losen in der Weise steigt, dass auf 3 rothe Körperchen schon ein farbloses oder gar 3 rothe auf 2 farblose kommen, ja wo die Zahlen für die farblosen Körperchen die grösseren werden.
In Leichen erscheint die Vermehrung der farblosen Kör- perchen meist beträchtlicher, als sie wirklich ist, aus Gründen, die ich schon neulich hervorhob (S. 138.); diese Körperchen sind ausserordentlich klebrig und häufen sich bei Verlangsa- mung des Blutstromes in grösseren Massen an, so dass in Leichen die grösste Menge stets im rechten Herzen gefunden wird. Es ist mir einmal, ehe ich Berlin verliess, der beson- dere Fall passirt, dass ich das rechte Atrium anstach und der Arzt, welcher den Fall behandelt hatte, überrascht ausrief: "Ach, da ist ein Abscess!" So eiterähnlich sah das Blut aus. Diese eiterartige Beschaffenheit des Blutes ist allerdings nicht in dem ganzen Circulationsstrom vorhanden; nie sieht man, dass das Blut im Ganzen wie Eiter aussieht, weil immer noch eine ver- hältnissmässig grosse Zahl von rothen Elementen existirt; aber es kommt auch vor, dass das Blut schon bei Lebzeiten weiss- liche Striemen zeigt, und dass, wenn man den Faserstoff durch Quirlen entfernt und das defibrinirte Blut stehen lässt, sich alsbald eine freiwillige Scheidung macht, in der Art, dass sich sämmtliche Blutkörperchen, rothe und farblose, allmählich auf den Boden des Gefässes senken und hier ein doppeltes Sedi- ment entsteht: ein unteres rothes, das von einem oberen, weissen, puriformen überlagert wird. Es erklärt sich dies aus dem un- gleichen specifischen Gewicht beider Arten von Körperchen (S. 139.); die schwereren rothen erreichen schon zu einer Zeit den Boden des Gefässes, wo die leichteren, farblosen (weis- sen) noch im Fallen begriffen sind. Zugleich gibt dies eine sehr leichte Scheidung des leukämischen Blutes von dem chylö- sen (lipämischen), wo ein milchiges Aussehen des Serums durch Fettbeimischung entsteht; defibrinirt man dieses, so bildet sich nach einiger Zeit nicht ein weisses Sediment, sondern eine rahmartige Schicht an der Oberfläche.
Es existirt bis jetzt in der Geschichte aller bekannten leukämischen Fälle eine einzige Angabe, wo der Kranke, nach- dem er eine Zeit lang Gegenstand einer ärztlichen Behandlung
Achte Vorlesung.
losen in der Weise steigt, dass auf 3 rothe Körperchen schon ein farbloses oder gar 3 rothe auf 2 farblose kommen, ja wo die Zahlen für die farblosen Körperchen die grösseren werden.
In Leichen erscheint die Vermehrung der farblosen Kör- perchen meist beträchtlicher, als sie wirklich ist, aus Gründen, die ich schon neulich hervorhob (S. 138.); diese Körperchen sind ausserordentlich klebrig und häufen sich bei Verlangsa- mung des Blutstromes in grösseren Massen an, so dass in Leichen die grösste Menge stets im rechten Herzen gefunden wird. Es ist mir einmal, ehe ich Berlin verliess, der beson- dere Fall passirt, dass ich das rechte Atrium anstach und der Arzt, welcher den Fall behandelt hatte, überrascht ausrief: „Ach, da ist ein Abscess!“ So eiterähnlich sah das Blut aus. Diese eiterartige Beschaffenheit des Blutes ist allerdings nicht in dem ganzen Circulationsstrom vorhanden; nie sieht man, dass das Blut im Ganzen wie Eiter aussieht, weil immer noch eine ver- hältnissmässig grosse Zahl von rothen Elementen existirt; aber es kommt auch vor, dass das Blut schon bei Lebzeiten weiss- liche Striemen zeigt, und dass, wenn man den Faserstoff durch Quirlen entfernt und das defibrinirte Blut stehen lässt, sich alsbald eine freiwillige Scheidung macht, in der Art, dass sich sämmtliche Blutkörperchen, rothe und farblose, allmählich auf den Boden des Gefässes senken und hier ein doppeltes Sedi- ment entsteht: ein unteres rothes, das von einem oberen, weissen, puriformen überlagert wird. Es erklärt sich dies aus dem un- gleichen specifischen Gewicht beider Arten von Körperchen (S. 139.); die schwereren rothen erreichen schon zu einer Zeit den Boden des Gefässes, wo die leichteren, farblosen (weis- sen) noch im Fallen begriffen sind. Zugleich gibt dies eine sehr leichte Scheidung des leukämischen Blutes von dem chylö- sen (lipämischen), wo ein milchiges Aussehen des Serums durch Fettbeimischung entsteht; defibrinirt man dieses, so bildet sich nach einiger Zeit nicht ein weisses Sediment, sondern eine rahmartige Schicht an der Oberfläche.
