Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.
Symbolik, worüber Rosenkranz (Psychologie S. 184. 185) einige philo- Durch Zusammenwirken aller sprechenden Organe entsteht die voll- Unter dem Bewegten ist nun auch das subjective Ertönen, die 2. Im Bisherigen ist das Unwillkührliche und Willkührliche nicht
Symbolik, worüber Roſenkranz (Pſychologie S. 184. 185) einige philo- Durch Zuſammenwirken aller ſprechenden Organe entſteht die voll- Unter dem Bewegten iſt nun auch das ſubjective Ertönen, die 2. Im Bisherigen iſt das Unwillkührliche und Willkührliche nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0228" n="216"/> Symbolik, worüber <hi rendition="#g">Roſenkranz</hi> (Pſychologie S. 184. 185) einige philo-<lb/> ſophiſch begründende Sätze aufſtellt. Uebrigens treten ſie mit den aus-<lb/> drückenden zuſammen; z. B. der Zorn ſchwellt mir die Adern, treibt mir<lb/> die Bruſt auf, die Röthe ins Geſicht, umwölkt mir die Stirne, ſo drücke<lb/> ich meinen innern Zuſtand aus, aber der Blick zum Himmel, um den<lb/> rächenden Blitz herabzufordern, die geballte Fauſt malt, was geſchehen ſoll.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Durch Zuſammenwirken aller ſprechenden Organe entſteht die voll-<lb/> kommene Gebärde, worin das Entſprechen der Bewegungen ein volles,<lb/> harmoniſches Bild gibt. So zu den genannten Gebärden des Zorns<lb/> ſchreitet ein Fuß vor, ſtampft auf die Erde, und Eine Bewegung iſt über<lb/> den ganzen Seelenbau verbreitet. Auch das Hautleben nimmt an dieſer<lb/> allgemeinen Sprache mit dem geſammten Muskelleben Theil: mit dem<lb/> Zittern iſt die ſogenannte Gänſehaut, mit der Angſt der Schweiß ver-<lb/> bunden u. ſ. w.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Unter dem Bewegten iſt nun auch das ſubjective Ertönen, die<lb/> Stimme, noch aufzuführen. Ihr angeborner Klang überhaupt, wie er<lb/> das Temperament und die ganze natürliche Anlage des Individuums<lb/> bezeichnet, gehört noch zu dem Unſichern, worüber nichts zu beſtimmen iſt.<lb/><hi rendition="#g">Luther</hi> und <hi rendition="#g">Napoleon</hi> hatten hohe und ſpitze Stimmen, was Niemand<lb/> erwarten ſollte. Ihr beſonderer Klang im Ausdruck der Stimmungen<lb/> dagegen iſt verſtändlich wie alle eigentliche Mimik: Freude hell und hoch,<lb/> Trauer belegt und tief, Leidenſchaft beſchleunigt und voll, Ruhe langſam,<lb/> frei, gemäßigt u. ſ. w. Eine Phonognomik iſt ſchon öfters als ſehr<lb/> intereſſante Aufgabe geſtellt werden.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">2. Im Bisherigen iſt das Unwillkührliche und Willkührliche nicht<lb/> unterſchieden worden. Die Grenze iſt fließend. Das Innere dringt von<lb/> ſelbſt heraus, allein ich kann ſowohl das Entſtehen des Innern bis auf<lb/> einen Grad bewältigen, als auch, wenn es entſtanden iſt, dem Heraus-<lb/> treten einen Damm ſetzen. Nehmen wir aber vorerſt an, das Entſtehen<lb/> werde nicht hervorgerufen, noch verhindert, und halten eine Grenze der<lb/> Möglichkeit, einen Damm zu ſetzen, feſt, ſo iſt das Gebiet des mimiſchen<lb/> Ausdrucks, der aus innerer unmittelbarer Bewegtheit mit einem Natur-<lb/> drange folgt, das pathognomiſche zu nennen. Am meiſten ſtrenge Natur-<lb/> nothwendigkeit nun beherrſcht den Ausdruck der Affecte, die in Einem raſchen<lb/> Momente den innerſten Naturgrund aufwühlen: Scham — Erröthen,<lb/> Furcht — Erbleichen, Schrecken — Schaudern, komiſche Bewegung —<lb/> Lachen u. dergl. Es iſt faſt unmöglich, ſie zu unterdrücken, Engel nennt<lb/> ſie die phyſiologiſchen Gebärden. Das Weinen iſt ſchon freier. Sodann<lb/> aber nennen wir pathognomiſch den vielfältigen Ausdruck aller Gefühle,<lb/> Triebe, Leidenſchaften, ſofern er unmittelbar der inneren Bewegung folgt<lb/> und der Wille ihn zwar hemmen, bemeiſtern, zähmen <hi rendition="#g">kann</hi>, aber nur<lb/></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0228]
Symbolik, worüber Roſenkranz (Pſychologie S. 184. 185) einige philo-
ſophiſch begründende Sätze aufſtellt. Uebrigens treten ſie mit den aus-
drückenden zuſammen; z. B. der Zorn ſchwellt mir die Adern, treibt mir
die Bruſt auf, die Röthe ins Geſicht, umwölkt mir die Stirne, ſo drücke
ich meinen innern Zuſtand aus, aber der Blick zum Himmel, um den
rächenden Blitz herabzufordern, die geballte Fauſt malt, was geſchehen ſoll.
