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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858.

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Parenchymatöses Exsudat.

In den ersten schüchternen Versuchen, welche ich machte,
diese Auffassung zu ändern, habe ich deshalb auch noch den
Ausdruck des parenchymatösen Exsudates gebraucht.
Ich hatte mich nämlich überzeugt, dass an vielen Stellen, wo
eine Schwellung erfolgt war, absolut nichts weiter zu sehen
war, als Gewebe. An einem Gewebe, welches aus Zellen be-
steht, sah ich auch nach der Schwellung (Exsudation) nur
Zellen, an Geweben mit Zellen und Intercellularsubstanz nur
Zellen und Intercellularsubstanz, -- die einzelnen Elemente
allerdings grösser, voller, mit einer Quantität von Stoffen er-
füllt, mit welcher sie nicht hätten erfüllt sein sollen, aber kein
Exsudat in der Weise, wie man sich dasselbe dachte, frei oder
in den Zwischenräumen des Gewebes. Alle Masse war inner-
halb der Elemente selbst enthalten. Das war es, was ich mit
dem Ausdrucke des parenchymatösen Exsudates sagen wollte,
und wovon der Name der parenchymatösen Entzündung abge-
leitet ist, der zwar schon in alter Zeit gebraucht wurde, aber
in einem ganz anderen Sinne, als der war, den ich meinte,
und der jetzt gangbarer geworden ist, als es vielleicht noth-
wendig ist. Indess ist es immerhin wichtig, dass Sie diese
Form von Reizung als allgemeines Schema bestimmt von an-
deren Formen unterscheiden, insofern hier in einem bestehen-
den Gewebe die constituirenden Elemente eine grössere Masse
von Material in sich aufnehmen, und ausserhalb dieser vergrös-
serten Elemente weiter nichts vorhanden ist.

Ich werde Ihnen sogleich ein Präparat herumgeben, an
welchem Sie ein sehr charakteristisches Beispiel solcher Ent-
zündung sehen werden. Es ist dies seit langer Zeit fast das
eklatanteste Beispiel gewesen, welches mir vorgekommen ist.
Das Präparat stammt von einer sogenannten Keratitis, von
einem Falle, welchen mir Herr von Gräfe mitgetheilt hat,
wo nach heftiger diffuser phlegmonöser Entzündung der Extre-
mitäten eine äusserst schnelle entzündliche Trübung der Horn-
haut stattfand. Als mir die Hornhaut übergeben wurde, schien
es mir, als ob sie in ihrer ganzen Dicke undurchsichtig und
geschwollen wäre. Die Gefässe des Randes waren stark mit
Blut gefüllt. Als ich aber einen Durchschnitt durch die Horn-
haut machte, so zeigte sich alsbald, schon bei schwacher Ver-

Parenchymatöses Exsudat.

In den ersten schüchternen Versuchen, welche ich machte,
diese Auffassung zu ändern, habe ich deshalb auch noch den
Ausdruck des parenchymatösen Exsudates gebraucht.
Ich hatte mich nämlich überzeugt, dass an vielen Stellen, wo
eine Schwellung erfolgt war, absolut nichts weiter zu sehen
war, als Gewebe. An einem Gewebe, welches aus Zellen be-
steht, sah ich auch nach der Schwellung (Exsudation) nur
Zellen, an Geweben mit Zellen und Intercellularsubstanz nur
Zellen und Intercellularsubstanz, — die einzelnen Elemente
allerdings grösser, voller, mit einer Quantität von Stoffen er-
füllt, mit welcher sie nicht hätten erfüllt sein sollen, aber kein
Exsudat in der Weise, wie man sich dasselbe dachte, frei oder
in den Zwischenräumen des Gewebes. Alle Masse war inner-
halb der Elemente selbst enthalten. Das war es, was ich mit
dem Ausdrucke des parenchymatösen Exsudates sagen wollte,
und wovon der Name der parenchymatösen Entzündung abge-
leitet ist, der zwar schon in alter Zeit gebraucht wurde, aber
in einem ganz anderen Sinne, als der war, den ich meinte,
und der jetzt gangbarer geworden ist, als es vielleicht noth-
wendig ist. Indess ist es immerhin wichtig, dass Sie diese
Form von Reizung als allgemeines Schema bestimmt von an-
deren Formen unterscheiden, insofern hier in einem bestehen-
den Gewebe die constituirenden Elemente eine grössere Masse
von Material in sich aufnehmen, und ausserhalb dieser vergrös-
serten Elemente weiter nichts vorhanden ist.

