doch in ihrer Weise allerdings auch in das bewegte Gebiet der Kämpfe übergeht. So kann Raphael neben Mich. Angelo, Homer und Sophokles neben Aeschylus, R. Green neben Marlowe und Shakespear, Gotfr. von Straßburg neben Wolfr. v. Eschenbach, Göthe neben Schiller einfach schön heißen; und doch haben sie alle eine Welt von Kämpfen, von schnei- denden tragischen Momenten zur Darstellung gebracht. Die im strengsten Sinn einfach schöne Phantasie ist allerdings auf kampflos heitere, jugend- liche Gestalten, ruhige Landschaft, liebliches Genre u. s. w. angewiesen. Für die erhabene und komische Phantasie braucht es keiner Erläuterung, noch Anführung. Die erste nun findet in dem vorliegenden Eintheilungs- prinzip keinen Grund weiterer Unterschiedsbestimmung; wohl aber muß die erhabene und komische Phantasie in Unterarten zerfallen nach den verschiedenen Formen des Erhabenen und Komischen. Für das objectiv Erhabene ist eine Phantasie organisirt, welche colossale Naturscenen, wild bewegte Thier-Erscheinungen liebt; das Erhabene des Subjects gelingt manchem großen Charakterzeichner, der darum noch nicht ebenso zur Dar- stellung einer ganzen Handlung und ihres tragischen Gesetzes berufen ist, ja selbst die untergeordneten Formen dieser Sphäre haben wieder ihre besonderen Repräsentanten, wie denn z. B. ein Schauspieler für die polternde Lei- denschaft, ein anderer für Intriganten-, ein anderer für Helden-Rollen einseitig Talent hat. Wer aber zum Tragischen berufen ist, wird freilich auch des einfach Schönen und des Erhabenen des Subjects, nur nicht in gleich breiter Ausdehnung wenigstens des erstern, mächtig sein, es wäre denn vorzüglich die erste Stufe, das Tragische als Gesetz des Uni- versums, worauf er beschränkt wäre, und dann würde er im Uebrigen auf dem Standpunkte des einfach Schönen stehen. Vielfach verzweigt sich namentlich das Komische; ein Talent bewegt sich fast nur in der Posse, ein anderes im Witz, oder hauptsächlich nur in Einer Form dessel- ben, denn Viele haben abstracten, aber sehr wenig bildlichen Witz u. s. w.; ein drittes erhebt sich zum Humor, beschränkt sich aber auf eine Form desselben, den naiven, den gebrochenen, doch wenn es sich zum freien erhebt, wird es auch diese zwei andern Formen in seiner Gewalt haben; so hat J. Paul neben hochkomischen drollige und zerrissene Menschen und Erscheinungen. Mit diesen Bemerkungen haben wir denn schon mehr- fach den Schlußsatz des §., zugleich aber auch den Schlußsatz des vorhergehenden, wie nämlich die verschiedenen Theilungslinien auch aufein- andertreffen, berührt. Sehen wir dieß etwas genauer an: die einfach schöne Phantasie wird, soweit sie in das Erhabene übergeht, das objectiv Erhabene am wenigsten ausschließen, vom Erhabenen des Subjects aber nur das der Leidenschaft, vom Tragischen nur die einfache Elegie seiner ersten, unmittelbarsten Form ergreifen; soweit sie (wiewohl schwer, vergl.
doch in ihrer Weiſe allerdings auch in das bewegte Gebiet der Kämpfe übergeht. So kann Raphael neben Mich. Angelo, Homer und Sophokles neben Aeſchylus, R. Green neben Marlowe und Shakespear, Gotfr. von Straßburg neben Wolfr. v. Eſchenbach, Göthe neben Schiller einfach ſchön heißen; und doch haben ſie alle eine Welt von Kämpfen, von ſchnei- denden tragiſchen Momenten zur Darſtellung gebracht. Die im ſtrengſten Sinn einfach ſchöne Phantaſie iſt allerdings auf kampflos heitere, jugend- liche Geſtalten, ruhige Landſchaft, liebliches Genre u. ſ. w. angewieſen. Für die erhabene und komiſche Phantaſie braucht es keiner Erläuterung, noch Anführung. Die erſte nun findet in dem vorliegenden Eintheilungs- prinzip keinen Grund weiterer Unterſchiedsbeſtimmung; wohl aber muß die erhabene und komiſche Phantaſie in Unterarten zerfallen nach den verſchiedenen Formen des Erhabenen und Komiſchen. Für das objectiv Erhabene iſt eine Phantaſie organiſirt, welche coloſſale Naturſcenen, wild bewegte Thier-Erſcheinungen liebt; das Erhabene des Subjects gelingt manchem großen Charakterzeichner, der darum noch nicht ebenſo zur Dar- ſtellung einer ganzen Handlung und ihres tragiſchen Geſetzes berufen iſt, ja ſelbſt die untergeordneten Formen dieſer Sphäre haben wieder ihre beſonderen Repräſentanten, wie denn z. B. ein Schauſpieler für die polternde Lei- denſchaft, ein anderer für Intriganten-, ein anderer für Helden-Rollen einſeitig Talent hat. Wer aber zum Tragiſchen berufen iſt, wird freilich auch des einfach Schönen und des Erhabenen des Subjects, nur nicht in gleich breiter Ausdehnung wenigſtens des erſtern, mächtig ſein, es wäre denn vorzüglich die erſte Stufe, das Tragiſche als Geſetz des Uni- verſums, worauf er beſchränkt wäre, und dann würde er im Uebrigen auf dem Standpunkte des einfach Schönen ſtehen. Vielfach verzweigt ſich namentlich das Komiſche; ein Talent bewegt ſich faſt nur in der Poſſe, ein anderes im Witz, oder hauptſächlich nur in Einer Form deſſel- ben, denn Viele haben abſtracten, aber ſehr wenig bildlichen Witz u. ſ. w.; ein drittes erhebt ſich zum Humor, beſchränkt ſich aber auf eine Form deſſelben, den naiven, den gebrochenen, doch wenn es ſich zum freien erhebt, wird es auch dieſe zwei andern Formen in ſeiner Gewalt haben; ſo hat J. Paul neben hochkomiſchen drollige und zerriſſene Menſchen und Erſcheinungen. Mit dieſen Bemerkungen haben wir denn ſchon mehr- fach den Schlußſatz des §., zugleich aber auch den Schlußſatz des vorhergehenden, wie nämlich die verſchiedenen Theilungslinien auch aufein- andertreffen, berührt. Sehen wir dieß etwas genauer an: die einfach ſchöne Phantaſie wird, ſoweit ſie in das Erhabene übergeht, das objectiv Erhabene am wenigſten ausſchließen, vom Erhabenen des Subjects aber nur das der Leidenſchaft, vom Tragiſchen nur die einfache Elegie ſeiner erſten, unmittelbarſten Form ergreifen; ſoweit ſie (wiewohl ſchwer, vergl.
