diese Geistesform bildet. Diese Seite der Vergleichung führt nun aber auch zu dem, was das Gefühl trotz seinem Dunkel, ja eben durch dasselbe vor dem Bewußtsein an Tiefe voraus hat. Es ist in der Psychologie oft be- merkt, daß die Wahrnehmungen des Gesichtsinns vergleichungsweise gleich- gültig seien, daß Formen und Farbenverhältnisse niemals mit der persön- lichen Affection aufgenommen werden, wie die Verhältnisse, die von jenen dunkleren Sinnen ergriffen werden; so ist nun auch das geistige Analogon des Gesichtsinns, das Bewußtsein, gleichgültig. Das Gefühl dagegen ist der Moment, wo der Gegenstand schlechthin verinnerlicht, zu dem Meinigen, zu meiner eigenen, innersten Bewegung wird; sein Wesen ist die absolute Theilnahme an den Dingen, oder vielmehr das absolute Umsetzen der Dinge in das Selbst, dieß reine Zusammenschießen beider in Eines, das ein bewegtes Ich ist, das "Zurückschlingen der Welt in das Herz." Was an objectiver Klarheit verloren ist, ist an absoluter Innigkeit gewonnen; die ganze Welt geht ein in das Innere, wird dieser einfache, ideale, oscillirende Punct. Vergleichen wir nun diesen Act der unendlichen Verinnerlichung mit dem Selbstbewußtsein in seinem strengen Unterschiede vom bloßen Bewußtsein, so ergibt sich zunächst, daß das Gefühl auf gleicher Höhe mit demselben steht, sofern in beiden die äußere Antithese verschwunden, Subject und Object in Eins zusammengefaßt sind, das Außereinander der Dinge zum einfachen reinen Insichsein eingekehrt ist. Das Selbstbewußtsein aber ist in diesem Insichsein zugleich klare Scheidung und ebenso klare Einigung des Geschiedenen, daher der große Ausgangspunct, von dem jene weitere Scheidung beginnt, in welcher an die Stelle des Objects, wie es nur das sich entgegentretende Subject selbst ist, das wirkliche, äußere Object tritt, um in das Subject so verarbeitet zu werden, daß dieses nun auch in der erschlossenen realen Welt sein Gegenbild erkennt und zugleich im Handeln sich selbst erschließt und zur Objectivität expandirt. Nach dieser Seite mit dem Selbstbewußtsein verglichen erscheint nun das Gefühl dunkel wie in Vergleichung mit dem Bewußtsein: es fehlt ihm nicht nur die Klarheit der unterscheidenden Gegenüberstellung des gegebenen äußeren Objects, welche diesem, sondern auch die das Ich in sich scheidende Reflexion, die jenem eigen ist. Es steht jedoch an der Schwelle der letzteren; wir werden dieß aus dem wesentlichen Grundgegensatz erkennen, der seine innern Bewegungen bestimmt und von dem hier nur so viel schon hervorzuheben ist: der Lust und Unlust liegt eine Setzung und Negation des Subjects zu Grunde, ein Analogon von Ich und Nicht-Ich, denn in der Lust fühle ich mich positiv bestätigt und gefördert, in der Unlust erwehrt sich das Ich seiner selbst, wie es gegen seine Lebensbedingungen bestimmt, in seinem Wesen verneint ist. Es fehlt das volle Licht der gewußten inneren Scheidung in diesem Prozesse, aber er ist der wiewohl noch weiche Keim derselben, ihr Anreiz und Vorbote,
dieſe Geiſtesform bildet. Dieſe Seite der Vergleichung führt nun aber auch zu dem, was das Gefühl trotz ſeinem Dunkel, ja eben durch daſſelbe vor dem Bewußtſein an Tiefe voraus hat. Es iſt in der Pſychologie oft be- merkt, daß die Wahrnehmungen des Geſichtſinns vergleichungsweiſe gleich- gültig ſeien, daß Formen und Farbenverhältniſſe niemals mit der perſön- lichen Affection aufgenommen werden, wie die Verhältniſſe, die von jenen dunkleren Sinnen ergriffen werden; ſo iſt nun auch das geiſtige Analogon des Geſichtſinns, das Bewußtſein, gleichgültig. Das Gefühl dagegen iſt der Moment, wo der Gegenſtand ſchlechthin verinnerlicht, zu dem Meinigen, zu meiner eigenen, innerſten Bewegung wird; ſein Weſen iſt die abſolute Theilnahme an den Dingen, oder vielmehr das abſolute Umſetzen der Dinge in das Selbſt, dieß reine Zuſammenſchießen beider in Eines, das ein bewegtes Ich iſt, das „Zurückſchlingen der Welt in das Herz.“ Was an objectiver Klarheit verloren iſt, iſt an abſoluter Innigkeit gewonnen; die ganze Welt geht ein in das Innere, wird dieſer einfache, ideale, oſcillirende Punct. Vergleichen wir nun dieſen Act der unendlichen Verinnerlichung mit dem Selbſtbewußtſein in ſeinem ſtrengen Unterſchiede vom bloßen Bewußtſein, ſo ergibt ſich zunächſt, daß das Gefühl auf gleicher Höhe mit demſelben ſteht, ſofern in beiden die äußere Antitheſe verſchwunden, Subject und Object in Eins zuſammengefaßt ſind, das Außereinander der Dinge zum einfachen reinen Inſichſein eingekehrt iſt. Das Selbſtbewußtſein aber iſt in dieſem Inſichſein zugleich klare Scheidung und ebenſo klare Einigung des Geſchiedenen, daher der große