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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Verschiedenheit der Neubildung.

Diese beiden Schemata sind die regelmässigen für alle
diejenigen Arten von Neubildungen, welche nicht unmittelbar
zur Hyperplasie führen; der normale Zustand wird hier zunächst
unterbrochen durch einen Zwischenzustand, wo das Gewebe
wesentlich verändert erscheint, ohne dass man vor der Hand
erkennen kann, ob daraus eine gut- oder bösartige Entwicklung
hervorgehen wird. Es ist dies ein Stadium der scheinbar ab-
soluten Indifferenz; man kann es den einzelnen Elementen
durchaus nicht ansehen, welcher Bedeutung sie eigentlich sind;
sie verhalten sich genau, wie die sogenannten Bildungszellen
des Embryo, welche auch im Anfange ganz gleich aussehen,
gleichviel ob ein Muskel- oder ein Nervenelement oder was
sonst daraus hervorgehen wird. Nichtsdestoweniger halte ich
es für sehr wahrscheinlich, dass feinere innere Verschieden-
heiten wirklich bestehen, die die späteren Umbildungen bis
zu einem gewissen Maasse bedingen, nicht Verschiedenheiten,
welche bloss Potentia in der Bildungszelle vorhanden wären,
sondern wirklich materielle Verschiedenheiten, welche aber so
fein sind, dass wir sie bis jetzt nicht darthun können.

Bei der embryonalen Entwickelung kennt man seit Jahren
eine Erscheinung, welche darauf hindeutet, dass solche Ver-
schiedenheiten der Bildungszellen bestehen, indem die ver-
schiedenen Abtheilungen des Eies verschieden schnell ihre Bil-
dung durchmachen, und namentlich diejenigen Theile, welche
zu den höheren Organen bestimmt sind, mit viel grösserer
Schnelligkeit die einzelnen Stadien durchlaufen, als diejenigen,
welche für die niedrigeren Gewebe angelegt werden. Auch
in der Grösse der Elemente scheinen Verschiedenheiten zu
bestehen. In ähnlicher Weise sieht man häufig, dass auch
bei pathologischen Bildungen Verschiedenheiten in Beziehung
auf die Zeitdauer vorliegen. Jedesmal, wenn die Entwickelung
der Elemente sehr schnell erfolgt, gibt es eine mehr oder
weniger heterologe Entwicklung. Eine homologe, hyper-
plastische Bildung setzt immer eine gewisse Langsamkeit der
Vorgänge voraus, in der Regel bleiben die Elemente dabei
grösser, und die Theilungen schreiten gewöhnlich nicht so
weit vor, dass sehr kleine Formen entstehen.

So überaus einfach ist diese Entwickelungs Geschichte,

Verschiedenheit der Neubildung.

Diese beiden Schemata sind die regelmässigen für alle
diejenigen Arten von Neubildungen, welche nicht unmittelbar
zur Hyperplasie führen; der normale Zustand wird hier zunächst
unterbrochen durch einen Zwischenzustand, wo das Gewebe
wesentlich verändert erscheint, ohne dass man vor der Hand
erkennen kann, ob daraus eine gut- oder bösartige Entwicklung
hervorgehen wird. Es ist dies ein Stadium der scheinbar ab-
soluten Indifferenz; man kann es den einzelnen Elementen
durchaus nicht ansehen, welcher Bedeutung sie eigentlich sind;
sie verhalten sich genau, wie die sogenannten Bildungszellen
des Embryo, welche auch im Anfange ganz gleich aussehen,
gleichviel ob ein Muskel- oder ein Nervenelement oder was
sonst daraus hervorgehen wird. Nichtsdestoweniger halte ich
es für sehr wahrscheinlich, dass feinere innere Verschieden-
heiten wirklich bestehen, die die späteren Umbildungen bis
zu einem gewissen Maasse bedingen, nicht Verschiedenheiten,
welche bloss Potentia in der Bildungszelle vorhanden wären,
sondern wirklich materielle Verschiedenheiten, welche aber so
fein sind, dass wir sie bis jetzt nicht darthun können.