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doch in ihrer Weiſe allerdings auch in das bewegte Gebiet der Kämpfe
übergeht. So kann Raphael neben Mich. Angelo, Homer und Sophokles
neben Aeſchylus, R. Green neben Marlowe und Shakespear, Gotfr.
von Straßburg neben Wolfr. v. Eſchenbach, Göthe neben Schiller einfach
ſchön heißen; und doch haben ſie alle eine Welt von Kämpfen, von ſchnei-
denden tragiſchen Momenten zur Darſtellung gebracht. Die im ſtrengſten
Sinn einfach ſchöne Phantaſie iſt allerdings auf kampflos heitere, jugend-
liche Geſtalten, ruhige Landſchaft, liebliches Genre u. ſ. w. angewieſen.
Für die erhabene und komiſche Phantaſie braucht es keiner Erläuterung,
noch Anführung. Die erſte nun findet in dem vorliegenden Eintheilungs-
prinzip keinen Grund weiterer Unterſchiedsbeſtimmung; wohl aber muß
die erhabene und komiſche Phantaſie in Unterarten zerfallen nach den
verſchiedenen Formen des Erhabenen und Komiſchen. Für das objectiv
Erhabene iſt eine Phantaſie organiſirt, welche coloſſale Naturſcenen, wild
bewegte Thier-Erſcheinungen liebt; das Erhabene des Subjects gelingt
manchem großen Charakterzeichner, der darum noch nicht ebenſo zur Dar-
ſtellung einer ganzen Handlung und ihres tragiſchen Geſetzes berufen iſt, ja
ſelbſt die untergeordneten Formen dieſer Sphäre haben wieder ihre beſonderen
Repräſentanten, wie denn z. B. ein Schauſpieler für die polternde Lei-
denſchaft, ein anderer für Intriganten-, ein anderer für Helden-Rollen
einſeitig Talent hat. Wer aber zum Tragiſchen berufen iſt, wird freilich
auch des einfach Schönen und des Erhabenen des Subjects, nur nicht in
gleich breiter Ausdehnung wenigſtens des erſtern, mächtig ſein, es wäre
denn vorzüglich die erſte Stufe, das Tragiſche als Geſetz des Uni-
verſums, worauf er beſchränkt wäre, und dann würde er im Uebrigen
auf dem Standpunkte des einfach Schönen ſtehen. Vielfach verzweigt
ſich namentlich das Komiſche; ein Talent bewegt ſich faſt nur in der
Poſſe, ein anderes im Witz, oder hauptſächlich nur in Einer Form deſſel-
ben, denn Viele haben abſtracten, aber ſehr wenig bildlichen Witz u. ſ. w.;
ein drittes erhebt ſich zum Humor, beſchränkt ſich aber auf eine Form
deſſelben, den naiven, den gebrochenen, doch wenn es ſich zum freien
erhebt, wird es auch dieſe zwei andern Formen in ſeiner Gewalt haben;
ſo hat J. Paul neben hochkomiſchen drollige und zerriſſene Menſchen
und Erſcheinungen. Mit dieſen Bemerkungen haben wir denn ſchon mehr-
fach den Schlußſatz des §., zugleich aber auch den Schlußſatz des
vorhergehenden, wie nämlich die verſchiedenen Theilungslinien auch aufein-
andertreffen, berührt. Sehen wir dieß etwas genauer an: die einfach
ſchöne Phantaſie wird, ſoweit ſie in das Erhabene übergeht, das objectiv
Erhabene am wenigſten ausſchließen, vom Erhabenen des Subjects aber
nur das der Leidenſchaft, vom Tragiſchen nur die einfache Elegie ſeiner
erſten, unmittelbarſten Form ergreifen; ſoweit ſie (wiewohl ſchwer, vergl.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0202_1848/86>, abgerufen am 08.07.2024.
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