Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Der atheromatöse Prozess.
man in die Bahn der fettigen Entartungen und dehnte den
atheromatösen Prozess über eine Reihe von Gefässen aus, an
denen die Bildung irgend eines wirklich dem atheromatösen
Heerde der äusseren Theile vergleichbaren Gebildes überhaupt
unmöglich ist.

Mehr oder weniger liegt die Sache auch hier sehr einfach
so, dass man an den Gefässen zwei, ihrem endlichen Resultate
nach sehr analoge Prozesse trennen muss: zuerst die einfache
Fettmetamorphose
, welche ohne ein weiter erkennbares
Vorstadium eintritt, wo die vorhandenen Elemente unmittelbar
in fettige Degeneration übergehen und zerstört werden, und
wodurch mehr oder weniger ausgedehnter Verlust von Bestand-
theilen an der Wand des Gefässes zu Stande kommt; sodann
eine zweite Reihe von Vorgängen, wo wir vor der Fettmeta-
morphose ein Stadium der Reizung unterscheiden können,
welches vergleichbar ist dem Stadium der Schwellung, Trübung,
Vergrösserung, das wir an anderen entzündeten Theilen sehen.
Ich habe daher kein Bedenken getragen, in dieser Frage mich
ganz auf die Seite der alten Anschauung zu stellen, und als
den Ausgangspunkt der sogenannten atheromatösen Degenera-
tion wirklich eine Entzündung der Wand der Gefässe zuzu-
lassen; und ich habe mich weiterhin bemüht, zu zeigen, dass
diese Art von entzündlicher Erkrankung der Gefässwand in
der That genau dasselbe ist, was man allgemein an den Herz-
wandungen eine Endocarditis nennt. Hier besteht kein anderer
Unterschied, als dass die eine häufiger akut, die andere häufi-
ger chronisch verläuft.

Mit einer solchen Scheidung der verschiedenen Prozesse
an den Arterien erklärt sich sofort der verschiedene Verlauf.
Ich habe Ihnen das letzte Mal eine Arterie vorgelegt, an de-
ren innerer Oberfläche Sie kleine weissliche Stellen gesehen
haben, welche der fettigen Umwandlung angehörten. Heute
sehen Sie sehr ausgedehnte Stellen der Aorta, an denen sich
die atheromatösen Veränderungen finden. Allein wie es bei
Veränderungen dieser Art ist, neben den specifischen Umwand-
lungen der chronisch entzündlichen Processe in der Tiefe, fin-
den Sie auch an der Oberfläche noch eine einfach fettige Ver-
änderung, so dass wir beide Prozesse zusammen haben. Be-

Der atheromatöse Prozess.
man in die Bahn der fettigen Entartungen und dehnte den
atheromatösen Prozess über eine Reihe von Gefässen aus, an
denen die Bildung irgend eines wirklich dem atheromatösen
Heerde der äusseren Theile vergleichbaren Gebildes überhaupt
unmöglich ist.

Mehr oder weniger liegt die Sache auch hier sehr einfach
so, dass man an den Gefässen zwei, ihrem endlichen Resultate
nach sehr analoge Prozesse trennen muss: zuerst die einfache
Fettmetamorphose
, welche ohne ein weiter erkennbares
Vorstadium eintritt, wo die vorhandenen Elemente unmittelbar
in fettige Degeneration übergehen und zerstört werden, und
wodurch mehr oder weniger ausgedehnter Verlust von Bestand-
theilen an der Wand des Gefässes zu Stande kommt; sodann
eine zweite Reihe von Vorgängen, wo wir vor der Fettmeta-
morphose ein Stadium der Reizung unterscheiden können,
welches vergleichbar ist dem Stadium der Schwellung, Trübung,
Vergrösserung, das wir an anderen entzündeten Theilen sehen.
Ich habe daher kein Bedenken getragen, in dieser Frage mich
ganz auf die Seite der alten Anschauung zu stellen, und als
den Ausgangspunkt der sogenannten atheromatösen Degenera-
tion wirklich eine Entzündung der Wand der Gefässe zuzu-
lassen; und ich habe mich weiterhin bemüht, zu zeigen, dass
diese Art von entzündlicher Erkrankung der Gefässwand in
der That genau dasselbe ist, was man allgemein an den Herz-
wandungen eine Endocarditis nennt. Hier besteht kein anderer
Unterschied, als dass die eine häufiger akut, die andere häufi-
ger chronisch verläuft.

