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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Siebzehnte Vorlesung.
es scheint, dass viele Fälle von Albuminurie, welche mit erhebli-
cher Verminderung der Harnstoff-Ausscheidung verbunden sind,
gerade mit diesen Zuständen zusammenhängen und dass
die Abscheidung um so mehr sinkt, je intensiver die Er-
krankung wird. Diese Fälle compliciren sich sehr häufig
mit Anasarka und Höhlenwassersucht und können im
vollsten Maasse die Symptome der Brightschen Erkrankung
liefern. Sie unterscheiden sich aber wesentlich von der
eigentlich entzündlichen Form der Brightschen Krankheit,
welche ich als parenchymatöse Nephritis bezeichne,
dadurch, dass bei letzterer die Erkrankung nicht so sehr an
den Glomeruli oder den Arterien, als an dem Epithel der
Niere haftet und dass die Veränderung oft lange Zeit an dem
Epithel verläuft, während die Glomeruli selbst in solchen Fäl-
len noch intact erscheinen können, wo kaum noch Epithel in
der Substanz vorhanden ist. Hiervon ist wieder eine dritte
Form zu unterscheiden, wo überwiegend das interstitielle Ge-
webe
sich verändert, wo Verdickungen um die Capseln und
die Harnkanälchen entstehen, Abschnürungen, Verschrumpfun-
gen zu Stande kommen und dadurch mechanische Hemmun-
gen des Blutstroms hervorgebracht werden, welche natürlich
mit Secretionsveränderungen zusammenfallen müssen.

Es ist sehr wichtig, dass Sie diese Verschiedenheiten,
welche im Bilde einer scheinbar einzigen Krankheit existiren,
auseinanderlösen, weil sich daraus erklärt, dass die Erfahrun-
gen der einen Reihe sich nicht ohne Weiteres auf die ande-
ren Reihen anwenden lassen und dass weder die physiologi-
schen Consequenzen, noch die therapeutischen Maximen in
diesen Zuständen in gleicher Weise ihre Anwendung finden
können.

Unter den Präparaten, welche ich Ihnen vorlege, habe
ich namentlich ihrer Deutlichkeit wegen die amyloide Er-
krankung der Lymphdrüsen gewählt. An diesen verhält
es sich ähnlich wie an der Milz. Wir sehen einerseits die
kleinen Arterien sich verändern, andererseits die wesentliche
Drüsensubstanz, d. h. die feinen zelligen Massen, welche die
Follikel erfüllt. Sie erinnern sich von früher her (S. 157.
Fig. 61.), dass unter der eigentlichen Capsel der Drüse folli-

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es scheint, dass viele Fälle von Albuminurie, welche mit erhebli-
cher Verminderung der Harnstoff-Ausscheidung verbunden sind,
gerade mit diesen Zuständen zusammenhängen und dass
die Abscheidung um so mehr sinkt, je intensiver die Er-
krankung wird. Diese Fälle compliciren sich sehr häufig
mit Anasarka und Höhlenwassersucht und können im
vollsten Maasse die Symptome der Brightschen Erkrankung
liefern. Sie unterscheiden sich aber wesentlich von der
eigentlich entzündlichen Form der Brightschen Krankheit,
welche ich als parenchymatöse Nephritis bezeichne,
dadurch, dass bei letzterer die Erkrankung nicht so sehr an
den Glomeruli oder den Arterien, als an dem Epithel der
Niere haftet und dass die Veränderung oft lange Zeit an dem
Epithel verläuft, während die Glomeruli selbst in solchen Fäl-
len noch intact erscheinen können, wo kaum noch Epithel in
der Substanz vorhanden ist. Hiervon ist wieder eine dritte
Form zu unterscheiden, wo überwiegend das interstitielle Ge-
webe
sich verändert, wo Verdickungen um die Capseln und
die Harnkanälchen entstehen, Abschnürungen, Verschrumpfun-
gen zu Stande kommen und dadurch mechanische Hemmun-
gen des Blutstroms hervorgebracht werden, welche natürlich
mit Secretionsveränderungen zusammenfallen müssen.

Es ist sehr wichtig, dass Sie diese Verschiedenheiten,
welche im Bilde einer scheinbar einzigen Krankheit existiren,
auseinanderlösen, weil sich daraus erklärt, dass die Erfahrun-
gen der einen Reihe sich nicht ohne Weiteres auf die ande-
ren Reihen anwenden lassen und dass weder die physiologi-
schen Consequenzen, noch die therapeutischen Maximen in
diesen Zuständen in gleicher Weise ihre Anwendung finden
können.

Unter den Präparaten, welche ich Ihnen vorlege, habe
ich namentlich ihrer Deutlichkeit wegen die amyloide Er-
krankung der Lymphdrüsen gewählt. An diesen verhält
es sich ähnlich wie an der Milz. Wir sehen einerseits die
kleinen Arterien sich verändern, andererseits die wesentliche
Drüsensubstanz, d. h. die feinen zelligen Massen, welche die
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[342/0364] Siebzehnte Vorlesung. es scheint, dass viele Fälle von Albuminurie, welche mit erhebli- cher Verminderung der Harnstoff-Ausscheidung verbunden sind, gerade mit diesen Zuständen zusammenhängen und dass die Abscheidung um so mehr sinkt, je intensiver die Er- krankung wird. Diese Fälle compliciren sich sehr häufig mit Anasarka und Höhlenwassersucht und können im vollsten Maasse die Symptome der Brightschen Erkrankung liefern. Sie unterscheiden sich aber wesentlich von der eigentlich entzündlichen Form der Brightschen Krankheit, welche ich als parenchymatöse Nephritis bezeichne, dadurch, dass bei letzterer die Erkrankung nicht so sehr an den Glomeruli oder den Arterien, als an dem Epithel der Niere haftet und dass die Veränderung oft lange Zeit an dem Epithel verläuft, während die Glomeruli selbst in solchen Fäl- len noch intact erscheinen können, wo kaum noch Epithel in der Substanz vorhanden ist. Hiervon ist wieder eine dritte Form zu unterscheiden, wo überwiegend das interstitielle Ge- webe sich verändert, wo Verdickungen um die Capseln und die Harnkanälchen entstehen, Abschnürungen, Verschrumpfun- gen zu Stande kommen und dadurch mechanische Hemmun- gen des Blutstroms hervorgebracht werden, welche natürlich mit Secretionsveränderungen zusammenfallen müssen. Es ist sehr wichtig, dass Sie diese Verschiedenheiten, welche im Bilde einer scheinbar einzigen Krankheit existiren, auseinanderlösen, weil sich daraus erklärt, dass die Erfahrun- gen der einen Reihe sich nicht ohne Weiteres auf die ande- ren Reihen anwenden lassen und dass weder die physiologi- schen Consequenzen, noch die therapeutischen Maximen in diesen Zuständen in gleicher Weise ihre Anwendung finden können. Unter den Präparaten, welche ich Ihnen vorlege, habe ich namentlich ihrer Deutlichkeit wegen die amyloide Er- krankung der Lymphdrüsen gewählt. An diesen verhält es sich ähnlich wie an der Milz. Wir sehen einerseits die kleinen Arterien sich verändern, andererseits die wesentliche Drüsensubstanz, d. h. die feinen zelligen Massen, welche die Follikel erfüllt. Sie erinnern sich von früher her (S. 157. Fig. 61.), dass unter der eigentlichen Capsel der Drüse folli-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/364>, abgerufen am 10.05.2024.