Ich werde Ihnen sogleich ein Präparat herumgeben, an
welchem Sie ein sehr charakteristisches Beispiel solcher Ent-
zündung sehen werden. Es ist dies seit langer Zeit fast das
eklatanteste Beispiel gewesen, welches mir vorgekommen ist.
Das Präparat stammt von einer sogenannten Keratitis, von
einem Falle, welchen mir Herr von Gräfe mitgetheilt hat,
wo nach heftiger diffuser phlegmonöser Entzündung der Extre-
mitäten eine äusserst schnelle entzündliche Trübung der Horn-
haut stattfand. Als mir die Hornhaut übergeben wurde, schien
es mir, als ob sie in ihrer ganzen Dicke undurchsichtig und
geschwollen wäre. Die Gefässe des Randes waren stark mit
Blut gefüllt. Als ich aber einen Durchschnitt durch die Horn-
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[271/0293] Parenchymatöses Exsudat. In den ersten schüchternen Versuchen, welche ich machte, diese Auffassung zu ändern, habe ich deshalb auch noch den Ausdruck des parenchymatösen Exsudates gebraucht. Ich hatte mich nämlich überzeugt, dass an vielen Stellen, wo eine Schwellung erfolgt war, absolut nichts weiter zu sehen war, als Gewebe. An einem Gewebe, welches aus Zellen be- steht, sah ich auch nach der Schwellung (Exsudation) nur Zellen, an Geweben mit Zellen und Intercellularsubstanz nur Zellen und Intercellularsubstanz, — die einzelnen Elemente allerdings grösser, voller, mit einer Quantität von Stoffen er- füllt, mit welcher sie nicht hätten erfüllt sein sollen, aber kein Exsudat in der Weise, wie man sich dasselbe dachte, frei oder in den Zwischenräumen des Gewebes. Alle Masse war inner- halb der Elemente selbst enthalten. Das war es, was ich mit dem Ausdrucke des parenchymatösen Exsudates sagen wollte, und wovon der Name der parenchymatösen Entzündung abge- leitet ist, der zwar schon in alter Zeit gebraucht wurde, aber in einem ganz anderen Sinne, als der war, den ich meinte, und der jetzt gangbarer geworden ist, als es vielleicht noth- wendig ist. Indess ist es immerhin wichtig, dass Sie diese Form von Reizung als allgemeines Schema bestimmt von an- deren Formen unterscheiden, insofern hier in einem bestehen- den Gewebe die constituirenden Elemente eine grössere Masse von Material in sich aufnehmen, und ausserhalb dieser vergrös- serten Elemente weiter nichts vorhanden ist. Ich werde Ihnen sogleich ein Präparat herumgeben, an welchem Sie ein sehr charakteristisches Beispiel solcher Ent- zündung sehen werden. Es ist dies seit langer Zeit fast das eklatanteste Beispiel gewesen, welches mir vorgekommen ist. Das Präparat stammt von einer sogenannten Keratitis, von einem Falle, welchen mir Herr von Gräfe mitgetheilt hat, wo nach heftiger diffuser phlegmonöser Entzündung der Extre- mitäten eine äusserst schnelle entzündliche Trübung der Horn- haut stattfand. Als mir die Hornhaut übergeben wurde, schien es mir, als ob sie in ihrer ganzen Dicke undurchsichtig und geschwollen wäre. Die Gefässe des Randes waren stark mit Blut gefüllt. Als ich aber einen Durchschnitt durch die Horn- haut machte, so zeigte sich alsbald, schon bei schwacher Ver-

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Zitationshilfe: Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/293>, abgerufen am 24.11.2024.