Durch Zuſammenwirken aller ſprechenden Organe entſteht die voll-
kommene Gebärde, worin das Entſprechen der Bewegungen ein volles,
harmoniſches Bild gibt. So zu den genannten Gebärden des Zorns
ſchreitet ein Fuß vor, ſtampft auf die Erde, und Eine Bewegung iſt über
den ganzen Seelenbau verbreitet. Auch das Hautleben nimmt an dieſer
allgemeinen Sprache mit dem geſammten Muskelleben Theil: mit dem
Zittern iſt die ſogenannte Gänſehaut, mit der Angſt der Schweiß ver-
bunden u. ſ. w.
Unter dem Bewegten iſt nun auch das ſubjective Ertönen, die
Stimme, noch aufzuführen. Ihr angeborner Klang überhaupt, wie er
das Temperament und die ganze natürliche Anlage des Individuums
bezeichnet, gehört noch zu dem Unſichern, worüber nichts zu beſtimmen iſt.
Luther und Napoleon hatten hohe und ſpitze Stimmen, was Niemand
erwarten ſollte. Ihr beſonderer Klang im Ausdruck der Stimmungen
dagegen iſt verſtändlich wie alle eigentliche Mimik: Freude hell und hoch,
Trauer belegt und tief, Leidenſchaft beſchleunigt und voll, Ruhe langſam,
frei, gemäßigt u. ſ. w. Eine Phonognomik iſt ſchon öfters als ſehr
intereſſante Aufgabe geſtellt werden.
2. Im Bisherigen iſt das Unwillkührliche und Willkührliche nicht
unterſchieden worden. Die Grenze iſt fließend. Das Innere dringt von
ſelbſt heraus, allein ich kann ſowohl das Entſtehen des Innern bis auf
einen Grad bewältigen, als auch, wenn es entſtanden iſt, dem Heraus-
treten einen Damm ſetzen. Nehmen wir aber vorerſt an, das Entſtehen
werde nicht hervorgerufen, noch verhindert, und halten eine Grenze der
Möglichkeit, einen Damm zu ſetzen, feſt, ſo iſt das Gebiet des mimiſchen
Ausdrucks, der aus innerer unmittelbarer Bewegtheit mit einem Natur-
drange folgt, das pathognomiſche zu nennen. Am meiſten ſtrenge Natur-
nothwendigkeit nun beherrſcht den Ausdruck der Affecte, die in Einem raſchen
Momente den innerſten Naturgrund aufwühlen: Scham — Erröthen,
Furcht — Erbleichen, Schrecken — Schaudern, komiſche Bewegung —
Lachen u. dergl. Es iſt faſt unmöglich, ſie zu unterdrücken, Engel nennt
ſie die phyſiologiſchen Gebärden. Das Weinen iſt ſchon freier. Sodann
aber nennen wir pathognomiſch den vielfältigen Ausdruck aller Gefühle,
Triebe, Leidenſchaften, ſofern er unmittelbar der inneren Bewegung folgt
und der Wille ihn zwar hemmen, bemeiſtern, zähmen kann, aber nur
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