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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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gelegt wie er war, in sein altes Fahrwasser und sein
Schiff fuhr so mit vollen Segeln, daß ich in meinem
Zuhörerkahne daneben von ganzen Sturzwellen über¬
gossen wurde. Wie sollte ich dieses Sturzbad schildern
können! Nur einige Wellen mögen ausgehoben werden.

Die Politik brachte ihn auf die Geschichtsschreibung
und nun gieng's an, nun legte er wieder mit seinen
Marotten los. Er fordere Gründlichkeit und die Frucht
werde sein: Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Toleranz,
wahre Humanität. Der Geschichtsforscher müsse vor
Allem eine richtige metaphysische Vorbildung genießen,
müsse sich gute Kenntnisse in der Urgeschichte erwerben.
Ich bekam bei dieser Gelegenheit etwas mehr vom
philosophischen System oder vielmehr eigentlich der
Mythologie des sonderbaren Denkers zu hören, als ich
bisher wußte. Die Natur sei das Produkt eines Ur¬
wesens weiblichen Geschlechts. Dieses höchst geniale,
reizvolle, höchst gütige und zugleich höchst leichtsinnige
und dämonische, höchst grausame Weib habe sich mit
Legionen böser Geister verbündet, die sich im Urschlamm
erzeugten. Man solle zusehen, ob nicht alles Thun
und Hervorbringen der Natur weib-artig sei. So
leicht, als die Weiber empfangen, schaffe sie; so ohne
alles Nachdenken, wie ein begabtes Weib geistvolle Ge¬
danken und Plane entwickle, quellen aus ihrer Hand
die unendlichen Formen hervor; so geschmackvoll und
eitel als das Weib sich aufputze, schmücke sie ihre

gelegt wie er war, in ſein altes Fahrwaſſer und ſein
Schiff fuhr ſo mit vollen Segeln, daß ich in meinem
Zuhörerkahne daneben von ganzen Sturzwellen über¬
goſſen wurde. Wie ſollte ich dieſes Sturzbad ſchildern
können! Nur einige Wellen mögen ausgehoben werden.

Die Politik brachte ihn auf die Geſchichtsſchreibung
und nun gieng's an, nun legte er wieder mit ſeinen
Marotten los. Er fordere Gründlichkeit und die Frucht
werde ſein: Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Toleranz,
wahre Humanität. Der Geſchichtsforſcher müſſe vor
Allem eine richtige metaphyſiſche Vorbildung genießen,
müſſe ſich gute Kenntniſſe in der Urgeſchichte erwerben.
Ich bekam bei dieſer Gelegenheit etwas mehr vom
philoſophiſchen Syſtem oder vielmehr eigentlich der
Mythologie des ſonderbaren Denkers zu hören, als ich
bisher wußte. Die Natur ſei das Produkt eines Ur¬
weſens weiblichen Geſchlechts. Dieſes höchſt geniale,
reizvolle, höchſt gütige und zugleich höchſt leichtſinnige
und dämoniſche, höchſt grauſame Weib habe ſich mit
Legionen böſer Geiſter verbündet, die ſich im Urſchlamm
erzeugten. Man ſolle zuſehen, ob nicht alles Thun
und Hervorbringen der Natur weib-artig ſei. So
leicht, als die Weiber empfangen, ſchaffe ſie; ſo ohne
alles Nachdenken, wie ein begabtes Weib geiſtvolle Ge¬
danken und Plane entwickle, quellen aus ihrer Hand
die unendlichen Formen hervor; ſo geſchmackvoll und
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[89/0102] gelegt wie er war, in ſein altes Fahrwaſſer und ſein Schiff fuhr ſo mit vollen Segeln, daß ich in meinem Zuhörerkahne daneben von ganzen Sturzwellen über¬ goſſen wurde. Wie ſollte ich dieſes Sturzbad ſchildern können! Nur einige Wellen mögen ausgehoben werden. Die Politik brachte ihn auf die Geſchichtsſchreibung und nun gieng's an, nun legte er wieder mit ſeinen Marotten los. Er fordere Gründlichkeit und die Frucht werde ſein: Billigkeit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Toleranz, wahre Humanität. Der Geſchichtsforſcher müſſe vor Allem eine richtige metaphyſiſche Vorbildung genießen, müſſe ſich gute Kenntniſſe in der Urgeſchichte erwerben. Ich bekam bei dieſer Gelegenheit etwas mehr vom philoſophiſchen Syſtem oder vielmehr eigentlich der Mythologie des ſonderbaren Denkers zu hören, als ich bisher wußte. Die Natur ſei das Produkt eines Ur¬ weſens weiblichen Geſchlechts. Dieſes höchſt geniale, reizvolle, höchſt gütige und zugleich höchſt leichtſinnige und dämoniſche, höchſt grauſame Weib habe ſich mit Legionen böſer Geiſter verbündet, die ſich im Urſchlamm erzeugten. Man ſolle zuſehen, ob nicht alles Thun und Hervorbringen der Natur weib-artig ſei. So leicht, als die Weiber empfangen, ſchaffe ſie; ſo ohne alles Nachdenken, wie ein begabtes Weib geiſtvolle Ge¬ danken und Plane entwickle, quellen aus ihrer Hand die unendlichen Formen hervor; ſo geſchmackvoll und eitel als das Weib ſich aufputze, ſchmücke ſie ihre

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/102>, abgerufen am 04.12.2024.