Mit einer solchen Scheidung der verschiedenen Prozesse
an den Arterien erklärt sich sofort der verschiedene Verlauf.
Ich habe Ihnen das letzte Mal eine Arterie vorgelegt, an de-
ren innerer Oberfläche Sie kleine weissliche Stellen gesehen
haben, welche der fettigen Umwandlung angehörten. Heute
sehen Sie sehr ausgedehnte Stellen der Aorta, an denen sich
die atheromatösen Veränderungen finden. Allein wie es bei
Veränderungen dieser Art ist, neben den specifischen Umwand-
lungen der chronisch entzündlichen Processe in der Tiefe, fin-
den Sie auch an der Oberfläche noch eine einfach fettige Ver-
änderung, so dass wir beide Prozesse zusammen haben. Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0341" n="319"/><fw place="top" type="header">Der atheromatöse Prozess.</fw><lb/>
man in die Bahn der fettigen Entartungen und dehnte den<lb/>
atheromatösen Prozess über eine Reihe von Gefässen aus, an<lb/>
denen die Bildung irgend eines wirklich dem atheromatösen<lb/>
Heerde der äusseren Theile vergleichbaren Gebildes überhaupt<lb/>
unmöglich ist.</p><lb/>
        <p>Mehr oder weniger liegt die Sache auch hier sehr einfach<lb/>
so, dass man an den Gefässen zwei, ihrem endlichen Resultate<lb/>
nach sehr analoge Prozesse trennen muss: zuerst die <hi rendition="#g">einfache<lb/>
Fettmetamorphose</hi>, welche ohne ein weiter erkennbares<lb/>
Vorstadium eintritt, wo die vorhandenen Elemente unmittelbar<lb/>
in fettige Degeneration übergehen und zerstört werden, und<lb/>
wodurch mehr oder weniger ausgedehnter Verlust von Bestand-<lb/>
theilen an der Wand des Gefässes zu Stande kommt; sodann<lb/>
eine zweite Reihe von Vorgängen, wo wir vor der Fettmeta-<lb/>
morphose <hi rendition="#g">ein Stadium der Reizung</hi> unterscheiden können,<lb/>
welches vergleichbar ist dem Stadium der Schwellung, Trübung,<lb/>
Vergrösserung, das wir an anderen entzündeten Theilen sehen.<lb/>
Ich habe daher kein Bedenken getragen, in dieser Frage mich<lb/>
ganz auf die Seite der alten Anschauung zu stellen, und als<lb/>
den Ausgangspunkt der sogenannten atheromatösen Degenera-<lb/>
tion wirklich eine Entzündung der Wand der Gefässe zuzu-<lb/>
lassen; und ich habe mich weiterhin bemüht, zu zeigen, dass<lb/>
diese Art von entzündlicher Erkrankung der Gefässwand in<lb/>
der That genau dasselbe ist, was man allgemein an den Herz-<lb/>
wandungen eine Endocarditis nennt. Hier besteht kein anderer<lb/>
Unterschied, als dass die eine häufiger akut, die andere häufi-<lb/>
ger chronisch verläuft.</p><lb/>
        <p>Mit einer solchen Scheidung der verschiedenen Prozesse<lb/>
an den Arterien erklärt sich sofort der verschiedene Verlauf.<lb/>
Ich habe Ihnen das letzte Mal eine Arterie vorgelegt, an de-<lb/>
ren innerer Oberfläche Sie kleine weissliche Stellen gesehen<lb/>
haben, welche der fettigen Umwandlung angehörten. Heute<lb/>
sehen Sie sehr ausgedehnte Stellen der Aorta, an denen sich<lb/>
die atheromatösen Veränderungen finden. Allein wie es bei<lb/>
Veränderungen dieser Art ist, neben den specifischen Umwand-<lb/>
lungen der chronisch entzündlichen Processe in der Tiefe, fin-<lb/>
den Sie auch an der Oberfläche noch eine einfach fettige Ver-<lb/>
änderung, so dass wir beide Prozesse zusammen haben. Be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0341] Der atheromatöse Prozess. man in die Bahn der fettigen Entartungen und dehnte den atheromatösen Prozess über eine Reihe von Gefässen aus, an denen die Bildung irgend eines wirklich dem atheromatösen Heerde der äusseren Theile vergleichbaren Gebildes überhaupt unmöglich ist. Mehr oder weniger liegt die Sache auch hier sehr einfach so, dass man an den Gefässen zwei, ihrem endlichen Resultate nach sehr analoge Prozesse trennen muss: zuerst die einfache Fettmetamorphose, welche ohne ein weiter erkennbares Vorstadium eintritt, wo die vorhandenen Elemente unmittelbar in fettige Degeneration übergehen und zerstört werden, und wodurch mehr oder weniger ausgedehnter Verlust von Bestand- theilen an der Wand des Gefässes zu Stande kommt; sodann eine zweite Reihe von Vorgängen, wo wir vor der Fettmeta- morphose ein Stadium der Reizung unterscheiden können, welches vergleichbar ist dem Stadium der Schwellung, Trübung, Vergrösserung, das wir an anderen entzündeten Theilen sehen. Ich habe daher kein Bedenken getragen, in dieser Frage mich ganz auf die Seite der alten Anschauung zu stellen, und als den Ausgangspunkt der sogenannten atheromatösen Degenera- tion wirklich eine Entzündung der Wand der Gefässe zuzu- lassen; und ich habe mich weiterhin bemüht, zu zeigen, dass diese Art von entzündlicher Erkrankung der Gefässwand in der That genau dasselbe ist, was man allgemein an den Herz- wandungen eine Endocarditis nennt. Hier besteht kein anderer Unterschied, als dass die eine häufiger akut, die andere häufi- ger chronisch verläuft. Mit einer solchen Scheidung der verschiedenen Prozesse an den Arterien erklärt sich sofort der verschiedene Verlauf. Ich habe Ihnen das letzte Mal eine Arterie vorgelegt, an de- ren innerer Oberfläche Sie kleine weissliche Stellen gesehen haben, welche der fettigen Umwandlung angehörten. Heute sehen Sie sehr ausgedehnte Stellen der Aorta, an denen sich die atheromatösen Veränderungen finden. Allein wie es bei Veränderungen dieser Art ist, neben den specifischen Umwand- lungen der chronisch entzündlichen Processe in der Tiefe, fin- den Sie auch an der Oberfläche noch eine einfach fettige Ver- änderung, so dass wir beide Prozesse zusammen haben. Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/341
Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/341>, abgerufen am 01.05.2024.