ferner ist der Holzschnitt ja auch nachbildend, er copirt Gemälde, Tusch- zeichnungen u. s. w.: hier verlangt er ebenfalls das reproductive Talent für die schwierige Uebersetzung in ein fremdes Material, das eine andere Sprache, einen andern Vortrag fordert; allein die Trennung ist möglich, das Un- mittelbare, was warm aus dem Geiste kommt, wirft sich rasch, handmäßig im Zeichnungs-Charakter auf das Holz, überläßt das Weitere der Aus- führung, die nun zwar auch noch Sinn und Empfindung fordert, aber doch schon näher am bloßen Handwerk steht, und dann dient der Holzschnitt vorzüglich der augenblicklichen Erfindung, die ihren Gedanken weniger ausführen, als schnell mittheilen will, der geistreichen momentanen Wir- kung, der Caricatur, der Illustration; der Bund mit dem Buchdruck ist hier besonders naturgemäß und so die reichste Vermittlung mit dem Leben begründet. -- Die andere dieser rascheren, leichteren Formen ist der Stein- druck. Sie strebt allerdings ungleich mehr zur malerischen Ausführung und zwar auch ganz abgesehen von den Nachahmungen der Methoden, die eigentlich anderes Material voraussetzen, des Stichs, des Radirens, der Tuschmanier durch das sogenannte Spritzen u. s. w.: Uebertragungen, von denen wir Umgang nehmen, um bei dem zu verbleiben, was der Lithographie einzig natürlich ist, der Manier der Kreidezeichnung. Hier fühlt sich nun die Natur des Steins durch: das Körnige, korn-artig Rauhe, woran die Kreide in wolligem Strich ihre Theile abläßt. Die flockigen Linien lassen jede Art von Schwäche und Kraft des Drucks zu, fließen unmerklich in einander, nähern sich so dem Flüssigen und gestatten alle die feinen Ueber- gänge und Töne, welche die Haltung des malerischen Styls mit sich bringt und worin die Textur der Stoffe, selbst die Farbe sich andeuten läßt. Dafür fällt nun aber die Schärfe des Schnitts und Stichs, die Präcision der Linie weg, nicht nur wie sie dem Metalle, sondern auch wie sie dem Holz abgewonnen wird. Es ist kein eigentliches Vermählen mit dem Material, nur ein Hauch, ein Schatten, der darüber geworfen ist; es gibt so, wie es einen Kupferstecher und Formschneider gibt, keinen Li- thographen, da der Künstler, sei er nun erfindender Meister oder bilde er nur die Erfindung eines Andern nach, leicht wie auf Papier zeichnet und dann nur noch die chemische Behandlung des leeren Theils der Fläche und hierauf der Abdruck folgt; es bildet sich also hier keine besondere Form beseelter Technik, sondern eben die künstlerische Technik, die auch außer diesen vervielfältigenden Künsten thätig ist, mag sie productiv oder nachbildend sein, die Kreidezeichnung nämlich, arbeitet hier für die Vervielfältigung. Dieses Wegfallen des Kampfes mit dem Materiale, diese Losheit gibt der Litho- graphie eine gewisse Leere, man hat ein Gefühl des mangelnden Bandes, worin zugleich das Kalte und Todte des Steins empfunden wird. So bedeutend die Mittel einer malerischen Darstellung sind, über die sie verfügt, so thut
ferner iſt der Holzſchnitt ja auch nachbildend, er copirt Gemälde, Tuſch- zeichnungen u. ſ. w.: hier verlangt er ebenfalls das reproductive Talent für die ſchwierige Ueberſetzung in ein fremdes Material, das eine andere Sprache, einen andern Vortrag fordert; allein die Trennung iſt möglich, das Un- mittelbare, was warm aus dem Geiſte kommt, wirft ſich raſch, handmäßig im Zeichnungs-Charakter auf das Holz, überläßt das Weitere der Aus- führung, die nun zwar auch noch Sinn und Empfindung fordert, aber doch ſchon näher am bloßen Handwerk ſteht, und dann dient der Holzſchnitt vorzüglich der augenblicklichen Erfindung, die ihren Gedanken weniger ausführen, als ſchnell mittheilen will, der geiſtreichen momentanen Wir- kung, der Caricatur, der Illuſtration; der Bund mit dem Buchdruck iſt hier beſonders naturgemäß und ſo die reichſte Vermittlung mit dem Leben begründet. — Die andere dieſer raſcheren, leichteren Formen iſt der Stein- druck. Sie ſtrebt allerdings ungleich mehr zur maleriſchen Ausführung und zwar auch ganz abgeſehen von den Nachahmungen der Methoden, die eigentlich anderes Material vorausſetzen, des Stichs, des Radirens, der Tuſchmanier durch das ſogenannte Spritzen u. ſ. w.: Uebertragungen, von denen wir Umgang nehmen, um bei dem zu verbleiben, was der Lithographie einzig natürlich iſt, der Manier der Kreidezeichnung. Hier fühlt ſich nun die Natur des Steins durch: das Körnige, korn-artig Rauhe, woran die Kreide in wolligem Strich ihre Theile abläßt. Die flockigen Linien laſſen jede Art von Schwäche und Kraft des Drucks zu, fließen unmerklich in einander, nähern ſich ſo dem