Ausgangspunct, von dem jene weitere Scheidung beginnt, in welcher an die Stelle des Objects, wie es nur das ſich entgegentretende Subject ſelbſt iſt, das wirkliche, äußere Object tritt, um in das Subject ſo verarbeitet zu werden, daß dieſes nun auch in der erſchloſſenen realen Welt ſein Gegenbild erkennt und zugleich im Handeln ſich ſelbſt erſchließt und zur Objectivität expandirt. Nach dieſer Seite mit dem Selbſtbewußtſein verglichen erſcheint nun das Gefühl dunkel wie in Vergleichung mit dem Bewußtſein: es fehlt ihm nicht nur die Klarheit der unterſcheidenden Gegenüberſtellung des gegebenen äußeren Objects, welche dieſem, ſondern auch die das Ich in ſich ſcheidende Reflexion, die jenem eigen iſt. Es ſteht jedoch an der Schwelle der letzteren; wir werden dieß aus dem weſentlichen Grundgegenſatz erkennen, der ſeine innern Bewegungen beſtimmt und von dem hier nur ſo viel ſchon hervorzuheben iſt: der Luſt und Unluſt liegt eine Setzung und Negation des Subjects zu Grunde, ein Analogon von Ich und Nicht-Ich, denn in der Luſt fühle ich mich poſitiv beſtätigt und gefördert, in der Unluſt erwehrt ſich das Ich ſeiner ſelbſt, wie es gegen ſeine Lebensbedingungen beſtimmt, in ſeinem Weſen verneint iſt. Es fehlt das volle Licht der gewußten inneren Scheidung in dieſem Prozeſſe, aber er iſt der wiewohl noch weiche Keim derſelben, ihr Anreiz und Vorbote,
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dieſe Geiſtesform bildet. Dieſe Seite der Vergleichung führt nun aber auch
zu dem, was das Gefühl trotz ſeinem Dunkel, ja eben durch daſſelbe vor
dem Bewußtſein an Tiefe voraus hat. Es iſt in der Pſychologie oft be-
merkt, daß die Wahrnehmungen des Geſichtſinns vergleichungsweiſe gleich-
gültig ſeien, daß Formen und Farbenverhältniſſe niemals mit der perſön-
lichen Affection aufgenommen werden, wie die Verhältniſſe, die von jenen
dunkleren Sinnen ergriffen werden; ſo iſt nun auch das geiſtige Analogon
des Geſichtſinns, das Bewußtſein, gleichgültig. Das Gefühl dagegen iſt
der Moment, wo der Gegenſtand ſchlechthin verinnerlicht, zu dem Meinigen,
zu meiner eigenen, innerſten Bewegung wird; ſein Weſen iſt die abſolute
Theilnahme an den Dingen, oder vielmehr das abſolute Umſetzen der Dinge
in das Selbſt, dieß reine Zuſammenſchießen beider in Eines, das ein
bewegtes Ich iſt, das „Zurückſchlingen der Welt in das Herz.“ Was an
objectiver Klarheit verloren iſt, iſt an abſoluter Innigkeit gewonnen; die
ganze Welt geht ein in das Innere, wird dieſer einfache, ideale, oſcillirende
Punct. Vergleichen wir nun dieſen Act der unendlichen Verinnerlichung
mit dem Selbſtbewußtſein in ſeinem ſtrengen Unterſchiede vom bloßen
Bewußtſein, ſo ergibt ſich zunächſt, daß das Gefühl auf gleicher Höhe mit
demſelben ſteht, ſofern in beiden die äußere Antitheſe verſchwunden, Subject
und Object in Eins zuſammengefaßt ſind, das Außereinander der Dinge
zum einfachen reinen Inſichſein eingekehrt iſt. Das Selbſtbewußtſein aber
iſt in dieſem Inſichſein zugleich klare Scheidung und ebenſo klare Einigung
des Geſchiedenen, daher der große Ausgangspunct, von dem jene weitere
Scheidung beginnt, in welcher an die Stelle des Objects, wie es nur das
ſich entgegentretende Subject ſelbſt iſt, das wirkliche, äußere Object tritt,
um in das Subject ſo verarbeitet zu werden, daß dieſes nun auch in der
erſchloſſenen realen Welt ſein Gegenbild erkennt und zugleich im Handeln
ſich ſelbſt erſchließt und zur Objectivität expandirt. Nach dieſer Seite mit
dem Selbſtbewußtſein verglichen erſcheint nun das Gefühl dunkel wie in
Vergleichung mit dem Bewußtſein: es fehlt ihm nicht nur die Klarheit der
unterſcheidenden Gegenüberſtellung des gegebenen äußeren Objects, welche
dieſem, ſondern auch die das Ich in ſich ſcheidende Reflexion, die jenem
eigen iſt. Es ſteht jedoch an der Schwelle der letzteren; wir werden dieß
aus dem weſentlichen Grundgegenſatz erkennen, der ſeine innern Bewegungen
beſtimmt und von dem hier nur ſo viel ſchon hervorzuheben iſt: der Luſt
und Unluſt liegt eine Setzung und Negation des Subjects zu Grunde, ein
Analogon von Ich und Nicht-Ich, denn in der Luſt fühle ich mich poſitiv
beſtätigt und gefördert, in der Unluſt erwehrt ſich das Ich ſeiner ſelbſt, wie
es gegen ſeine Lebensbedingungen beſtimmt, in ſeinem Weſen verneint iſt.
Es fehlt das volle Licht der gewußten inneren Scheidung in dieſem Prozeſſe,
aber er iſt der wiewohl noch weiche Keim derſelben, ihr Anreiz und Vorbote,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,4. Stuttgart, 1857, S. 784. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030204_1857/22>, abgerufen am 24.11.2024.
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