demgemäß nach der Formel, womit wir Alles, sowohl das Sinnliche, als auch das Geistige nennen, welche keinen Inhalt bezeichnet und womit man allen Inhalt fassen kann, denn als Quantum läßt sich, eben weil das Quantum gegen den Inhalt gleichgültig ist, Alles ohne Unterschied bestimmen. Das Quantum schreitet in Häufung der Eins und Zusammen- fassungen der Eins fort ohne innere Entwicklung, unter diesen Fortschreitungen läßt sich sowohl die Vermehrung der Materie, als der Intensität begreifen. Tragen wir dieß über auf die Musik, so ist ihr Inhalt ein wahrhaft Quali- tatives, das sich aber, weil objectlos, unterscheidungslos, nicht durch Worte begreifen läßt, und ein Solches kann eben nur in die unsinnlich sinnliche Unterscheidung der Zahl gefaßt werden. Unwahr für das Ganze des In- halts der Philosophie, ist der Gedanke des Pythagoras wahr gerade für die Enthüllungsstufe des Welträthsels, welche die Musik darstellt. Pythagoras will sagen, daß die Form das Wahre der Dinge sei, und er findet für sie keine Bestimmung, als die, welche Alles unterscheidet und verbindet, sei es nun als Stoff oder Form gefaßt. Die Form ist wesentlich Verhältniß; die Welt als Form begriffen ist ein Eines, sich in sich unendlich unter- scheidend und seine Unterschiede in unendliche Stellungen zu einander setzend, die aber eben als verschiedene Stellungen des Einen schlechthin lebendig aufeinander bezogen sind; es gibt keinen Ort außerhalb dieses Netzes, es bleibt keine Materie neben der Form übrig, der Stoff läßt sich unendlich theilen, bei jeder Theilung ist, was übrig bleibt, immer wieder ein Ge- formtes. Die Zahl nun bezeichnet richtig das Verhältniß, sofern sie nichts ist, als eine unendliche Reihe gesetzter Puncte, die nur in ihrer Beziehung zu einander etwas, außer ihr nichts sind; sie bezeichnet es aber unzureichend, weil es ein lebendig qualitatives sich Fortbestimmen des Einen zum Unter- schied und der Wechselbeziehung im Unterschied ist, wogegen die Vielheit in der Zahl nur Häufung des Eins ist und alle Stellungen der vielen Eins zu einander gleichgültige, der Innerlichkeit ermangelnde Beziehungen sind. Es hat Sinn, wenn Pythagoras selbst die Seele und das sittliche und vernünftige Leben des Geistes unter dem Begriff der Zahl faßt, und Tugend selbst als Zahlenharmonie bestimmt; die geistigen Kräfte sind wesentlich Ordnungen einer Vielheit und wir müßten diese durch Zahl ausdrücken können, wenn wir sie gänzlich erkannt hätten; aber auf solchen Ordnungen beruhen auch unendlich viele andere Erscheinungen, welche zwar durch und durch Form sind, aber nicht in der Weise des Geistes. Nun aber ist der große Unterschied zwischen den andern Gestalten des Geistes und dem Ge- fühle der, daß jene durch klare Scheidung zwischen Subject und Object bestimmten, sagbaren Inhalt haben, dieses aber, weil ihm jene Scheidung abgeht, nicht. Wir haben es daher nur fassen können als ein dunkles Schwingungsleben, worin das Subject unendlichen Verhältnißstellungen
demgemäß nach der Formel, womit wir Alles, ſowohl das Sinnliche, als auch das Geiſtige nennen, welche keinen Inhalt bezeichnet und womit man allen Inhalt faſſen kann, denn als Quantum läßt ſich, eben weil das Quantum gegen den Inhalt gleichgültig iſt, Alles ohne Unterſchied beſtimmen. Das Quantum ſchreitet in Häufung der Eins und Zuſammen- faſſungen der Eins fort ohne innere Entwicklung, unter dieſen Fortſchreitungen läßt ſich ſowohl die Vermehrung der Materie, als der Intenſität begreifen. Tragen wir dieß über auf die Muſik, ſo iſt ihr Inhalt ein wahrhaft Quali- tatives, das ſich aber, weil objectlos, unterſcheidungslos, nicht durch Worte begreifen läßt, und ein Solches kann eben nur in die unſinnlich ſinnliche Unterſcheidung der Zahl gefaßt werden. Unwahr für das Ganze des In- halts der Philoſophie, iſt der Gedanke des Pythagoras wahr gerade für die Enthüllungsſtufe des Welträthſels, welche die Muſik darſtellt. Pythagoras will ſagen, daß die Form das Wahre der Dinge ſei, und er findet für ſie keine Beſtimmung, als die, welche Alles unterſcheidet und verbindet, ſei es nun als Stoff oder Form gefaßt. Die Form iſt weſentlich Verhältniß; die Welt als Form begriffen iſt ein Eines, ſich in ſich unendlich unter- ſcheidend und ſeine Unterſchiede in unendliche Stellungen zu einander ſetzend, die aber eben als verſchiedene Stellungen des Einen ſchlechthin lebendig aufeinander bezogen ſind; es gibt keinen Ort außerhalb dieſes Netzes, es bleibt keine Materie neben der Form übrig, der Stoff läßt ſich unendlich theilen, bei jeder Theilung iſt, was übrig