigunen, ſeltſam gemiſcht aus Unwillen und zugleich aus Mitgefühl, und dann doch auch aus Furcht und Scheu, wie ein Weib ſie wohl fühlen mag vor einem Mann, den ſie als gutmüthig kennt, von dem ſie aber weiß, daß er doch auch einmal ſchrecklich werden könne. Mitten in ſeinem Zorn und Jammer ſchöpfte Alpin aus dieſem Anblick unbewußt eine gewiſſe Ge¬ nugthuung, die ihm ſo viel Halt gab, daß er ſich durch Arthur's drohende Blicke zu keinem Ausbruch hinreißen ließ. Auch dieſer nahm ſich zuſammen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/182
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/182>, abgerufen am 04.12.2024.