bindung mit einem Gebäude erhöht oder, als Relief, enger an dessen Fläche geheftet ist, muß es durch eine eigene Basis über den gemeinen Boden emporgehoben werden. Allein dieser einfache, sparsam gegliederte und verzierte Würfel ist doch nicht blos ein Mittel der Erhöhung, der Trennung vom Empirischen; er ist ein Stück Boden, eine künstliche Ab- breviatur des allgemeinen Bodens, die auch darum nicht fehlen darf, weil ja sonst jene Gewichtigkeit und freie Schwere, die wir ebenfalls vom Sculpturbilde ausgesagt, gar keine Unterlage hätte, gegen welche gestemmt sie sich geltend machen könnte. Es wird sich diese Bedeutung des Posta- ments noch bestimmter erweisen, wenn wir Andeutungen der Landschaft werden hinzutreten sehen. Damit ist jener tiefere Sinn nicht aufgehoben, den wir in der "Raumlosigkeit" des Bildwerks §. 606 fanden; das Posta- ment darf durchaus nicht in der Weise naturalistisch ausgeführt werden, daß es an die Continuität des allgemeinen Raums erinnert, wodurch die Gestalt, die darauf steht, zu einem von umgebender Natur abhängigen bedingten Einzelwesen würde; es muß wesentlich anspruchlos, darf nichts für sich sein und es bleibt daher bei jenem Begriffe der Totalität, wo- nach die Gestalt ihrem reinsten idealen Wesen nach auch den Raum in sich selbst trägt; es liegt hier einer jener heitern Widersprüche der Phan- tasie vor, vermöge deren einem Geschöpfe des Geistes ein schwacher Schatten dessen, was in ihm an sich aufgehoben, resorbirt ist, doch wie- der äußerlich hinzugefügt wird. Was die Größenverhältnisse der Basis betrifft, so sind sie natürlich ganz relativ; im Allgemeinen läßt sich nur feststellen: es soll nicht zu niedrig sein, sonst hebt sich das Bildwerk nicht gehörig vom empirischen Boden und von den auf ihm wandelnden empirischen Menschen ab; nicht zu hoch, sonst entrückt es die Gestalt in schattenhafte Ferne der Undeutlichkeit, verkürzt sie zu falschen Verhält- nissen, läßt sie zu klein erscheinen. Es kann sich aber das Postament auch zu einer Gliederung entwickeln, welche sich dem Architekturwerke nähert; in Abstufungen nimmt es dann untergeordnete Bildwerke auf, welche auf das oberste als Zielpunct des Ganzen vorbereiten. Es bildet sich so eine cyklische, episch reiche Composition wie an dem herrlichen Friederichs-Denkmal in Berlin. -- Allein es handelt sich noch um eine andere Form, in welcher die Reminiscenz einer umgebenden Welt dem, doch in sich totalen, Werke der Bildnerkunst anhängt; als Postament ist diese Reminiscenz vom Künstler selbst ihm beigegeben, jetzt erscheint sie in Form äußeren Hinzutretens. Die Bildnerkunst theilt mit der Baukunst noch die sehr bestimmte Abhängigkeit von einem gegebenen Raume (vergl. §. 560); wie ihr Werk sich ausnimmt, hängt ganz von der Stelle ab, wo es steht. Die Umgebung kann für das Bildwerk selbst wieder eine architek- tonische sein und ist es in den meisten Fällen gemäß jenem tiefen innern
bindung mit einem Gebäude erhöht oder, als Relief, enger an deſſen Fläche geheftet iſt, muß es durch eine eigene Baſis über den gemeinen Boden emporgehoben werden. Allein dieſer einfache, ſparſam gegliederte und verzierte Würfel iſt doch nicht blos ein Mittel der Erhöhung, der Trennung vom Empiriſchen; er iſt ein Stück Boden, eine künſtliche Ab- breviatur des allgemeinen Bodens, die auch darum nicht fehlen darf, weil ja ſonſt jene Gewichtigkeit und freie Schwere, die wir ebenfalls vom Sculpturbilde ausgeſagt, gar keine Unterlage hätte, gegen welche geſtemmt ſie ſich geltend machen könnte. Es wird ſich dieſe Bedeutung des Poſta- ments noch beſtimmter erweiſen, wenn wir Andeutungen der Landſchaft werden hinzutreten ſehen. Damit iſt jener tiefere Sinn nicht aufgehoben, den wir in der „Raumloſigkeit“ des Bildwerks §. 606 fanden; das Poſta- ment darf durchaus nicht in der Weiſe naturaliſtiſch ausgeführt werden, daß es an die Continuität des allgemeinen Raums erinnert, wodurch die Geſtalt, die darauf ſteht, zu einem von umgebender Natur abhängigen bedingten Einzelweſen würde; es muß weſentlich anſpruchlos, darf nichts für ſich ſein und es bleibt daher bei jenem Begriffe der Totalität, wo- nach die Geſtalt ihrem reinſten idealen Weſen nach auch den Raum in ſich ſelbſt trägt; es liegt hier einer jener heitern Widerſprüche der Phan- taſie vor, vermöge deren einem Geſchöpfe des Geiſtes ein ſchwacher Schatten deſſen, was in ihm an ſich aufgehoben, reſorbirt iſt, doch wie- der äußerlich hinzugefügt wird. Was die Größenverhältniſſe der Baſis betrifft, ſo ſind ſie natürlich ganz