Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.
mit der geschlossenen Facade und der Wölbung bestand und nun wieder g. Die moderne Baukunst. §. 595. 1. Ein phantasiereiches Verzierungssystem verdrängt in Italien wieder jene 1. Der erste Theil des §. umfaßt das Reformationszeitalter und die
mit der geſchloſſenen Façade und der Wölbung beſtand und nun wieder γ. Die moderne Baukunſt. §. 595. 1. Ein phantaſiereiches Verzierungsſyſtem verdrängt in Italien wieder jene 1. Der erſte Theil des §. umfaßt das Reformationszeitalter und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0166" n="326"/> mit der geſchloſſenen Fa<hi rendition="#aq">ç</hi>ade und der Wölbung beſtand und nun wieder<lb/> zu Ehren kommt, nur zwiſchen der Form und dem eigentlichen Bau- und<lb/> Wohn-Bedürfniß. Es iſt übrigens Ausdruck des neuen Zuges zur Wirk-<lb/> lichkeit, daß dieſer erneuerte antike Styl ebenſo bedeutend in einem Reich-<lb/> thum neuer öffentlicher und Privat-Paläſte, als an Kirchen, hervortritt.<lb/> Im Mittelalter wie im Alterthum ging der Styl vom Tempel aus und<lb/> zog die übrigen Zweige nach; jetzt hört der religiöſe Bau auf, ſtylbildend,<lb/> maaßgebend zu ſein.</hi> </p> </div> </div> </div><lb/> <div n="6"> <head><hi rendition="#i">γ.</hi><hi rendition="#g">Die moderne Baukunſt</hi>.</head><lb/> <div n="7"> <head>§. 595.</head><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#fr">1.</hi> </note> <p> <hi rendition="#fr">Ein phantaſiereiches Verzierungsſyſtem verdrängt in Italien wieder jene<lb/> nüchterne Nachahmung, geht in ein leidenſchaftliches, gewaltſames Formenſpiel<lb/> und von da in vollendete, aufgeregt empfindſame, aller ſtructiven Geſetze ſpottende,<lb/> üppige und durchaus ſchnörkelhafte Manier über (vergl. §. 473). Dieſe ver-<lb/> pflanzt ſich zu den nordiſchen Völkern, die bis dahin die erneuerte claſſiſche<lb/> Form mit Reſten der gothiſchen in charakteriſtiſcher Weiſe gemiſcht haben, und<lb/><note place="left">2.</note>beherrſcht von Frankreich aus die Welt (vergl. §. 370 ff. und 476). Nach-<lb/> dem die Revolution des Lebens und der Phantaſie dieſem Unweſen ein Ende<lb/> gemacht hat, vermag jedoch auch der geläuterte moderne Geiſt auf dem Gebiete<lb/> der Baukunſt nicht ſchöpferiſch zu werden, ſondern nur die dageweſenen Style<lb/> in ihrer Reinheit nachzubilden. Die Erzeugung eines dem Weſen des modernen<lb/> Ideals (vergl. §. 467) entſprechenden neuen Styls hängt von den Bedingungen<lb/> ab, die ſich aus §. 577 ergeben.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Der erſte Theil des §. umfaßt das Reformationszeitalter und die<lb/> Zeit bis zu dem Zuſtande, den der zweite Theil unſeres Syſtems als<lb/> Mitte des Modernen in der äſthetiſchen Phyſiognomik der Geſchichte und<lb/> in der Geſchichte der Phantaſie aufſtellt: vom ſechzehnten bis tief in’s<lb/> achtzehnte Jahrhundert. In Italien gibt ſich das raſchere, feurige Ge-<lb/> fühl, das allenthalben erwacht, ſeinen architektoniſchen Ausdruck vorerſt in<lb/> brillanter Neubelebung des nüchtern gewordenen Renaiſſance-Styls, edler,<lb/> reicher Glieder- und Ornamentfülle (Raphael, Sangallo u. And.); das<lb/> Wildere geht von einer mächtigen, aber gewaltſamen Perſönlichkeit, von<lb/> M. Angelo, aus: die Rieſen-Pilaſter und Gebälke, Verkröpfungen, das<lb/> Brechen und Einſchneiden der Giebel über Thür und Fenſter, der Anfang<lb/> des Schnörkels in geſchweiften, gerollten Verzierungen. Dieſe Erſcheinun-<lb/> gen, ſo wie den reinen Rokoko, der durch Bernini und Borromini, den<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0166]
mit der geſchloſſenen Façade und der Wölbung beſtand und nun wieder
zu Ehren kommt, nur zwiſchen der Form und dem eigentlichen Bau- und
Wohn-Bedürfniß. Es iſt übrigens Ausdruck des neuen Zuges zur Wirk-
lichkeit, daß dieſer erneuerte antike Styl ebenſo bedeutend in einem Reich-
thum neuer öffentlicher und Privat-Paläſte, als an Kirchen, hervortritt.
Im Mittelalter wie im Alterthum ging der Styl vom Tempel aus und
zog die übrigen Zweige nach; jetzt hört der religiöſe Bau auf, ſtylbildend,
maaßgebend zu ſein.
γ. Die moderne Baukunſt.
§. 595.
Ein phantaſiereiches Verzierungsſyſtem verdrängt in Italien wieder jene
nüchterne Nachahmung, geht in ein leidenſchaftliches, gewaltſames Formenſpiel
und von da in vollendete, aufgeregt empfindſame, aller ſtructiven Geſetze ſpottende,
üppige und durchaus ſchnörkelhafte Manier über (vergl. §. 473). Dieſe ver-
pflanzt ſich zu den nordiſchen Völkern, die bis dahin die erneuerte claſſiſche
Form mit Reſten der gothiſchen in charakteriſtiſcher Weiſe gemiſcht haben, und
beherrſcht von Frankreich aus die Welt (vergl. §. 370 ff. und 476). Nach-
dem die Revolution des Lebens und der Phantaſie dieſem Unweſen ein Ende
gemacht hat, vermag jedoch auch der geläuterte moderne Geiſt auf dem Gebiete
der Baukunſt nicht ſchöpferiſch zu werden, ſondern nur die dageweſenen Style
in ihrer Reinheit nachzubilden. Die Erzeugung eines dem Weſen des modernen
Ideals (vergl. §. 467) entſprechenden neuen Styls hängt von den Bedingungen
ab, die ſich aus §. 577 ergeben.
1. Der erſte Theil des §. umfaßt das Reformationszeitalter und die
Zeit bis zu dem Zuſtande, den der zweite Theil unſeres Syſtems als
Mitte des Modernen in der äſthetiſchen Phyſiognomik der Geſchichte und
in der Geſchichte der Phantaſie aufſtellt: vom ſechzehnten bis tief in’s
achtzehnte Jahrhundert. In Italien gibt ſich das raſchere, feurige Ge-
fühl, das allenthalben erwacht, ſeinen architektoniſchen Ausdruck vorerſt in
brillanter Neubelebung des nüchtern gewordenen Renaiſſance-Styls, edler,
reicher Glieder- und Ornamentfülle (Raphael, Sangallo u. And.); das
Wildere geht von einer mächtigen, aber gewaltſamen Perſönlichkeit, von
M. Angelo, aus: die Rieſen-Pilaſter und Gebälke, Verkröpfungen, das
Brechen und Einſchneiden der Giebel über Thür und Fenſter, der Anfang
des Schnörkels in geſchweiften, gerollten Verzierungen. Dieſe Erſcheinun-
gen, ſo wie den reinen Rokoko, der durch Bernini und Borromini, den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |