Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechszehnte Vorlesung.
sammen, das Cholestearin, die Körnchenzellen und
Fettkörnchen, endlich die grossen Klumpen von halb-
erweichter Substanz, sind es, welche den breiigen
Habitus des atheromatösen Heerdes bedingen
, und
welche in der That eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Inhalte
eines Grützbeutels der äusseren Haut hervorbringen. Was das
Cholestearin anbetrifft, so ist es keinesweges ein specifisches
Produkt, welches dieser Art von fettiger Umwandlung für sich
zugehörte. Vielmehr sehen wir überall, wo fettige Produkte
innerhalb einer abgeschlossenen Höhle, welche dem Stoffwechsel
wenig zugänglich ist, längere Zeit stagniren, dass das Fett
Cholestearin abscheidet. Alle Fettmassen, die wir im Körper
antreffen, enthalten eine gewisse Quantität von Cholestearin
gebunden. Ob das freiwerdende Cholestearin vorher schon
vorhanden war, oder ob an den Stellen eine wirkliche Neubil-
dung desselben erfolgt, darüber kann man bis jetzt nichts sa-
gen, da bekanntlich noch gar keine chemische Thatsache er-
mittelt ist, welche über den Hergang bei der Bildung des Cho-
lestearins und über die Stoffe, aus welchen Cholestearin
sich bilden mag, irgend einen Aufschluss gäbe. Soviel muss
man festhalten, dass das Cholestearin ein spätes Abscheidungs-
produkt stagnirender, namentlich fetthaltiger Theile ist.

Es mag bei dieser Gelegenheit die in der neueren Zeit
wichtig gewordene Reaction des Cholestearins auf Jod und
Schwefelsäure erwähnt werden, welche derjenigen ähnlich ist,
welche wir früher (S. 5.) an der Cellulose der Pflanzen be-
trachtet haben. Wenn man nämlich nur Jod zu dem Chole-
stearin hinzusetzt, so sieht man keine Veränderung, ebenso-
wenig wie an der Cellulose; wenn man dagegen zu der jod-
haltigen Cholestearinmasse Schwefelsäure bringt, so färben sich
die Cholestearintafeln und nehmen im Anfang namentlich eine
brillant indigblaue Farbe an, welche allmählig in ein Gelblich-
braun übergeht, bis das Cholestearin zu einem bräunlichen
Tropfen umgewandelt ist. Die Schwefelsäure für sich erzeugt
einen fettartigen Körper, welcher weder Cholestearin ist, noch
eine besondere Verbindung von Cholestearin und Schwefelsäure,
sondern ein Zersetzungsprodukt des ersteren. Auch die Schwe-

Sechszehnte Vorlesung.
sammen, das Cholestearin, die Körnchenzellen und
Fettkörnchen, endlich die grossen Klumpen von halb-
erweichter Substanz, sind es, welche den breiigen
Habitus des atheromatösen Heerdes bedingen
, und
welche in der That eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Inhalte
eines Grützbeutels der äusseren Haut hervorbringen. Was das
Cholestearin anbetrifft, so ist es keinesweges ein specifisches
Produkt, welches dieser Art von fettiger Umwandlung für sich
zugehörte. Vielmehr sehen wir überall, wo fettige Produkte
innerhalb einer abgeschlossenen Höhle, welche dem Stoffwechsel
wenig zugänglich ist, längere Zeit stagniren, dass das Fett
Cholestearin abscheidet. Alle Fettmassen, die wir im Körper
antreffen, enthalten eine gewisse Quantität von Cholestearin
gebunden. Ob das freiwerdende Cholestearin vorher schon
vorhanden war, oder ob an den Stellen eine wirkliche Neubil-
dung desselben erfolgt, darüber kann man bis jetzt nichts sa-
gen, da bekanntlich noch gar keine chemische Thatsache er-
mittelt ist, welche über den Hergang bei der Bildung des Cho-
lestearins und über die Stoffe, aus welchen Cholestearin
sich bilden mag, irgend einen Aufschluss gäbe. Soviel muss
man festhalten, dass das Cholestearin ein spätes Abscheidungs-
produkt stagnirender, namentlich fetthaltiger Theile ist.

Es mag bei dieser Gelegenheit die in der neueren Zeit
wichtig gewordene Reaction des Cholestearins auf Jod und
Schwefelsäure erwähnt werden, welche derjenigen ähnlich ist,
welche wir früher (S. 5.) an der Cellulose der Pflanzen be-
trachtet haben. Wenn man nämlich nur Jod zu dem Chole-
stearin hinzusetzt, so sieht man keine Veränderung, ebenso-
wenig wie an der Cellulose; wenn man dagegen zu der jod-
haltigen Cholestearinmasse Schwefelsäure bringt, so färben sich
die Cholestearintafeln und nehmen im Anfang namentlich eine
brillant indigblaue Farbe an, welche allmählig in ein Gelblich-
braun übergeht, bis das Cholestearin zu einem bräunlichen
Tropfen umgewandelt ist. Die Schwefelsäure für sich erzeugt
einen fettartigen Körper, welcher weder Cholestearin ist, noch
eine besondere Verbindung von Cholestearin und Schwefelsäure,
sondern ein Zersetzungsprodukt des ersteren. Auch die Schwe-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0344" n="322"/><fw place="top" type="header">Sechszehnte Vorlesung.</fw><lb/><hi rendition="#g">sammen, das Cholestearin, die Körnchenzellen und<lb/>
Fettkörnchen, endlich die grossen Klumpen von halb-<lb/>
erweichter Substanz, sind es, welche den breiigen<lb/>
Habitus des atheromatösen Heerdes bedingen</hi>, und<lb/>
welche in der That eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Inhalte<lb/>
eines Grützbeutels der äusseren Haut hervorbringen. Was das<lb/>
Cholestearin anbetrifft, so ist es keinesweges ein specifisches<lb/>
Produkt, welches dieser Art von fettiger Umwandlung für sich<lb/>
zugehörte. Vielmehr sehen wir überall, wo fettige Produkte<lb/>
innerhalb einer abgeschlossenen Höhle, welche dem Stoffwechsel<lb/>
wenig zugänglich ist, längere Zeit stagniren, dass das Fett<lb/>
Cholestearin abscheidet. Alle Fettmassen, die wir im Körper<lb/>
antreffen, enthalten eine gewisse Quantität von Cholestearin<lb/>
gebunden. Ob das freiwerdende Cholestearin vorher schon<lb/>
vorhanden war, oder ob an den Stellen eine wirkliche Neubil-<lb/>
dung desselben erfolgt, darüber kann man bis jetzt nichts sa-<lb/>
gen, da bekanntlich noch gar keine chemische Thatsache er-<lb/>
mittelt ist, welche über den Hergang bei der Bildung des Cho-<lb/>
lestearins und über die Stoffe, aus welchen Cholestearin<lb/>
sich bilden mag, irgend einen Aufschluss gäbe. Soviel muss<lb/>
man festhalten, dass das Cholestearin ein spätes Abscheidungs-<lb/>
produkt stagnirender, namentlich fetthaltiger Theile ist.</p><lb/>
        <p>Es mag bei dieser Gelegenheit die in der neueren Zeit<lb/>
wichtig gewordene Reaction des Cholestearins auf Jod und<lb/>
Schwefelsäure erwähnt werden, welche derjenigen ähnlich ist,<lb/>
welche wir früher (S. 5.) an der Cellulose der Pflanzen be-<lb/>
trachtet haben. Wenn man nämlich nur Jod zu dem Chole-<lb/>
stearin hinzusetzt, so sieht man keine Veränderung, ebenso-<lb/>
wenig wie an der Cellulose; wenn man dagegen zu der jod-<lb/>
haltigen Cholestearinmasse Schwefelsäure bringt, so färben sich<lb/>
die Cholestearintafeln und nehmen im Anfang namentlich eine<lb/>
brillant indigblaue Farbe an, welche allmählig in ein Gelblich-<lb/>
braun übergeht, bis das Cholestearin zu einem bräunlichen<lb/>
Tropfen umgewandelt ist. Die Schwefelsäure für sich erzeugt<lb/>
einen fettartigen Körper, welcher weder Cholestearin ist, noch<lb/>
eine besondere Verbindung von Cholestearin und Schwefelsäure,<lb/>
sondern ein Zersetzungsprodukt des ersteren. Auch die Schwe-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0344] Sechszehnte Vorlesung. sammen, das Cholestearin, die Körnchenzellen und Fettkörnchen, endlich die grossen Klumpen von halb- erweichter Substanz, sind es, welche den breiigen Habitus des atheromatösen Heerdes bedingen, und welche in der That eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Inhalte eines Grützbeutels der äusseren Haut hervorbringen. Was das Cholestearin anbetrifft, so ist es keinesweges ein specifisches Produkt, welches dieser Art von fettiger Umwandlung für sich zugehörte. Vielmehr sehen wir überall, wo fettige Produkte innerhalb einer abgeschlossenen Höhle, welche dem Stoffwechsel wenig zugänglich ist, längere Zeit stagniren, dass das Fett Cholestearin abscheidet. Alle Fettmassen, die wir im Körper antreffen, enthalten eine gewisse Quantität von Cholestearin gebunden. Ob das freiwerdende Cholestearin vorher schon vorhanden war, oder ob an den Stellen eine wirkliche Neubil- dung desselben erfolgt, darüber kann man bis jetzt nichts sa- gen, da bekanntlich noch gar keine chemische Thatsache er- mittelt ist, welche über den Hergang bei der Bildung des Cho- lestearins und über die Stoffe, aus welchen Cholestearin sich bilden mag, irgend einen Aufschluss gäbe. Soviel muss man festhalten, dass das Cholestearin ein spätes Abscheidungs- produkt stagnirender, namentlich fetthaltiger Theile ist. Es mag bei dieser Gelegenheit die in der neueren Zeit wichtig gewordene Reaction des Cholestearins auf Jod und Schwefelsäure erwähnt werden, welche derjenigen ähnlich ist, welche wir früher (S. 5.) an der Cellulose der Pflanzen be- trachtet haben. Wenn man nämlich nur Jod zu dem Chole- stearin hinzusetzt, so sieht man keine Veränderung, ebenso- wenig wie an der Cellulose; wenn man dagegen zu der jod- haltigen Cholestearinmasse Schwefelsäure bringt, so färben sich die Cholestearintafeln und nehmen im Anfang namentlich eine brillant indigblaue Farbe an, welche allmählig in ein Gelblich- braun übergeht, bis das Cholestearin zu einem bräunlichen Tropfen umgewandelt ist. Die Schwefelsäure für sich erzeugt einen fettartigen Körper, welcher weder Cholestearin ist, noch eine besondere Verbindung von Cholestearin und Schwefelsäure, sondern ein Zersetzungsprodukt des ersteren. Auch die Schwe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/344
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/344>, abgerufen am 01.05.2024.