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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechszehnte Vorlesung.
gänge ganz besonders wichtig, dass man sich unmittelbar da-
von überzeugen kann, dass die Faserlage, welche über dem
Heerde liegt, in die Faserlage der benachbarten normalen In-
tima übergeht. Auf diese Weise wird die von Rokitansky
längere Zeit vertheidigte Ansicht widerlegt, dass es sich um
eine Auflagerung auf die innere Haut handele. Man sieht auf
einem Durchschnitte ganz evident, wie die äussersten Schich-
ten in einem Bogen über die ganze Schwellung hinweglaufen
und in die Intima zurückkehren, und die Alten hatten ganz
Recht, wenn sie in dem Stadium, wo die Bildung des Atherom-
Heerdes schon vorgerückt ist, sagten, man könne die Intima
über den Heerd herüber im Zusammenhang abziehen. Anderer-
seits überzeugt man sich aber, dass die unteren Schichten jen-
seits der Grenze des Heerdes ebenfalls in die tieferen Schich-
ten der normalen Intima fortgehen, so dass also auch hier
nicht, wie die Alten annahmen, eine Zwischenlagerung statt-
findet, sondern das Ganze, was wir vor uns haben, degenerirte
Intima ist.

In einzelnen besonders heftigen Fällen erscheint auch an
den Arterien die Erweichung nicht als Folge eines eigentlich
fettigen Prozesses, sondern als directes Entzündungsprodukt.
Während im Umfange eine fettige Erweichung stattfindet, so
sieht man im Centrum der Veränderungsstelle ein gelbliches,
trübes Wesen auftreten, unter welchem die Substanz fast unmittel-
bar erweicht und zerfällt, wo sich im Besonderen ein Gemisch
grober, zerfallender Massen findet (Fig. 116, e, e), welches das
Centrum des atheromatösen Heerdes bildet.

Es frägt sich in letzter Instanz, welches Element eigent-
lich der Sitz der fettigen Degeneration ist. Man kann sich
auch hier wieder denken, dass es Zwischenräume zwischen
den Lamellen seien; und es gibt noch heute einen kleineren
Theil von Histologen, welche nicht anerkennen, dass es sich
nur um Bindegewebe mit Zellenelementen handelt. Verfolgt
man diese Theile nach Aussen hin, so sieht man, dass dasselbe
Gefüge, welches bei den fettigen Theilen hervortritt, sich auch
an den bloss hornigen oder halbknorpeligen Lagen erkennen
lässt. Faserzüge, zwischen welchen von Strecke zu Strecke
kleine linsenförmige Lücken bleiben, finden sich hier, wie auch

Sechszehnte Vorlesung.
gänge ganz besonders wichtig, dass man sich unmittelbar da-
von überzeugen kann, dass die Faserlage, welche über dem
Heerde liegt, in die Faserlage der benachbarten normalen In-
tima übergeht. Auf diese Weise wird die von Rokitansky
längere Zeit vertheidigte Ansicht widerlegt, dass es sich um
eine Auflagerung auf die innere Haut handele. Man sieht auf
einem Durchschnitte ganz evident, wie die äussersten Schich-
ten in einem Bogen über die ganze Schwellung hinweglaufen
und in die Intima zurückkehren, und die Alten hatten ganz
Recht, wenn sie in dem Stadium, wo die Bildung des Atherom-
Heerdes schon vorgerückt ist, sagten, man könne die Intima
über den Heerd herüber im Zusammenhang abziehen. Anderer-
seits überzeugt man sich aber, dass die unteren Schichten jen-
seits der Grenze des Heerdes ebenfalls in die tieferen Schich-
ten der normalen Intima fortgehen, so dass also auch hier
nicht, wie die Alten annahmen, eine Zwischenlagerung statt-
findet, sondern das Ganze, was wir vor uns haben, degenerirte
Intima ist.

