Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 3,2,1. Stuttgart, 1852.hoch. Den sächlichen Symbolen am nächsten stehen die thierischen Gebilde; hoch. Den ſächlichen Symbolen am nächſten ſtehen die thieriſchen Gebilde; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p> <pb facs="#f0110" n="270"/> <hi rendition="#et">hoch. Den ſächlichen Symbolen am nächſten ſtehen die thieriſchen Gebilde;<lb/> Thierglieder mit menſchlichen Gliedern verbunden zeigen den unvollendeten<lb/> Fortgang vom Symbol zum Mythus (vergl. §. 427). In feſter, raum-<lb/> erfüllender Form ausgeführt gehören ſolche Darſtellungen aber bereits der<lb/> Plaſtik an, ſofern nicht coloſſales Verhältniß, ſtreng meſſende, den Schein<lb/> individueller Belebung ausſcheidende Behandlung der Formen und reihen-<lb/> weiſe Aufſtellung ſie doch wieder zur Architektur herüberzieht; dieß eben<lb/> iſt aber der Fall bei jenen ungeheuern Elephanten, Stieren, Löwen In-<lb/> diens, den Sphinxen und Widdern Aegyptens. Man denke namentlich<lb/> an die coloſſale Sphinx bei Ghizeh; auch die reihenweiſe Aufſtellung<lb/> herrſcht beſonders im ägyptiſchen Tempelgebäude. Aber auch die rein<lb/> mythiſche, d. h. unvermiſcht menſchliche Göttergeſtalt wird unter dieſen<lb/> Bedingungen zu einem Werke, das zwiſchen Baukunſt und Sculptur<lb/> ſchwankt, wie die ungeheuern Memnonen Aegyptens. Hier geht jedoch<lb/> allerdings die ſculpturartige Architektur beſtimmt in die architekturartige<lb/> Sculptur über und wir werden den Faden in der Geſchichtsdarſtellung<lb/> der letztern Kunſt wieder aufzufaſſen haben. Die beliebte Verbindung der<lb/> Bildſäule mit dem Pfeiler oder wirkliche Function derſelben als Pfeiler<lb/> mag hier als Ausdruck eines Zuſammenklebens beider Künſte noch er-<lb/> wähnt werden. — Wo nun aber in dieſe unreife Baukunſt auch wirklich<lb/> die Theilung in ein Inneres und Aeußeres eingetreten iſt, ſetzt ſich den-<lb/> noch die Symbolik auch in dieſes Verhältniß fort und äußert ſich durch<lb/> alle Stufen, ſelbſt bis zur vollendetſten architektoniſchen Leiſtung der hier<lb/> zuſammengefaßten Völker, hindurch in einer auffallenden Kleinheit des<lb/> eingeſchloſſenen Raums im Verhältniß zur Größe und Ausführlichkeit des<lb/> Umfaſſenden, einem Mißverhältniß, das ebendaher rührt, daß das Letztere<lb/> auch abgeſehen von jenem, d. h. vom realen Bauzweck, noch für ſich ſym-<lb/> boliſch ſprechen will. Noch nicht im ſtrengen Sinne kann dieß ausgeſagt<lb/> werden von <hi rendition="#g">offenen</hi>, mit Umfaſſungen in geometriſcher Form umgebenen<lb/> Opferſtätten, die aber als uralte ſinnbildliche Baukunſt von Wichtigkeit<lb/> ſind: ſo jene über Nordamerika von Michigan bis zum Meerbuſen von<lb/> Mexiko zerſtreuten, aus Erde und Steinen aufgeworfenen heiligen Kreiſe,<lb/> Ovale, Vierecke, griechiſche Kreuze und andere Formen von Umwallungen,<lb/> die ſicher ſymboliſchen Sinn in ihrer Geſtalt an ſich trugen, gewiß aber<lb/> zugleich dem Gottesdienſte der Ureinwohner des Landes beſtimmt waren.<lb/> Sie ſind eng verwandt mit jenen Zuſammenſtellungen von Steinen in ein-<lb/> fachen Kreiſen oder Kreiſen in Kreiſen, auch im Viereck und in Parallel-<lb/> Linien, die in der Bretagne und in England von den alten Kelten (ſo<lb/> namentlich die Trümmer zu Carnac in der Bretagne und Stonehenge bei<lb/> Salisbury), aber auch in Skandinavien von Germanen errichtet ſind. Das<lb/> Offene ſolcher Raumeinfaſſenden Erhöhungen nähert ſie noch mehr den<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0110]