Flüſſigen und geſtatten alle die feinen Ueber- gänge und Töne, welche die Haltung des maleriſchen Styls mit ſich bringt und worin die Textur der Stoffe, ſelbſt die Farbe ſich andeuten läßt. Dafür fällt nun aber die Schärfe des Schnitts und Stichs, die Präciſion der Linie weg, nicht nur wie ſie dem Metalle, ſondern auch wie ſie dem Holz abgewonnen wird. Es iſt kein eigentliches Vermählen mit dem Material, nur ein Hauch, ein Schatten, der darüber geworfen iſt; es gibt ſo, wie es einen Kupferſtecher und Formſchneider gibt, keinen Li- thographen, da der Künſtler, ſei er nun erfindender Meiſter oder bilde er nur die Erfindung eines Andern nach, leicht wie auf Papier zeichnet und dann nur noch die chemiſche Behandlung des leeren Theils der Fläche und hierauf der Abdruck folgt; es bildet ſich alſo hier keine beſondere Form beſeelter Technik, ſondern eben die künſtleriſche Technik, die auch außer dieſen vervielfältigenden Künſten thätig iſt, mag ſie productiv oder nachbildend ſein, die Kreidezeichnung nämlich, arbeitet hier für die Vervielfältigung. Dieſes Wegfallen des Kampfes mit dem Materiale, dieſe Losheit gibt der Litho- graphie eine gewiſſe Leere, man hat ein Gefühl des mangelnden Bandes, worin zugleich das Kalte und Todte des Steins empfunden wird. So bedeutend die Mittel einer maleriſchen Darſtellung ſind, über die ſie verfügt, ſo thut
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ferner iſt der Holzſchnitt ja auch nachbildend, er copirt Gemälde, Tuſch-
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die ſchwierige Ueberſetzung in ein fremdes Material, das eine andere Sprache,
einen andern Vortrag fordert; allein die Trennung iſt möglich, das Un-
mittelbare, was warm aus dem Geiſte kommt, wirft ſich raſch, handmäßig
im Zeichnungs-Charakter auf das Holz, überläßt das Weitere der Aus-
führung, die nun zwar auch noch Sinn und Empfindung fordert, aber doch
ſchon näher am bloßen Handwerk ſteht, und dann dient der Holzſchnitt
vorzüglich der augenblicklichen Erfindung, die ihren Gedanken weniger
ausführen, als ſchnell mittheilen will, der geiſtreichen momentanen Wir-
kung, der Caricatur, der Illuſtration; der Bund mit dem Buchdruck iſt
hier beſonders naturgemäß und ſo die reichſte Vermittlung mit dem Leben
begründet. — Die andere dieſer raſcheren, leichteren Formen iſt der Stein-
druck. Sie ſtrebt allerdings ungleich mehr zur maleriſchen Ausführung
und zwar auch ganz abgeſehen von den Nachahmungen der Methoden, die
eigentlich anderes Material vorausſetzen, des Stichs, des Radirens, der
Tuſchmanier durch das ſogenannte Spritzen u. ſ. w.: Uebertragungen, von
denen wir Umgang nehmen, um bei dem zu verbleiben, was der Lithographie
einzig natürlich iſt, der Manier der Kreidezeichnung. Hier fühlt ſich nun
die Natur des Steins durch: das Körnige, korn-artig Rauhe, woran die
Kreide in wolligem Strich ihre Theile abläßt. Die flockigen Linien laſſen
jede Art von Schwäche und Kraft des Drucks zu, fließen unmerklich in
einander, nähern ſich ſo dem Flüſſigen und geſtatten alle die feinen Ueber-
gänge und Töne, welche die Haltung des maleriſchen Styls mit ſich
bringt und worin die Textur der Stoffe, ſelbſt die Farbe ſich andeuten
läßt. Dafür fällt nun aber die Schärfe des Schnitts und Stichs, die
Präciſion der Linie weg, nicht nur wie ſie dem Metalle, ſondern auch wie
ſie dem Holz abgewonnen wird. Es iſt kein eigentliches Vermählen mit
dem Material, nur ein Hauch, ein Schatten, der darüber geworfen iſt;
es gibt ſo, wie es einen Kupferſtecher und Formſchneider gibt, keinen Li-
thographen, da der Künſtler, ſei er nun erfindender Meiſter oder bilde
er nur die Erfindung eines Andern nach, leicht wie auf Papier zeichnet
und dann nur noch die chemiſche Behandlung des leeren Theils der Fläche
und hierauf der Abdruck folgt; es bildet ſich alſo hier keine beſondere
Form beſeelter Technik, ſondern eben die künſtleriſche Technik, die auch außer
dieſen vervielfältigenden Künſten thätig iſt, mag ſie productiv oder nachbildend
ſein, die Kreidezeichnung nämlich, arbeitet hier für die Vervielfältigung. Dieſes
Wegfallen des Kampfes mit dem Materiale, dieſe Losheit gibt der Litho-
graphie eine gewiſſe Leere, man hat ein Gefühl des mangelnden Bandes,
worin zugleich das Kalte und Todte des Steins empfunden wird. So bedeutend
die Mittel einer maleriſchen Darſtellung ſind, über die ſie verfügt, ſo thut
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,3. Stuttgart, 1854, S. 767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030203_1854/275>, abgerufen am 05.07.2024.
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