Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
und selbst die beziehungsweise Freiheit von diesem, durch welche das Natur- 1. Der vorliegende Abschnitt begann mit der Auflösung des Natur-
und ſelbſt die beziehungsweiſe Freiheit von dieſem, durch welche das Natur- 1. Der vorliegende Abſchnitt begann mit der Auflöſung des Natur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0035" n="321"/> und ſelbſt die beziehungsweiſe Freiheit von dieſem, durch welche das Natur-<lb/> ſchöne ſich auszeichnet, iſt im jetzigen Zuſammenhang nicht, oder nur unter<lb/> Anderem als Gegenſtand vorausgeſetzt. Allein die Anſchauung iſt der Anfang<note place="right">2</note><lb/> der Umſetzung des Objects in ein inneres Bild, das, ſinnlich und nicht ſtun-<lb/> lich, unabhängig von der Gegenwart des erſteren und doch angeſchaute Form,<lb/> vom Geiſte erzeugt wird.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">1. Der vorliegende Abſchnitt begann mit der Auflöſung des Natur-<lb/> ſchönen und der Darſtellung der allgemeinen Phantaſie; in der gegen-<lb/> wärtigen Abtheilung nun, wo die Momente der beſonderen Phantaſie<lb/> entwickelt werden, muß ganz vorne oder von unten begonnen werden.<lb/> Während daher in der Lehre von der allgemeinen Phantaſie das Naturſchöne<lb/> als Gegenſtand vorausgeſetzt wurde, laſſen wir dieſes nun vorerſt ganz<lb/> aus dem Spiele; die Aeſthetik wendet ſich zur gewöhnlichen Pſychologie,<lb/> welche von der Anſchauung u. ſ. w. überhaupt handelt, gleichgiltig,<lb/> welche Gegenſtände ihr gegeben ſeien. Unter dem Stoffe, welchen die<lb/> Anſchauung ergreift, mag ſich daher immer auch Naturſchönes (wir brau-<lb/> chen wohl nicht jedesmal hinzuzufügen, daß im ſtrengen Sinne Solches nicht<lb/> exiſtirt, wohl aber relativ vom Zufall begünſtigtere Erſcheinungen) ein-<lb/> reihen: das Geſchäft, das dem Geiſte bleibt, wird dann kleiner ſein, als<lb/> bei allem Uebrigen; aber wir ſehen jetzt auf das Qualitative dieſes Ge-<lb/> ſchäfts und daher von dieſem Unterſchiede des Quantums ab. Es wird<lb/> ſich bald zeigen, an welchem Punkte wir das Naturſchöne als gegebenen<lb/> Stoff und jenen erſten Schein (§ 383) wieder aufzunehmen haben. Die<lb/> Anſchauung, von der wir reden, iſt alſo die gewöhnliche; wir verlangen<lb/> nur urſprüngliche und friſche Thätigkeit derſelben. Nun fragt ſich: was<lb/> iſt es, das die Anſchauung erfaßt? Es iſt zunächſt die Oberfläche der Dinge<lb/> in den allgemeinen Medien der Erſcheinung, Luft und Licht. Dieſe Ober-<lb/> fläche iſt das Geſammtreſultat des innern Baues und daher des Weſens<lb/> der Dinge, das dieſen Bau ausführt, denn die Grenzen ſind zwar<lb/> negativ, aber das Bauen hört eben da auf, wo ich ſie ſchaue, weil es<lb/> das Innere ſo und nicht anders gebaut hat. Ich ſchaue aber auch die<lb/> Bewegung und in ihr das Bewegende. Das Weſen, das ſich ſeinen<lb/> Körper gebaut, wirkt durch ſie über ſeine Grenzen hinaus, doch ſo, daß<lb/> dieſe Wirkung ſelbſt ihre Grenze in demſelben Umfang ſeiner Fähigkeiten<lb/> hat, den mir ſeine Geſtalt anzeigt. Ich ſchaue alſo allerdings ſein Weſen<lb/> und zwar ganz in Einem Acte mit ſeiner Erſcheinung. Zwei Wege,<lb/> hinter die Oberfläche in den inneren Bau zu dringen, bleiben uns bei<lb/> dieſer Betrachtung der Anſchauung ganz zur Seite liegen; ſie ſind ſchon<lb/> in § 54 erwähnt und werden hier nur wieder berührt, um ſie ſchon auf<lb/> der Stufe der Anſchauung abzuweiſen. Es iſt dieß die praktiſche und<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [321/0035]
und ſelbſt die beziehungsweiſe Freiheit von dieſem, durch welche das Natur-
ſchöne ſich auszeichnet, iſt im jetzigen Zuſammenhang nicht, oder nur unter
Anderem als Gegenſtand vorausgeſetzt. Allein die Anſchauung iſt der Anfang
der Umſetzung des Objects in ein inneres Bild, das, ſinnlich und nicht ſtun-
lich, unabhängig von der Gegenwart des erſteren und doch angeſchaute Form,
vom Geiſte erzeugt wird.