Es existirt bis jetzt in der Geschichte aller bekannten leukämischen Fälle eine einzige Angabe, wo der Kranke, nach- dem er eine Zeit lang Gegenstand einer ärztlichen Behandlung
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Achte Vorlesung.
losen in der Weise steigt, dass auf 3 rothe Körperchen schon
ein farbloses oder gar 3 rothe auf 2 farblose kommen, ja wo
die Zahlen für die farblosen Körperchen die grösseren werden.
In Leichen erscheint die Vermehrung der farblosen Kör-
perchen meist beträchtlicher, als sie wirklich ist, aus Gründen,
die ich schon neulich hervorhob (S. 138.); diese Körperchen
sind ausserordentlich klebrig und häufen sich bei Verlangsa-
mung des Blutstromes in grösseren Massen an, so dass in
Leichen die grösste Menge stets im rechten Herzen gefunden
wird. Es ist mir einmal, ehe ich Berlin verliess, der beson-
dere Fall passirt, dass ich das rechte Atrium anstach und der
Arzt, welcher den Fall behandelt hatte, überrascht ausrief: „Ach,
da ist ein Abscess!“ So eiterähnlich sah das Blut aus. Diese
eiterartige Beschaffenheit des Blutes ist allerdings nicht in dem
ganzen Circulationsstrom vorhanden; nie sieht man, dass das
Blut im Ganzen wie Eiter aussieht, weil immer noch eine ver-
hältnissmässig grosse Zahl von rothen Elementen existirt; aber
es kommt auch vor, dass das Blut schon bei Lebzeiten weiss-
liche Striemen zeigt, und dass, wenn man den Faserstoff durch
Quirlen entfernt und das defibrinirte Blut stehen lässt, sich
alsbald eine freiwillige Scheidung macht, in der Art, dass sich
sämmtliche Blutkörperchen, rothe und farblose, allmählich auf
den Boden des Gefässes senken und hier ein doppeltes Sedi-
ment entsteht: ein unteres rothes, das von einem oberen, weissen,
puriformen überlagert wird. Es erklärt sich dies aus dem un-
gleichen specifischen Gewicht beider Arten von Körperchen
(S. 139.); die schwereren rothen erreichen schon zu einer Zeit
den Boden des Gefässes, wo die leichteren, farblosen (weis-
sen) noch im Fallen begriffen sind. Zugleich gibt dies eine
sehr leichte Scheidung des leukämischen Blutes von dem chylö-
sen (lipämischen), wo ein milchiges Aussehen des Serums durch
Fettbeimischung entsteht; defibrinirt man dieses, so bildet sich
nach einiger Zeit nicht ein weisses Sediment, sondern eine
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Es existirt bis jetzt in der Geschichte aller bekannten
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Virchow, Rudolf: Die Cellularpathologie in ihrer Begründung auf physiologische und pathologische Gewebelehre. Berlin, 1858, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/virchow_cellularpathologie_1858/174>, abgerufen am 24.11.2024.
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