Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,2. Reutlingen u. a., 1848.
nysos an das weiblich Weiche, aber so wenig jene thierisch werden, so §. 438. Dieß Ideal ist aber näher das Ideal eines Volks, das ethisch ist ohne Vischer's Aesthetik. 2. Band. 30
nyſos an das weiblich Weiche, aber ſo wenig jene thieriſch werden, ſo §. 438. Dieß Ideal iſt aber näher das Ideal eines Volks, das ethiſch iſt ohne Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 30
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nyſos an das weiblich Weiche, aber ſo wenig jene thieriſch werden, ſo
wenig wird Athene männiſch, Dionyſos weibiſch. So gab es eine Viel-
heit von Idealen und jeder Gott war doch wieder das Ganze, und wie
ſein verklärter Leib, ſo ſeine Seele; ſie ließ ſich in beſtimmte Zwecke ein,
kämpfte, litt, und war doch mitten im Einlaſſen, in der Verwicklung über
ſie hinaus und bewegte ſich ſelig im Aether des Allgemeinen, auf den
wolkenloſen Höhen des Olympos. Dieß hat Hegel (a. a. O. Thl. 4,
Seite 73 ff.) unübertrefflich dargeſtellt. Es war in der Bildung einer
Vielheit von Göttern außer den überlieferten Naturgrundlagen allerdings
ein Ergänzungs-Inſtinct thätig. Es ſollte, da der harmoniſche Menſch
nicht der Einzelne, ſondern das Volk iſt, eigentlich ſo viele Götter geben,
als Griechen; dieß wäre natürlich das Ende des Polytheiſmus, denn das
wären keine Götter mehr, ſondern das Ganze derſelben, das für ſich keine
Perſon iſt, wäre Gottheit, und die Phantaſie wäre ganz frei an die erſte
Stoffwelt gewieſen. Alſo mußte der Vielheit der Götter eine Grenze
geſetzt ſein, alſo durfte man nur eine ungefähre Vollſtändigkeit ſuchen,
welche die weſentlichſten ſittlichen Richtungen des Volksgeiſtes (in Ver-
wandtſchaft mit der umgebenden Natur) umfaßte, und ſo wurde es ge-
halten. Zu weiterer Vollſtändigkeit führte dann die Sage, die an den
Mythus anknüpfend die großen Typen des Volkscharakters bildete. Dieſe
ſind gottähnlich, nur Alles um eine Stufe tiefer; in einem gewiſſen Um-
fang mußten nun allerdings ſtrenger individuelle Abweichungen aufgenom-
men werden; aber auch dieſe erhält eben das ideale Band, das den
Menſchen an den Gott knüpft, im ſchwungvollen Fluſſe, der es nicht bis
zur ſchroffen Härte kommen läßt: ſo gleicht Achilles theils dem Zeus,
theils dem Apollo, Ajax erſcheint ebenfalls löwenartig, nur wilder, dem
Poſeidon ähnlicher, Odyſſeus iſt gedrungen, ſtierähnlich, wie der Halb-
gott Herkules, Helena gleicht der Aphrodite. Dieß ging denn bis zu den
Porträtbildungen herab. Die Schmeichelei, welche die Haare des Alexander
nach denen des Jupiter behandelte, die römiſchen Kaiſer apotheoſirte, war nicht
möglich, wenn nicht der ganze Standpunkt der Anſchauungsweiſe ſie nahe legte.
§. 438.
Dieß Ideal iſt aber näher das Ideal eines Volks, das ethiſch iſt ohne
Bruch mit der Natur (§, 349. 425); es iſt daher im geiſtigen Gehalte, folg-
lich im Ausdruch ſeines Ideals kein Neberſchuß, der ſich nicht hemmungslos
in das Ganze der Geſtalt ergießen könnte. Nun muß es zwar auch ein Ideal
geben können, worin ſich der Gehalt ganz anders zur Geſtalt verhält, aber
für die Vollendung eines ſolchen wird die völlige Löſung der, zwar einfacheren,
Aufgabe der griechiſchen Phantaſie muſterhaft bleiben; daher heißt das
griechiſche Ideal claſſiſch.
Viſcher’s Aeſthetik. 2. Band. 30
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