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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Achtzehnte Vorlesung.
überaus einfach in der Doctrin, aber allerdings überaus
schwierig in der Demonstration an den einzelnen Orten.
Diejenigen Orte, welche scheinbar für die Untersuchung am
allerbequemsten liegen sollten, und bei denen in der That
schon vor 20 Jahren Henle ganz nahe an die Entdeckung
einer solchen Entwickelung herangestreift war, sind die Epi-
thelien. Hier, wo an der Oberfläche eine oft so reichliche
Entwickelung stattfindet, sollte man meinen, es müsste über-
aus leicht sein, dieselbe an den einzelnen Elementen genau
zu verfolgen. Henle hat, wie Sie wissen werden, zu zeigen
gesucht, dass die Schleimkörperchen, ja manche Formen,
welche schon dem Eiter angehören, an der Oberfläche der
Schleimhäute neben dem Epithel in der Art producirt werden,
dass zwischen den Anlagen beider keine eigentliche Differenz
zu erkennen ist, dass also gewissermassen die Schleimkör-
perchen als verirrte Epithelialzellen, als missrathene Söhne
erschienen, welche durch eine frühe Störung in ihrer weiteren
Entwickelung gehindert wurden, aber eigentlich angelegt
waren, Epithelialelemente zu werden. Unglücklicherweise
hatte man damals und noch lange nachher die Vorstellung,
dass die normale Entwicklung des Epithels eben auch aus
einem Blastem erfolgte. Man stellte sich ja vor, dass an der
Oberfläche jeder Schleimhaut aus den Gefässen, die an die
Oberfläche treten, zuerst eine plastische Substanz transsudire
und daraus sich die Elemente bildeten. Man blieb bei dem
Schema von Schwann stehen, dass sich zuerst Kerne in der
Flüssigkeit bilden, um welche sich später Membranen an-
legen. Gegenwärtig, so viel auch die verschiedenen Ober-
flächen der Haut, Schleimhaut und serösen Haut untersucht
sind, hat man sich überall unzweifelhaft überzeugt, dass die
zelligen Elemente bis unmittelbar an die Fläche des Binde-
gewebes reichen und nirgends eine Stelle ist, wo freie Kerne,
Blastem oder Flüssigkeit existirte, dass vielmehr gerade die
tiefsten Schichten diejenigen sind, welche die am dichtesten
gedrängten Zellen enthalten. Hätte man damals, als Henle
seine Untersuchungen machte, gewusst, dass hier kein Blastem
existirt, keine Entwickelung de novo geschieht, sondern dass
die vorhandenen Epithelzellen entweder von alten Zellen,

Achtzehnte Vorlesung.
überaus einfach in der Doctrin, aber allerdings überaus
schwierig in der Demonstration an den einzelnen Orten.
Diejenigen Orte, welche scheinbar für die Untersuchung am
allerbequemsten liegen sollten, und bei denen in der That
schon vor 20 Jahren Henle ganz nahe an die Entdeckung
einer solchen Entwickelung herangestreift war, sind die Epi-
thelien. Hier, wo an der Oberfläche eine oft so reichliche
Entwickelung stattfindet, sollte man meinen, es müsste über-
aus leicht sein, dieselbe an den einzelnen Elementen genau
zu verfolgen. Henle hat, wie Sie wissen werden, zu zeigen
gesucht, dass die Schleimkörperchen, ja manche Formen,
welche schon dem Eiter angehören, an der Oberfläche der
Schleimhäute neben dem Epithel in der Art producirt werden,
dass zwischen den Anlagen beider keine eigentliche Differenz
zu erkennen ist, dass also gewissermassen die Schleimkör-
perchen als verirrte Epithelialzellen, als missrathene Söhne
erschienen, welche durch eine frühe Störung in ihrer weiteren
Entwickelung gehindert wurden, aber eigentlich angelegt
waren, Epithelialelemente zu werden. Unglücklicherweise
hatte man damals und noch lange nachher die Vorstellung,
dass die normale Entwicklung des Epithels eben auch aus
einem Blastem erfolgte. Man stellte sich ja vor, dass an der
Oberfläche jeder Schleimhaut aus den Gefässen, die an die
Oberfläche treten, zuerst eine plastische Substanz transsudire
und daraus sich die Elemente bildeten. Man blieb bei dem
Schema von Schwann stehen, dass sich zuerst Kerne in der
Flüssigkeit bilden, um welche sich später Membranen an-
legen. Gegenwärtig, so viel auch die verschiedenen Ober-
flächen der Haut, Schleimhaut und serösen Haut untersucht
sind, hat man sich überall unzweifelhaft überzeugt, dass die
zelligen Elemente bis unmittelbar an die Fläche des Binde-
gewebes reichen und nirgends eine Stelle ist, wo freie Kerne,
Blastem oder Flüssigkeit existirte, dass vielmehr gerade die
tiefsten Schichten diejenigen sind, welche die am dichtesten
gedrängten Zellen enthalten. Hätte man damals, als Henle
seine Untersuchungen machte, gewusst, dass hier kein Blastem
existirt, keine Entwickelung de novo geschieht, sondern dass
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[362/0384] Achtzehnte Vorlesung. überaus einfach in der Doctrin, aber allerdings überaus schwierig in der Demonstration an den einzelnen Orten. Diejenigen Orte, welche scheinbar für die Untersuchung am allerbequemsten liegen sollten, und bei denen in der That schon vor 20 Jahren Henle ganz nahe an die Entdeckung einer solchen Entwickelung herangestreift war, sind die Epi- thelien. Hier, wo an der Oberfläche eine oft so reichliche Entwickelung stattfindet, sollte man meinen, es müsste über- aus leicht sein, dieselbe an den einzelnen Elementen genau zu verfolgen. Henle hat, wie Sie wissen werden, zu zeigen gesucht, dass die Schleimkörperchen, ja manche Formen, welche schon dem Eiter angehören, an der Oberfläche der Schleimhäute neben dem Epithel in der Art producirt werden, dass zwischen den Anlagen beider keine eigentliche Differenz zu erkennen ist, dass also gewissermassen die Schleimkör- perchen als verirrte Epithelialzellen, als missrathene Söhne erschienen, welche durch eine frühe Störung in ihrer weiteren Entwickelung gehindert wurden, aber eigentlich angelegt waren, Epithelialelemente zu werden. Unglücklicherweise hatte man damals und noch lange nachher die Vorstellung, dass die normale Entwicklung des Epithels eben auch aus einem Blastem erfolgte. Man stellte sich ja vor, dass an der Oberfläche jeder Schleimhaut aus den Gefässen, die an die Oberfläche treten, zuerst eine plastische Substanz transsudire und daraus sich die Elemente bildeten. Man blieb bei dem Schema von Schwann stehen, dass sich zuerst Kerne in der Flüssigkeit bilden, um welche sich später Membranen an- legen. Gegenwärtig, so viel auch die verschiedenen Ober- flächen der Haut, Schleimhaut und serösen Haut untersucht sind, hat man sich überall unzweifelhaft überzeugt, dass die zelligen Elemente bis unmittelbar an die Fläche des Binde- gewebes reichen und nirgends eine Stelle ist, wo freie Kerne, Blastem oder Flüssigkeit existirte, dass vielmehr gerade die tiefsten Schichten diejenigen sind, welche die am dichtesten gedrängten Zellen enthalten. Hätte man damals, als Henle seine Untersuchungen machte, gewusst, dass hier kein Blastem existirt, keine Entwickelung de novo geschieht, sondern dass die vorhandenen Epithelzellen entweder von alten Zellen,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/384>, abgerufen am 24.11.2024.