zu haben. Mit Stentorstimme rief er: "Auch gar noch Fandango? Es ist genug!"
Er klingelte. Der Wirth erschien. "Was kostet der ganze Service, Alles was hier im ganzen Zimmer umhersteht?" Der Wirth fragte: "Wozu?" und zeigte sich auf die ungenügende Antwort von A. E., er möchte ihn eben haben, wenig geneigt, seinen Schatz zu verkaufen. Doch, da er kaum anders denken konnte, als, der Gast sei auf diese Gegenstände um ihrer Schönheit willen erpicht, da ihm dieß schmeichelte und da er schließlich wohl kein Geldverächter war, so ließ er sich bestimmen und nannte eine Summe, die eben nicht bescheiden, doch auch nicht so hoch gegriffen war, als die kundigere Gewinnsucht eines Städters sie ge¬ spannt hätte. Sie wurde ihm rund in Gold ausbe¬ zahlt; er striech ein und fragte: "Soll ich auch die Verpackung übernehmen?" A. E. sah ihn sonderbar an, wendete sich gegen mich und sprach feierlich, wie damals im Wirthshaus zu Brunnen: "Supplicium! Todesurtheil!"
Er gab mir den Krug in die Hand und sagte: "Ihnen die Ehre des Vortritts!"
Ich, wie ich nun leider geworden war, gehorchte mit Pflichtgefühl. Dem Fenster gegenüber stand jen¬ seits der Straße ein mächtiger Granitblock, einst -- wer weiß vor wie viel Jahrhunderten -- herabgestürzt von einem der Felsungeheuer und nun als Damm
zu haben. Mit Stentorſtimme rief er: „Auch gar noch Fandango? Es iſt genug!“
Er klingelte. Der Wirth erſchien. „Was koſtet der ganze Service, Alles was hier im ganzen Zimmer umherſteht?“ Der Wirth fragte: „Wozu?“ und zeigte ſich auf die ungenügende Antwort von A. E., er möchte ihn eben haben, wenig geneigt, ſeinen Schatz zu verkaufen. Doch, da er kaum anders denken konnte, als, der Gaſt ſei auf dieſe Gegenſtände um ihrer Schönheit willen erpicht, da ihm dieß ſchmeichelte und da er ſchließlich wohl kein Geldverächter war, ſo ließ er ſich beſtimmen und nannte eine Summe, die eben nicht beſcheiden, doch auch nicht ſo hoch gegriffen war, als die kundigere Gewinnſucht eines Städters ſie ge¬ ſpannt hätte. Sie wurde ihm rund in Gold ausbe¬ zahlt; er ſtriech ein und fragte: „Soll ich auch die Verpackung übernehmen?“ A. E. ſah ihn ſonderbar an, wendete ſich gegen mich und ſprach feierlich, wie damals im Wirthshaus zu Brunnen: „Supplicium! Todesurtheil!“
Er gab mir den Krug in die Hand und ſagte: „Ihnen die Ehre des Vortritts!“
Ich, wie ich nun leider geworden war, gehorchte mit Pflichtgefühl. Dem Fenſter gegenüber ſtand jen¬ ſeits der Straße ein mächtiger Granitblock, einſt — wer weiß vor wie viel Jahrhunderten — herabgeſtürzt von einem der Felsungeheuer und nun als Damm
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0127"n="114"/>
zu haben. Mit Stentorſtimme rief er: „Auch gar noch<lb/>
Fandango? Es iſt genug!“</p><lb/><p>Er klingelte. Der Wirth erſchien. „Was koſtet<lb/>
der ganze Service, Alles was hier im ganzen Zimmer<lb/>
umherſteht?“ Der Wirth fragte: „Wozu?“ und zeigte<lb/>ſich auf die ungenügende Antwort von A. E., er<lb/>
möchte ihn eben haben, wenig geneigt, ſeinen Schatz<lb/>
zu verkaufen. Doch, da er kaum anders denken konnte,<lb/>
als, der Gaſt ſei auf dieſe Gegenſtände um ihrer<lb/>
Schönheit willen erpicht, da ihm dieß ſchmeichelte und<lb/>
da er ſchließlich wohl kein Geldverächter war, ſo ließ<lb/>
er ſich beſtimmen und nannte eine Summe, die eben<lb/>
nicht beſcheiden, doch auch nicht ſo hoch gegriffen war,<lb/>
als die kundigere Gewinnſucht eines Städters ſie ge¬<lb/>ſpannt hätte. Sie wurde ihm rund in Gold ausbe¬<lb/>
zahlt; er ſtriech ein und fragte: „Soll ich auch die<lb/>
Verpackung übernehmen?“ A. E. ſah ihn ſonderbar<lb/>
an, wendete ſich gegen mich und ſprach feierlich, wie<lb/>
damals im Wirthshaus zu Brunnen: „<hirendition="#aq">Supplicium</hi>!<lb/>
Todesurtheil!“</p><lb/><p>Er gab mir den Krug in die Hand und ſagte:<lb/>„Ihnen die Ehre des Vortritts!“</p><lb/><p>Ich, wie ich nun leider geworden war, gehorchte<lb/>
mit Pflichtgefühl. Dem Fenſter gegenüber ſtand jen¬<lb/>ſeits der Straße ein mächtiger Granitblock, einſt —<lb/>
wer weiß vor wie viel Jahrhunderten — herabgeſtürzt<lb/>
von einem der Felsungeheuer und nun als Damm<lb/></p></div></body></text></TEI>
[114/0127]
zu haben. Mit Stentorſtimme rief er: „Auch gar noch
Fandango? Es iſt genug!“
Er klingelte. Der Wirth erſchien. „Was koſtet
der ganze Service, Alles was hier im ganzen Zimmer
umherſteht?“ Der Wirth fragte: „Wozu?“ und zeigte
ſich auf die ungenügende Antwort von A. E., er
möchte ihn eben haben, wenig geneigt, ſeinen Schatz
zu verkaufen. Doch, da er kaum anders denken konnte,
als, der Gaſt ſei auf dieſe Gegenſtände um ihrer
Schönheit willen erpicht, da ihm dieß ſchmeichelte und
da er ſchließlich wohl kein Geldverächter war, ſo ließ
er ſich beſtimmen und nannte eine Summe, die eben
nicht beſcheiden, doch auch nicht ſo hoch gegriffen war,
als die kundigere Gewinnſucht eines Städters ſie ge¬
ſpannt hätte. Sie wurde ihm rund in Gold ausbe¬
zahlt; er ſtriech ein und fragte: „Soll ich auch die
Verpackung übernehmen?“ A. E. ſah ihn ſonderbar
an, wendete ſich gegen mich und ſprach feierlich, wie
damals im Wirthshaus zu Brunnen: „Supplicium!
Todesurtheil!“
Er gab mir den Krug in die Hand und ſagte:
„Ihnen die Ehre des Vortritts!“
Ich, wie ich nun leider geworden war, gehorchte
mit Pflichtgefühl. Dem Fenſter gegenüber ſtand jen¬
ſeits der Straße ein mächtiger Granitblock, einſt —
wer weiß vor wie viel Jahrhunderten — herabgeſtürzt
von einem der Felsungeheuer und nun als Damm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/127>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.