suchte ihn mit den Augen; zufällig wichen einige vor ihm stehende zurück, so daß er deutlich vor ihr stand. Einige Augenblicke blieb sie, weit hervor sich beugend, in dersel- ben Stellung, ihre Augen fest mit sichtbarem Erstaunen auf ihn geheftet; eine schnelle Rö- the überflog den Marmor ihres Gesichts, dann erblaßte sie wieder, ihre Augen schlossen sich, und sie sank ohnmächtig zurück. Betty faßte sie in ihre Arme, einige andre eitten ihr zur Hülfe, sie wurde hinaus getragen, Betty folgte. Bald darauf war auch die Musik ge- endigt, deren Schluß Florentin nicht vernom- men hatte. Betäubt eilte er hinaus und in den Garten.
Der Abend senkte sich dämmernd nieder. Der große Garten war voller Menschen. Fröh- liches Lachen und muntere Gespräche ertönten von allen Seiten. Auf dem Rasen tummelten sich liebliche Kinder; hier saß eine Gruppe, die zu einer Guitarre sang; dort waren andre um eine Flasche Wein versammelt. Auf den ver- steckteren Plätzen im dichteren Gebüsch wandel- en liebende Paare in süßer Vertraulichkeit;
ſuchte ihn mit den Augen; zufaͤllig wichen einige vor ihm ſtehende zuruͤck, ſo daß er deutlich vor ihr ſtand. Einige Augenblicke blieb ſie, weit hervor ſich beugend, in derſel- ben Stellung, ihre Augen feſt mit ſichtbarem Erſtaunen auf ihn geheftet; eine ſchnelle Roͤ- the uͤberflog den Marmor ihres Geſichts, dann erblaßte ſie wieder, ihre Augen ſchloſſen ſich, und ſie ſank ohnmaͤchtig zuruͤck. Betty faßte ſie in ihre Arme, einige andre eitten ihr zur Huͤlfe, ſie wurde hinaus getragen, Betty folgte. Bald darauf war auch die Muſik ge- endigt, deren Schluß Florentin nicht vernom- men hatte. Betaͤubt eilte er hinaus und in den Garten.
Der Abend ſenkte ſich daͤmmernd nieder. Der große Garten war voller Menſchen. Froͤh- liches Lachen und muntere Geſpraͤche ertoͤnten von allen Seiten. Auf dem Raſen tummelten ſich liebliche Kinder; hier ſaß eine Gruppe, die zu einer Guitarre ſang; dort waren andre um eine Flaſche Wein verſammelt. Auf den ver- ſteckteren Plaͤtzen im dichteren Gebuͤſch wandel- en liebende Paare in ſuͤßer Vertraulichkeit;
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ſuchte ihn mit den Augen; zufaͤllig wichen
einige vor ihm ſtehende zuruͤck, ſo daß er
deutlich vor ihr ſtand. Einige Augenblicke
blieb ſie, weit hervor ſich beugend, in derſel-
ben Stellung, ihre Augen feſt mit ſichtbarem
Erſtaunen auf ihn geheftet; eine ſchnelle Roͤ-
the uͤberflog den Marmor ihres Geſichts, dann
erblaßte ſie wieder, ihre Augen ſchloſſen ſich,
und ſie ſank ohnmaͤchtig zuruͤck. Betty faßte
ſie in ihre Arme, einige andre eitten ihr zur
Huͤlfe, ſie wurde hinaus getragen, Betty
folgte. Bald darauf war auch die Muſik ge-
endigt, deren Schluß Florentin nicht vernom-
men hatte. Betaͤubt eilte er hinaus und in
den Garten.
Der Abend ſenkte ſich daͤmmernd nieder.
Der große Garten war voller Menſchen. Froͤh-
liches Lachen und muntere Geſpraͤche ertoͤnten
von allen Seiten. Auf dem Raſen tummelten
ſich liebliche Kinder; hier ſaß eine Gruppe, die
zu einer Guitarre ſang; dort waren andre um
eine Flaſche Wein verſammelt. Auf den ver-
ſteckteren Plaͤtzen im dichteren Gebuͤſch wandel-
en liebende Paare in ſuͤßer Vertraulichkeit;
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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/383>, abgerufen am 08.09.2024.
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