In einzelnen besonders heftigen Fällen erscheint auch an
den Arterien die Erweichung nicht als Folge eines eigentlich
fettigen Prozesses, sondern als directes Entzündungsprodukt.
Während im Umfange eine fettige Erweichung stattfindet, so
sieht man im Centrum der Veränderungsstelle ein gelbliches,
trübes Wesen auftreten, unter welchem die Substanz fast unmittel-
bar erweicht und zerfällt, wo sich im Besonderen ein Gemisch
grober, zerfallender Massen findet (Fig. 116, e, e), welches das
Centrum des atheromatösen Heerdes bildet.

Es frägt sich in letzter Instanz, welches Element eigent-
lich der Sitz der fettigen Degeneration ist. Man kann sich
auch hier wieder denken, dass es Zwischenräume zwischen
den Lamellen seien; und es gibt noch heute einen kleineren
Theil von Histologen, welche nicht anerkennen, dass es sich
nur um Bindegewebe mit Zellenelementen handelt. Verfolgt
man diese Theile nach Aussen hin, so sieht man, dass dasselbe
Gefüge, welches bei den fettigen Theilen hervortritt, sich auch
an den bloss hornigen oder halbknorpeligen Lagen erkennen
lässt. Faserzüge, zwischen welchen von Strecke zu Strecke
kleine linsenförmige Lücken bleiben, finden sich hier, wie auch

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[324/0346] Sechszehnte Vorlesung. gänge ganz besonders wichtig, dass man sich unmittelbar da- von überzeugen kann, dass die Faserlage, welche über dem Heerde liegt, in die Faserlage der benachbarten normalen In- tima übergeht. Auf diese Weise wird die von Rokitansky längere Zeit vertheidigte Ansicht widerlegt, dass es sich um eine Auflagerung auf die innere Haut handele. Man sieht auf einem Durchschnitte ganz evident, wie die äussersten Schich- ten in einem Bogen über die ganze Schwellung hinweglaufen und in die Intima zurückkehren, und die Alten hatten ganz Recht, wenn sie in dem Stadium, wo die Bildung des Atherom- Heerdes schon vorgerückt ist, sagten, man könne die Intima über den Heerd herüber im Zusammenhang abziehen. Anderer- seits überzeugt man sich aber, dass die unteren Schichten jen- seits der Grenze des Heerdes ebenfalls in die tieferen Schich- ten der normalen Intima fortgehen, so dass also auch hier nicht, wie die Alten annahmen, eine Zwischenlagerung statt- findet, sondern das Ganze, was wir vor uns haben, degenerirte Intima ist. In einzelnen besonders heftigen Fällen erscheint auch an den Arterien die Erweichung nicht als Folge eines eigentlich fettigen Prozesses, sondern als directes Entzündungsprodukt. Während im Umfange eine fettige Erweichung stattfindet, so sieht man im Centrum der Veränderungsstelle ein gelbliches, trübes Wesen auftreten, unter welchem die Substanz fast unmittel- bar erweicht und zerfällt, wo sich im Besonderen ein Gemisch grober, zerfallender Massen findet (Fig. 116, e, e), welches das Centrum des atheromatösen Heerdes bildet. Es frägt sich in letzter Instanz, welches Element eigent- lich der Sitz der fettigen Degeneration ist. Man kann sich auch hier wieder denken, dass es Zwischenräume zwischen den Lamellen seien; und es gibt noch heute einen kleineren Theil von Histologen, welche nicht anerkennen, dass es sich nur um Bindegewebe mit Zellenelementen handelt. Verfolgt man diese Theile nach Aussen hin, so sieht man, dass dasselbe Gefüge, welches bei den fettigen Theilen hervortritt, sich auch an den bloss hornigen oder halbknorpeligen Lagen erkennen lässt. Faserzüge, zwischen welchen von Strecke zu Strecke kleine linsenförmige Lücken bleiben, finden sich hier, wie auch

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/346>, abgerufen am 24.11.2024.