relativ; im Allgemeinen läßt ſich nur feſtſtellen: es ſoll nicht zu niedrig ſein, ſonſt hebt ſich das Bildwerk nicht gehörig vom empiriſchen Boden und von den auf ihm wandelnden empiriſchen Menſchen ab; nicht zu hoch, ſonſt entrückt es die Geſtalt in ſchattenhafte Ferne der Undeutlichkeit, verkürzt ſie zu falſchen Verhält- niſſen, läßt ſie zu klein erſcheinen. Es kann ſich aber das Poſtament auch zu einer Gliederung entwickeln, welche ſich dem Architekturwerke nähert; in Abſtufungen nimmt es dann untergeordnete Bildwerke auf, welche auf das oberſte als Zielpunct des Ganzen vorbereiten. Es bildet ſich ſo eine cykliſche, epiſch reiche Compoſition wie an dem herrlichen Friederichs-Denkmal in Berlin. — Allein es handelt ſich noch um eine andere Form, in welcher die Reminiſcenz einer umgebenden Welt dem, doch in ſich totalen, Werke der Bildnerkunſt anhängt; als Poſtament iſt dieſe Reminiſcenz vom Künſtler ſelbſt ihm beigegeben, jetzt erſcheint ſie in Form äußeren Hinzutretens. Die Bildnerkunſt theilt mit der Baukunſt noch die ſehr beſtimmte Abhängigkeit von einem gegebenen Raume (vergl. §. 560); wie ihr Werk ſich ausnimmt, hängt ganz von der Stelle ab, wo es ſteht. Die Umgebung kann für das Bildwerk ſelbſt wieder eine architek- toniſche ſein und iſt es in den meiſten Fällen gemäß jenem tiefen innern
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[385/0059]
bindung mit einem Gebäude erhöht oder, als Relief, enger an deſſen
Fläche geheftet iſt, muß es durch eine eigene Baſis über den gemeinen
Boden emporgehoben werden. Allein dieſer einfache, ſparſam gegliederte
und verzierte Würfel iſt doch nicht blos ein Mittel der Erhöhung, der
Trennung vom Empiriſchen; er iſt ein Stück Boden, eine künſtliche Ab-
breviatur des allgemeinen Bodens, die auch darum nicht fehlen darf,
weil ja ſonſt jene Gewichtigkeit und freie Schwere, die wir ebenfalls vom
Sculpturbilde ausgeſagt, gar keine Unterlage hätte, gegen welche geſtemmt
ſie ſich geltend machen könnte. Es wird ſich dieſe Bedeutung des Poſta-
ments noch beſtimmter erweiſen, wenn wir Andeutungen der Landſchaft
werden hinzutreten ſehen. Damit iſt jener tiefere Sinn nicht aufgehoben,
den wir in der „Raumloſigkeit“ des Bildwerks §. 606 fanden; das Poſta-
ment darf durchaus nicht in der Weiſe naturaliſtiſch ausgeführt werden,
daß es an die Continuität des allgemeinen Raums erinnert, wodurch die
Geſtalt, die darauf ſteht, zu einem von umgebender Natur abhängigen
bedingten Einzelweſen würde; es muß weſentlich anſpruchlos, darf nichts
für ſich ſein und es bleibt daher bei jenem Begriffe der Totalität, wo-
nach die Geſtalt ihrem reinſten idealen Weſen nach auch den Raum in
ſich ſelbſt trägt; es liegt hier einer jener heitern Widerſprüche der Phan-
taſie vor, vermöge deren einem Geſchöpfe des Geiſtes ein ſchwacher
Schatten deſſen, was in ihm an ſich aufgehoben, reſorbirt iſt, doch wie-
der äußerlich hinzugefügt wird. Was die Größenverhältniſſe der Baſis
betrifft, ſo ſind ſie natürlich ganz relativ; im Allgemeinen läßt ſich nur
feſtſtellen: es ſoll nicht zu niedrig ſein, ſonſt hebt ſich das Bildwerk
nicht gehörig vom empiriſchen Boden und von den auf ihm wandelnden
empiriſchen Menſchen ab; nicht zu hoch, ſonſt entrückt es die Geſtalt in
ſchattenhafte Ferne der Undeutlichkeit, verkürzt ſie zu falſchen Verhält-
niſſen, läßt ſie zu klein erſcheinen. Es kann ſich aber das Poſtament
auch zu einer Gliederung entwickeln, welche ſich dem Architekturwerke
nähert; in Abſtufungen nimmt es dann untergeordnete Bildwerke auf,
welche auf das oberſte als Zielpunct des Ganzen vorbereiten. Es bildet
ſich ſo eine cykliſche, epiſch reiche Compoſition wie an dem herrlichen
Friederichs-Denkmal in Berlin. — Allein es handelt ſich noch um eine
andere Form, in welcher die Reminiſcenz einer umgebenden Welt dem,
doch in ſich totalen, Werke der Bildnerkunſt anhängt; als Poſtament iſt
dieſe Reminiſcenz vom Künſtler ſelbſt ihm beigegeben, jetzt erſcheint ſie in
Form äußeren Hinzutretens. Die Bildnerkunſt theilt mit der Baukunſt
noch die ſehr beſtimmte Abhängigkeit von einem gegebenen Raume (vergl.
§. 560); wie ihr Werk ſich ausnimmt, hängt ganz von der Stelle ab, wo es
ſteht. Die Umgebung kann für das Bildwerk ſelbſt wieder eine architek-
toniſche ſein und iſt es in den meiſten Fällen gemäß jenem tiefen innern
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,2. Stuttgart, 1853, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030202_1853/59>, abgerufen am 30.07.2024.
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