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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Sechszehnte Vorlesung.
ist. Es verhält sich dabei genau so, wie in dem Fall neulich
(S. 292. Fig 107.), wo wir zwischen je zwei Primitivbündeln
eine Reihe von Fettzellen trafen; das Gelbe, was Sie da sahen,
war nicht veränderte Muskelsubstanz, sondern die Fettmasse,
welche zwischen die Muskelsubstanz hineingewachsen war.
Neben solchem interstitiellen Fettgewebe besteht aber in dem
vorliegenden Falle an demselben Muskel eine parenchymatöse
Degeneration; es ist wirklich das Muskelfleisch fettig entar-
tet. Dies ist jedoch nur an den unteren Theilen des Muskels
zu sehen, während der Abschnitt, welcher unmittelbar an der
stärksten Ausbiegung des Brustkorbes lag und die grösste
Spannung erduldete, vom blossen Auge gar kein Muskelfleisch
mehr erkennen lässt. Mikroskopisch findet man hier dicht
nebeneinander einzelne Muskeifasern, welche noch deutlich quer
gestreift sind, und andere, welche stark mit Fett gefüllt sind.
Sie sehen also, das sind zwei verschiedene Zustände: die eine
Form, wo der Muskel in dem Verlaufe seiner Primitivbündel
durch degenerirte Stellen unterbrochen wird, wo also dasselbe
Primitivbündel, indem es weitergeht, bald degenerirt ist, bald
sich in seiner Integrität erhalten hat; die andere Form, wo
die Krankheit dem Primitivbündel folgt und dasselbe in seiner
ganzen Ausdehnung auf einmal die Veränderung eingeht.

Hier ist ein anderes Präparat von einer jungen, frisch
menstruirten Person, die in Folge einer Verbrennung zu Grunde
gegangen ist, wo Sie im Eierstock ein sehr schönes Corpus
luteum finden. Ich führe es Ihnen deshalb vor, weil Sie daran
sehen können, wie grob sich diese Verhältnisse für die äussere
Anschauung darstellen. Der Schnitt in das Ovarium ist senk-
recht von der Oberfläche hineingeführt an der Stelle, wo eine
kleine Prominenz und eine kleine Zerreissung den Ort bezeichnet,
wo das Ovulum ausgetreten ist (Fig. 115, B.). Von der Stelle in
der Albuginea an, wo der Follikel geborsten ist, sieht man um
einen rothen Klumpen die sehr breite, gelbweisse Schicht,
(Fig. 115, A, a), von welcher der Körper seinen Namen hat. Es ist
die Schicht, welche bei einem puerperalen Corpus luteum eine
sehr grosse Breite hat und mehr gelbröthlich aussieht; bei dem
menstrualen Corpus luteum ist sie schmäler und nach innen
sehr scharf abgesetzt gegen den frisch extravasirten Inhalt,

Sechszehnte Vorlesung.
ist. Es verhält sich dabei genau so, wie in dem Fall neulich
(S. 292. Fig 107.), wo wir zwischen je zwei Primitivbündeln
eine Reihe von Fettzellen trafen; das Gelbe, was Sie da sahen,
war nicht veränderte Muskelsubstanz, sondern die Fettmasse,
welche zwischen die Muskelsubstanz hineingewachsen war.
Neben solchem interstitiellen Fettgewebe besteht aber in dem
vorliegenden Falle an demselben Muskel eine parenchymatöse
Degeneration; es ist wirklich das Muskelfleisch fettig entar-
tet. Dies ist jedoch nur an den unteren Theilen des Muskels
zu sehen, während der Abschnitt, welcher unmittelbar an der
stärksten Ausbiegung des Brustkorbes lag und die grösste
Spannung erduldete, vom blossen Auge gar kein Muskelfleisch
mehr erkennen lässt. Mikroskopisch findet man hier dicht
nebeneinander einzelne Muskeifasern, welche noch deutlich quer
gestreift sind, und andere, welche stark mit Fett gefüllt sind.
Sie sehen also, das sind zwei verschiedene Zustände: die eine
Form, wo der Muskel in dem Verlaufe seiner Primitivbündel
durch degenerirte Stellen unterbrochen wird, wo also dasselbe
Primitivbündel, indem es weitergeht, bald degenerirt ist, bald
sich in seiner Integrität erhalten hat; die andere Form, wo
die Krankheit dem Primitivbündel folgt und dasselbe in seiner
ganzen Ausdehnung auf einmal die Veränderung eingeht.