Bei der embryonalen Entwickelung kennt man seit Jahren
eine Erscheinung, welche darauf hindeutet, dass solche Ver-
schiedenheiten der Bildungszellen bestehen, indem die ver-
schiedenen Abtheilungen des Eies verschieden schnell ihre Bil-
dung durchmachen, und namentlich diejenigen Theile, welche
zu den höheren Organen bestimmt sind, mit viel grösserer
Schnelligkeit die einzelnen Stadien durchlaufen, als diejenigen,
welche für die niedrigeren Gewebe angelegt werden. Auch
in der Grösse der Elemente scheinen Verschiedenheiten zu
bestehen. In ähnlicher Weise sieht man häufig, dass auch
bei pathologischen Bildungen Verschiedenheiten in Beziehung
auf die Zeitdauer vorliegen. Jedesmal, wenn die Entwickelung
der Elemente sehr schnell erfolgt, gibt es eine mehr oder
weniger heterologe Entwicklung. Eine homologe, hyper-
plastische Bildung setzt immer eine gewisse Langsamkeit der
Vorgänge voraus, in der Regel bleiben die Elemente dabei
grösser, und die Theilungen schreiten gewöhnlich nicht so
weit vor, dass sehr kleine Formen entstehen.

So überaus einfach ist diese Entwickelungs Geschichte,

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[361/0383] Verschiedenheit der Neubildung. Diese beiden Schemata sind die regelmässigen für alle diejenigen Arten von Neubildungen, welche nicht unmittelbar zur Hyperplasie führen; der normale Zustand wird hier zunächst unterbrochen durch einen Zwischenzustand, wo das Gewebe wesentlich verändert erscheint, ohne dass man vor der Hand erkennen kann, ob daraus eine gut- oder bösartige Entwicklung hervorgehen wird. Es ist dies ein Stadium der scheinbar ab- soluten Indifferenz; man kann es den einzelnen Elementen durchaus nicht ansehen, welcher Bedeutung sie eigentlich sind; sie verhalten sich genau, wie die sogenannten Bildungszellen des Embryo, welche auch im Anfange ganz gleich aussehen, gleichviel ob ein Muskel- oder ein Nervenelement oder was sonst daraus hervorgehen wird. Nichtsdestoweniger halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass feinere innere Verschieden- heiten wirklich bestehen, die die späteren Umbildungen bis zu einem gewissen Maasse bedingen, nicht Verschiedenheiten, welche bloss Potentia in der Bildungszelle vorhanden wären, sondern wirklich materielle Verschiedenheiten, welche aber so fein sind, dass wir sie bis jetzt nicht darthun können. Bei der embryonalen Entwickelung kennt man seit Jahren eine Erscheinung, welche darauf hindeutet, dass solche Ver- schiedenheiten der Bildungszellen bestehen, indem die ver- schiedenen Abtheilungen des Eies verschieden schnell ihre Bil- dung durchmachen, und namentlich diejenigen Theile, welche zu den höheren Organen bestimmt sind, mit viel grösserer Schnelligkeit die einzelnen Stadien durchlaufen, als diejenigen, welche für die niedrigeren Gewebe angelegt werden. Auch in der Grösse der Elemente scheinen Verschiedenheiten zu bestehen. In ähnlicher Weise sieht man häufig, dass auch bei pathologischen Bildungen Verschiedenheiten in Beziehung auf die Zeitdauer vorliegen. Jedesmal, wenn die Entwickelung der Elemente sehr schnell erfolgt, gibt es eine mehr oder weniger heterologe Entwicklung. Eine homologe, hyper- plastische Bildung setzt immer eine gewisse Langsamkeit der Vorgänge voraus, in der Regel bleiben die Elemente dabei grösser, und die Theilungen schreiten gewöhnlich nicht so weit vor, dass sehr kleine Formen entstehen. So überaus einfach ist diese Entwickelungs Geschichte,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/383>, abgerufen am 24.11.2024.