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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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Wesen; man solle doch nur zum Beispiel die Toilette
der Vögel sehen, die Büsche, Hauben, Klunker, Krägen,
Schweife in allen Formen, namentlich in solchen, die
sich zu Prachträdern aufschlagen: man werde doch
nicht meinen, diese Dinge seien gemacht, damit Nie¬
mand sie sehe, es liege ja auf der flachen Hand, daß
das von einer genialen Urkokette stamme; dieß Weib
sei wohl auch gut: sie nähre, pflege, sorge, heile, wie
nur ein Weib es könne; dann aber sei sie plötzlich
total gedankenlos, absolut vergeßlich, ganz so dumm,
wie oft das geistreichste Weib, ja eine reine Gans.

"Von der Sie auch gelegt sind," fiel ich ein.

"Ja wohl, ja leider wohl," sagte er und fuhr
ungestört fort: "So vergißt sie, daß sie einen Früh¬
ling voll Blüthenherrlichkeit hat sprossen lassen, macht
den ganzen Spaß mit einem Nachtfrost hin, vertilgt
ihre eigenen Produkte, läßt ihre geliebten Kinder ver¬
hungern, verschmachten, verfrieren; sie flößt der Thier¬
mutter die zärtlichste Liebe für ihre Jungen ein und
leitet den Bärenvater, den Kater an, sie zu fressen;
sie gibt dem besten aller Thiere, dem sehr philosophischen
Thiere, wie Plato es nennt: dem Hunde die Hunds¬
wuth zur Mitgift und macht ihn zum Scheuel und
Greuel der Menschen, die er liebt und die ihn lieben;
sie ist mißlaunisch, widerwärtig just wie die Weiber
und wirft neben ihre Künstlergebilde das Warzen¬
schwein, die Kröte, den Bandwurm, die Läuse, Flöhe,

Weſen; man ſolle doch nur zum Beiſpiel die Toilette
der Vögel ſehen, die Büſche, Hauben, Klunker, Krägen,
Schweife in allen Formen, namentlich in ſolchen, die
ſich zu Prachträdern aufſchlagen: man werde doch
nicht meinen, dieſe Dinge ſeien gemacht, damit Nie¬
mand ſie ſehe, es liege ja auf der flachen Hand, daß
das von einer genialen Urkokette ſtamme; dieß Weib
ſei wohl auch gut: ſie nähre, pflege, ſorge, heile, wie
nur ein Weib es könne; dann aber ſei ſie plötzlich
total gedankenlos, abſolut vergeßlich, ganz ſo dumm,
wie oft das geiſtreichſte Weib, ja eine reine Gans.

„Von der Sie auch gelegt ſind,“ fiel ich ein.

„Ja wohl, ja leider wohl,“ ſagte er und fuhr
ungeſtört fort: „So vergißt ſie, daß ſie einen Früh¬
ling voll Blüthenherrlichkeit hat ſproſſen laſſen, macht
den ganzen Spaß mit einem Nachtfroſt hin, vertilgt
ihre eigenen Produkte, läßt ihre geliebten Kinder ver¬
hungern, verſchmachten, verfrieren; ſie flößt der Thier¬
mutter die zärtlichſte Liebe für ihre Jungen ein und
leitet den Bärenvater, den Kater an, ſie zu freſſen;
ſie gibt dem beſten aller Thiere, dem ſehr philoſophiſchen
Thiere, wie Plato es nennt: dem Hunde die Hunds¬
wuth zur Mitgift und macht ihn zum Scheuel und
Greuel der Menſchen, die er liebt und die ihn lieben;
ſie iſt mißlauniſch, widerwärtig juſt wie die Weiber
und wirft neben ihre Künſtlergebilde das Warzen¬
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[90/0103] Weſen; man ſolle doch nur zum Beiſpiel die Toilette der Vögel ſehen, die Büſche, Hauben, Klunker, Krägen, Schweife in allen Formen, namentlich in ſolchen, die ſich zu Prachträdern aufſchlagen: man werde doch nicht meinen, dieſe Dinge ſeien gemacht, damit Nie¬ mand ſie ſehe, es liege ja auf der flachen Hand, daß das von einer genialen Urkokette ſtamme; dieß Weib ſei wohl auch gut: ſie nähre, pflege, ſorge, heile, wie nur ein Weib es könne; dann aber ſei ſie plötzlich total gedankenlos, abſolut vergeßlich, ganz ſo dumm, wie oft das geiſtreichſte Weib, ja eine reine Gans. „Von der Sie auch gelegt ſind,“ fiel ich ein. „Ja wohl, ja leider wohl,“ ſagte er und fuhr ungeſtört fort: „So vergißt ſie, daß ſie einen Früh¬ ling voll Blüthenherrlichkeit hat ſproſſen laſſen, macht den ganzen Spaß mit einem Nachtfroſt hin, vertilgt ihre eigenen Produkte, läßt ihre geliebten Kinder ver¬ hungern, verſchmachten, verfrieren; ſie flößt der Thier¬ mutter die zärtlichſte Liebe für ihre Jungen ein und leitet den Bärenvater, den Kater an, ſie zu freſſen; ſie gibt dem beſten aller Thiere, dem ſehr philoſophiſchen Thiere, wie Plato es nennt: dem Hunde die Hunds¬ wuth zur Mitgift und macht ihn zum Scheuel und Greuel der Menſchen, die er liebt und die ihn lieben; ſie iſt mißlauniſch, widerwärtig juſt wie die Weiber und wirft neben ihre Künſtlergebilde das Warzen¬ ſchwein, die Kröte, den Bandwurm, die Läuſe, Flöhe,

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/103>, abgerufen am 04.12.2024.