1. Der vorliegende Abſchnitt begann mit der Auflöſung des Natur-
ſchönen und der Darſtellung der allgemeinen Phantaſie; in der gegen-
wärtigen Abtheilung nun, wo die Momente der beſonderen Phantaſie
entwickelt werden, muß ganz vorne oder von unten begonnen werden.
Während daher in der Lehre von der allgemeinen Phantaſie das Naturſchöne
als Gegenſtand vorausgeſetzt wurde, laſſen wir dieſes nun vorerſt ganz
aus dem Spiele; die Aeſthetik wendet ſich zur gewöhnlichen Pſychologie,
welche von der Anſchauung u. ſ. w. überhaupt handelt, gleichgiltig,
welche Gegenſtände ihr gegeben ſeien. Unter dem Stoffe, welchen die
Anſchauung ergreift, mag ſich daher immer auch Naturſchönes (wir brau-
chen wohl nicht jedesmal hinzuzufügen, daß im ſtrengen Sinne Solches nicht
exiſtirt, wohl aber relativ vom Zufall begünſtigtere Erſcheinungen) ein-
reihen: das Geſchäft, das dem Geiſte bleibt, wird dann kleiner ſein, als
bei allem Uebrigen; aber wir ſehen jetzt auf das Qualitative dieſes Ge-
ſchäfts und daher von dieſem Unterſchiede des Quantums ab. Es wird
ſich bald zeigen, an welchem Punkte wir das Naturſchöne als gegebenen
Stoff und jenen erſten Schein (§ 383) wieder aufzunehmen haben. Die
Anſchauung, von der wir reden, iſt alſo die gewöhnliche; wir verlangen
nur urſprüngliche und friſche Thätigkeit derſelben. Nun fragt ſich: was
iſt es, das die Anſchauung erfaßt? Es iſt zunächſt die Oberfläche der Dinge
in den allgemeinen Medien der Erſcheinung, Luft und Licht. Dieſe Ober-
fläche iſt das Geſammtreſultat des innern Baues und daher des Weſens
der Dinge, das dieſen Bau ausführt, denn die Grenzen ſind zwar
negativ, aber das Bauen hört eben da auf, wo ich ſie ſchaue, weil es
das Innere ſo und nicht anders gebaut hat. Ich ſchaue aber auch die
Bewegung und in ihr das Bewegende. Das Weſen, das ſich ſeinen
Körper gebaut, wirkt durch ſie über ſeine Grenzen hinaus, doch ſo, daß
dieſe Wirkung ſelbſt ihre Grenze in demſelben Umfang ſeiner Fähigkeiten
hat, den mir ſeine Geſtalt anzeigt. Ich ſchaue alſo allerdings ſein Weſen
und zwar ganz in Einem Acte mit ſeiner Erſcheinung. Zwei Wege,
hinter die Oberfläche in den inneren Bau zu dringen, bleiben uns bei
dieſer Betrachtung der Anſchauung ganz zur Seite liegen; ſie ſind ſchon
in § 54 erwähnt und werden hier nur wieder berührt, um ſie ſchon auf
der Stufe der Anſchauung abzuweiſen. Es iſt dieß die praktiſche und
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