Hier ist ein anderes Präparat von einer jungen, frisch
menstruirten Person, die in Folge einer Verbrennung zu Grunde
gegangen ist, wo Sie im Eierstock ein sehr schönes Corpus
luteum finden. Ich führe es Ihnen deshalb vor, weil Sie daran
sehen können, wie grob sich diese Verhältnisse für die äussere
Anschauung darstellen. Der Schnitt in das Ovarium ist senk-
recht von der Oberfläche hineingeführt an der Stelle, wo eine
kleine Prominenz und eine kleine Zerreissung den Ort bezeichnet,
wo das Ovulum ausgetreten ist (Fig. 115, B.). Von der Stelle in
der Albuginea an, wo der Follikel geborsten ist, sieht man um
einen rothen Klumpen die sehr breite, gelbweisse Schicht,
(Fig. 115, A, a), von welcher der Körper seinen Namen hat. Es ist
die Schicht, welche bei einem puerperalen Corpus luteum eine
sehr grosse Breite hat und mehr gelbröthlich aussieht; bei dem
menstrualen Corpus luteum ist sie schmäler und nach innen
sehr scharf abgesetzt gegen den frisch extravasirten Inhalt,

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[310/0332] Sechszehnte Vorlesung. ist. Es verhält sich dabei genau so, wie in dem Fall neulich (S. 292. Fig 107.), wo wir zwischen je zwei Primitivbündeln eine Reihe von Fettzellen trafen; das Gelbe, was Sie da sahen, war nicht veränderte Muskelsubstanz, sondern die Fettmasse, welche zwischen die Muskelsubstanz hineingewachsen war. Neben solchem interstitiellen Fettgewebe besteht aber in dem vorliegenden Falle an demselben Muskel eine parenchymatöse Degeneration; es ist wirklich das Muskelfleisch fettig entar- tet. Dies ist jedoch nur an den unteren Theilen des Muskels zu sehen, während der Abschnitt, welcher unmittelbar an der stärksten Ausbiegung des Brustkorbes lag und die grösste Spannung erduldete, vom blossen Auge gar kein Muskelfleisch mehr erkennen lässt. Mikroskopisch findet man hier dicht nebeneinander einzelne Muskeifasern, welche noch deutlich quer gestreift sind, und andere, welche stark mit Fett gefüllt sind. Sie sehen also, das sind zwei verschiedene Zustände: die eine Form, wo der Muskel in dem Verlaufe seiner Primitivbündel durch degenerirte Stellen unterbrochen wird, wo also dasselbe Primitivbündel, indem es weitergeht, bald degenerirt ist, bald sich in seiner Integrität erhalten hat; die andere Form, wo die Krankheit dem Primitivbündel folgt und dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung auf einmal die Veränderung eingeht. Hier ist ein anderes Präparat von einer jungen, frisch menstruirten Person, die in Folge einer Verbrennung zu Grunde gegangen ist, wo Sie im Eierstock ein sehr schönes Corpus luteum finden. Ich führe es Ihnen deshalb vor, weil Sie daran sehen können, wie grob sich diese Verhältnisse für die äussere Anschauung darstellen. Der Schnitt in das Ovarium ist senk- recht von der Oberfläche hineingeführt an der Stelle, wo eine kleine Prominenz und eine kleine Zerreissung den Ort bezeichnet, wo das Ovulum ausgetreten ist (Fig. 115, B.). Von der Stelle in der Albuginea an, wo der Follikel geborsten ist, sieht man um einen rothen Klumpen die sehr breite, gelbweisse Schicht, (Fig. 115, A, a), von welcher der Körper seinen Namen hat. Es ist die Schicht, welche bei einem puerperalen Corpus luteum eine sehr grosse Breite hat und mehr gelbröthlich aussieht; bei dem menstrualen Corpus luteum ist sie schmäler und nach innen sehr scharf abgesetzt gegen den frisch extravasirten Inhalt,

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/332>, abgerufen am 24.11.2024.