hoch. Den ſächlichen Symbolen am nächſten ſtehen die thieriſchen Gebilde;
Thierglieder mit menſchlichen Gliedern verbunden zeigen den unvollendeten
Fortgang vom Symbol zum Mythus (vergl. §. 427). In feſter, raum-
erfüllender Form ausgeführt gehören ſolche Darſtellungen aber bereits der
Plaſtik an, ſofern nicht coloſſales Verhältniß, ſtreng meſſende, den Schein
individueller Belebung ausſcheidende Behandlung der Formen und reihen-
weiſe Aufſtellung ſie doch wieder zur Architektur herüberzieht; dieß eben
iſt aber der Fall bei jenen ungeheuern Elephanten, Stieren, Löwen In-
diens, den Sphinxen und Widdern Aegyptens. Man denke namentlich
an die coloſſale Sphinx bei Ghizeh; auch die reihenweiſe Aufſtellung
herrſcht beſonders im ägyptiſchen Tempelgebäude. Aber auch die rein
mythiſche, d. h. unvermiſcht menſchliche Göttergeſtalt wird unter dieſen
Bedingungen zu einem Werke, das zwiſchen Baukunſt und Sculptur
ſchwankt, wie die ungeheuern Memnonen Aegyptens. Hier geht jedoch
allerdings die ſculpturartige Architektur beſtimmt in die architekturartige
Sculptur über und wir werden den Faden in der Geſchichtsdarſtellung
der letztern Kunſt wieder aufzufaſſen haben. Die beliebte Verbindung der
Bildſäule mit dem Pfeiler oder wirkliche Function derſelben als Pfeiler
mag hier als Ausdruck eines Zuſammenklebens beider Künſte noch er-
wähnt werden. — Wo nun aber in dieſe unreife Baukunſt auch wirklich
die Theilung in ein Inneres und Aeußeres eingetreten iſt, ſetzt ſich den-
noch die Symbolik auch in dieſes Verhältniß fort und äußert ſich durch
alle Stufen, ſelbſt bis zur vollendetſten architektoniſchen Leiſtung der hier
zuſammengefaßten Völker, hindurch in einer auffallenden Kleinheit des
eingeſchloſſenen Raums im Verhältniß zur Größe und Ausführlichkeit des
Umfaſſenden, einem Mißverhältniß, das ebendaher rührt, daß das Letztere
auch abgeſehen von jenem, d. h. vom realen Bauzweck, noch für ſich ſym-
boliſch ſprechen will. Noch nicht im ſtrengen Sinne kann dieß ausgeſagt
werden von offenen, mit Umfaſſungen in geometriſcher Form umgebenen
Opferſtätten, die aber als uralte ſinnbildliche Baukunſt von Wichtigkeit
ſind: ſo jene über Nordamerika von Michigan bis zum Meerbuſen von
Mexiko zerſtreuten, aus Erde und Steinen aufgeworfenen heiligen Kreiſe,
Ovale, Vierecke, griechiſche Kreuze und andere Formen von Umwallungen,
die ſicher ſymboliſchen Sinn in ihrer Geſtalt an ſich trugen, gewiß aber
zugleich dem Gottesdienſte der Ureinwohner des Landes beſtimmt waren.
Sie ſind eng verwandt mit jenen Zuſammenſtellungen von Steinen in ein-
fachen Kreiſen oder Kreiſen in Kreiſen, auch im Viereck und in Parallel-
Linien, die in der Bretagne und in England von den alten Kelten (ſo
namentlich die Trümmer zu Carnac in der Bretagne und Stonehenge bei
Salisbury), aber auch in Skandinavien von Germanen errichtet ſind. Das
Offene ſolcher Raumeinfaſſenden Erhöhungen nähert ſie noch mehr den
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