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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Colloid.
trennen kann; endlich aber kommt eine Zeit, wo sich beide
Produkte mit einander vermischen, und wo, wenn man nicht
weiss, wie das Ganze entstanden ist, man kein Urtheil mehr
abgeben kann über das, was es bedeutet. Auch mitten in
Krebsknoten können käsige Stellen vorkommen, welche gerade
so aussehen, wie Tuberkel. Ich habe dargethan, dass es die
Krebselemente sind, welche in diese käsige Masse übergehen.
Wenn wir aber nicht mit Bestimmtheit aus der Entwickelungs-
geschichte wüssten, dass die Zellen des Krebses sich Schritt
für Schritt verändern und dass in der Mitte des Krebses sich
keine Tuberkeln bilden, so würden wir aus dem blossen Be-
fund in vielen Fällen durchaus nicht ein Urtheil fällen
können.

Ueberwindet man diese Schwierigkeiten, welche in der
äusseren Erscheinung der Bildung liegen, und welche den
Beobachter nicht bloss irre führen gegenüber der groben Er-
scheinung, sondern auch gegenüber der feineren Zusammen-
setzung, so bleibt für die Orientirung kein anderer Anhalts-
punkt, als dass man nachsucht, welchen Typus der Entwicke-
lung die einzelnen Neubildungen während der Stadien ihrer
wirklichen Entwickelung, nicht während der Stadien ihrer
Rückbildung zeigen. Man kann das Wesen des Tuberkels
nicht studiren von dem Zeitpunkt an, wo er käsig geworden
ist, denn von da an gleicht seine Geschichte vollkommen der
Geschichte des käsig werdenden Eiters; man muss dies vor-
her thun, wo er wirklich wuchert. So müssen wir auch für
die anderen Bildungen die Zeit von ihrer ersten Entstehung
bis zu ihrer Akme studiren und zusehen, mit welchen nor-
malen physiologischen Typen sie übereinstimmte. Dann ist
es, wie ich glaube, allerdings möglich, mit den einfachen Prin-
cipien der histologischen Classification auszukommen, welche
ich Ihnen früher angeführt habe (S. 56). Auch die hete-
rologen Gewebe haben physiologische Typen
.

Ein Colloid, wenn man wirklich darunter versteht, was
Laennec gemeint hat, eine gallertige organisirte Neubildung,
muss nothwendig irgend einen Typus der Bildung besitzen,
welcher im gewöhnlichen Körper möglich ist. So gibt es eine
Reihe von Geschwülsten, die man in die Reihe des Colloids

Colloid.
trennen kann; endlich aber kommt eine Zeit, wo sich beide
Produkte mit einander vermischen, und wo, wenn man nicht
weiss, wie das Ganze entstanden ist, man kein Urtheil mehr
abgeben kann über das, was es bedeutet. Auch mitten in
Krebsknoten können käsige Stellen vorkommen, welche gerade
so aussehen, wie Tuberkel. Ich habe dargethan, dass es die
Krebselemente sind, welche in diese käsige Masse übergehen.
Wenn wir aber nicht mit Bestimmtheit aus der Entwickelungs-
geschichte wüssten, dass die Zellen des Krebses sich Schritt
für Schritt verändern und dass in der Mitte des Krebses sich
keine Tuberkeln bilden, so würden wir aus dem blossen Be-
fund in vielen Fällen durchaus nicht ein Urtheil fällen
können.

Ueberwindet man diese Schwierigkeiten, welche in der
äusseren Erscheinung der Bildung liegen, und welche den
Beobachter nicht bloss irre führen gegenüber der groben Er-
scheinung, sondern auch gegenüber der feineren Zusammen-
setzung, so bleibt für die Orientirung kein anderer Anhalts-
punkt, als dass man nachsucht, welchen Typus der Entwicke-
lung die einzelnen Neubildungen während der Stadien ihrer
wirklichen Entwickelung, nicht während der Stadien ihrer
Rückbildung zeigen. Man kann das Wesen des Tuberkels
nicht studiren von dem Zeitpunkt an, wo er käsig geworden
ist, denn von da an gleicht seine Geschichte vollkommen der
Geschichte des käsig werdenden Eiters; man muss dies vor-
her thun, wo er wirklich wuchert. So müssen wir auch für
die anderen Bildungen die Zeit von ihrer ersten Entstehung
bis zu ihrer Akme studiren und zusehen, mit welchen nor-
malen physiologischen Typen sie übereinstimmte. Dann ist
es, wie ich glaube, allerdings möglich, mit den einfachen Prin-
cipien der histologischen Classification auszukommen, welche
ich Ihnen früher angeführt habe (S. 56). Auch die hete-
rologen Gewebe haben physiologische Typen
.

Ein Colloid, wenn man wirklich darunter versteht, was
Laennec gemeint hat, eine gallertige organisirte Neubildung,
muss nothwendig irgend einen Typus der Bildung besitzen,
welcher im gewöhnlichen Körper möglich ist. So gibt es eine
Reihe von Geschwülsten, die man in die Reihe des Colloids

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[425/0447] Colloid. trennen kann; endlich aber kommt eine Zeit, wo sich beide Produkte mit einander vermischen, und wo, wenn man nicht weiss, wie das Ganze entstanden ist, man kein Urtheil mehr abgeben kann über das, was es bedeutet. Auch mitten in Krebsknoten können käsige Stellen vorkommen, welche gerade so aussehen, wie Tuberkel. Ich habe dargethan, dass es die Krebselemente sind, welche in diese käsige Masse übergehen. Wenn wir aber nicht mit Bestimmtheit aus der Entwickelungs- geschichte wüssten, dass die Zellen des Krebses sich Schritt für Schritt verändern und dass in der Mitte des Krebses sich keine Tuberkeln bilden, so würden wir aus dem blossen Be- fund in vielen Fällen durchaus nicht ein Urtheil fällen können. Ueberwindet man diese Schwierigkeiten, welche in der äusseren Erscheinung der Bildung liegen, und welche den Beobachter nicht bloss irre führen gegenüber der groben Er- scheinung, sondern auch gegenüber der feineren Zusammen- setzung, so bleibt für die Orientirung kein anderer Anhalts- punkt, als dass man nachsucht, welchen Typus der Entwicke- lung die einzelnen Neubildungen während der Stadien ihrer wirklichen Entwickelung, nicht während der Stadien ihrer Rückbildung zeigen. Man kann das Wesen des Tuberkels nicht studiren von dem Zeitpunkt an, wo er käsig geworden ist, denn von da an gleicht seine Geschichte vollkommen der Geschichte des käsig werdenden Eiters; man muss dies vor- her thun, wo er wirklich wuchert. So müssen wir auch für die anderen Bildungen die Zeit von ihrer ersten Entstehung bis zu ihrer Akme studiren und zusehen, mit welchen nor- malen physiologischen Typen sie übereinstimmte. Dann ist es, wie ich glaube, allerdings möglich, mit den einfachen Prin- cipien der histologischen Classification auszukommen, welche ich Ihnen früher angeführt habe (S. 56). Auch die hete- rologen Gewebe haben physiologische Typen. Ein Colloid, wenn man wirklich darunter versteht, was Laennec gemeint hat, eine gallertige organisirte Neubildung, muss nothwendig irgend einen Typus der Bildung besitzen, welcher im gewöhnlichen Körper möglich ist. So gibt es eine Reihe von Geschwülsten, die man in die Reihe des Colloids

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/447>, abgerufen am 27.04.2024.