bleibt, immer wieder ein Ge- formtes. Die Zahl nun bezeichnet richtig das Verhältniß, ſofern ſie nichts iſt, als eine unendliche Reihe geſetzter Puncte, die nur in ihrer Beziehung zu einander etwas, außer ihr nichts ſind; ſie bezeichnet es aber unzureichend, weil es ein lebendig qualitatives ſich Fortbeſtimmen des Einen zum Unter- ſchied und der Wechſelbeziehung im Unterſchied iſt, wogegen die Vielheit in der Zahl nur Häufung des Eins iſt und alle Stellungen der vielen Eins zu einander gleichgültige, der Innerlichkeit ermangelnde Beziehungen ſind. Es hat Sinn, wenn Pythagoras ſelbſt die Seele und das ſittliche und vernünftige Leben des Geiſtes unter dem Begriff der Zahl faßt, und Tugend ſelbſt als Zahlenharmonie beſtimmt; die geiſtigen Kräfte ſind weſentlich Ordnungen einer Vielheit und wir müßten dieſe durch Zahl ausdrücken können, wenn wir ſie gänzlich erkannt hätten; aber auf ſolchen Ordnungen beruhen auch unendlich viele andere Erſcheinungen, welche zwar durch und durch Form ſind, aber nicht in der Weiſe des Geiſtes. Nun aber iſt der große Unterſchied zwiſchen den andern Geſtalten des Geiſtes und dem Ge- fühle der, daß jene durch klare Scheidung zwiſchen Subject und Object beſtimmten, ſagbaren Inhalt haben, dieſes aber, weil ihm jene Scheidung abgeht, nicht. Wir haben es daher nur faſſen können als ein dunkles Schwingungsleben, worin das Subject unendlichen Verhältnißſtellungen
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[821/0059]
demgemäß nach der Formel, womit wir Alles, ſowohl das Sinnliche,
als auch das Geiſtige nennen, welche keinen Inhalt bezeichnet und womit
man allen Inhalt faſſen kann, denn als Quantum läßt ſich, eben weil
das Quantum gegen den Inhalt gleichgültig iſt, Alles ohne Unterſchied
beſtimmen. Das Quantum ſchreitet in Häufung der Eins und Zuſammen-
faſſungen der Eins fort ohne innere Entwicklung, unter dieſen Fortſchreitungen
läßt ſich ſowohl die Vermehrung der Materie, als der Intenſität begreifen.
Tragen wir dieß über auf die Muſik, ſo iſt ihr Inhalt ein wahrhaft Quali-
tatives, das ſich aber, weil objectlos, unterſcheidungslos, nicht durch Worte
begreifen läßt, und ein Solches kann eben nur in die unſinnlich ſinnliche
Unterſcheidung der Zahl gefaßt werden. Unwahr für das Ganze des In-
halts der Philoſophie, iſt der Gedanke des Pythagoras wahr gerade für die
Enthüllungsſtufe des Welträthſels, welche die Muſik darſtellt. Pythagoras
will ſagen, daß die Form das Wahre der Dinge ſei, und er findet für ſie
keine Beſtimmung, als die, welche Alles unterſcheidet und verbindet, ſei es
nun als Stoff oder Form gefaßt. Die Form iſt weſentlich Verhältniß;
die Welt als Form begriffen iſt ein Eines, ſich in ſich unendlich unter-
ſcheidend und ſeine Unterſchiede in unendliche Stellungen zu einander ſetzend,
die aber eben als verſchiedene Stellungen des Einen ſchlechthin lebendig
aufeinander bezogen ſind; es gibt keinen Ort außerhalb dieſes Netzes, es
bleibt keine Materie neben der Form übrig, der Stoff läßt ſich unendlich
theilen, bei jeder Theilung iſt, was übrig bleibt, immer wieder ein Ge-
formtes. Die Zahl nun bezeichnet richtig das Verhältniß, ſofern ſie nichts
iſt, als eine unendliche Reihe geſetzter Puncte, die nur in ihrer Beziehung
zu einander etwas, außer ihr nichts ſind; ſie bezeichnet es aber unzureichend,
weil es ein lebendig qualitatives ſich Fortbeſtimmen des Einen zum Unter-
ſchied und der Wechſelbeziehung im Unterſchied iſt, wogegen die Vielheit in
der Zahl nur Häufung des Eins iſt und alle Stellungen der vielen Eins
zu einander gleichgültige, der Innerlichkeit ermangelnde Beziehungen ſind.
Es hat Sinn, wenn Pythagoras ſelbſt die Seele und das ſittliche und
vernünftige Leben des Geiſtes unter dem Begriff der Zahl faßt, und Tugend
ſelbſt als Zahlenharmonie beſtimmt; die geiſtigen Kräfte ſind weſentlich
Ordnungen einer Vielheit und wir müßten dieſe durch Zahl ausdrücken
können, wenn wir ſie gänzlich erkannt hätten; aber auf ſolchen Ordnungen
beruhen auch unendlich viele andere Erſcheinungen, welche zwar durch und
durch Form ſind, aber nicht in der Weiſe des Geiſtes. Nun aber iſt der
große Unterſchied zwiſchen den andern Geſtalten des Geiſtes und dem Ge-
fühle der, daß jene durch klare Scheidung zwiſchen Subject und Object
beſtimmten, ſagbaren Inhalt haben, dieſes aber, weil ihm jene Scheidung
abgeht, nicht. Wir haben es daher nur faſſen können als ein dunkles
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 821. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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