nen schien, beten für die Erlösung der Büs- senden.
Clementine war wie in Entzückung geho- ben; ihre Augen ruhten entweder auf der Rolle, die sie rasch umblätterte, oder sie wendete sie glänzend freudig in die Gegend, wo die Stim- men der Sänger herabkamen; dann ruhte sie wieder wie verloren in sich selbst, sanfte Thrä- nen gleiteten langsam über das heilige Gesicht herab, die sie weder zu hemmen noch zu ver- bergen bedacht war.
Florentin war aus der Menge ihr gegenüber getreten, um sie genau mit der heiligen Cäci- lia vergleichen zu können, zu der sie in ihrer Begeistrung ein wahrhaftes Urbild war. Die Musik war beinah zu Ende; zu Anfang des herrlichen sanft aushauchenden Schlußchors kam Betty wieder zu Clementinen, die ihr einige freundliche Worte sagte. Betty sah sich hierauf in der Versammlung umher; da sie Florentin erblickte, grüßte sie ihn freundlich. Clementine schien sie etwas zu fragen, worauf jene eine bezeichnende Bewegung mit der Hand machte, gegen Florentin. Clementine stand auf und
nen ſchien, beten fuͤr die Erloͤſung der Buͤſ- ſenden.
Clementine war wie in Entzuͤckung geho- ben; ihre Augen ruhten entweder auf der Rolle, die ſie raſch umblaͤtterte, oder ſie wendete ſie glaͤnzend freudig in die Gegend, wo die Stim- men der Saͤnger herabkamen; dann ruhte ſie wieder wie verloren in ſich ſelbſt, ſanfte Thraͤ- nen gleiteten langſam uͤber das heilige Geſicht herab, die ſie weder zu hemmen noch zu ver- bergen bedacht war.
Florentin war aus der Menge ihr gegenuͤber getreten, um ſie genau mit der heiligen Caͤci- lia vergleichen zu koͤnnen, zu der ſie in ihrer Begeiſtrung ein wahrhaftes Urbild war. Die Muſik war beinah zu Ende; zu Anfang des herrlichen ſanft aushauchenden Schlußchors kam Betty wieder zu Clementinen, die ihr einige freundliche Worte ſagte. Betty ſah ſich hierauf in der Verſammlung umher; da ſie Florentin erblickte, gruͤßte ſie ihn freundlich. Clementine ſchien ſie etwas zu fragen, worauf jene eine bezeichnende Bewegung mit der Hand machte, gegen Florentin. Clementine ſtand auf und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0382"n="374"/>
nen ſchien, beten fuͤr die Erloͤſung der Buͤſ-<lb/>ſenden.</p><lb/><p>Clementine war wie in Entzuͤckung geho-<lb/>
ben; ihre Augen ruhten entweder auf der Rolle,<lb/>
die ſie raſch umblaͤtterte, oder ſie wendete ſie<lb/>
glaͤnzend freudig in die Gegend, wo die Stim-<lb/>
men der Saͤnger herabkamen; dann ruhte ſie<lb/>
wieder wie verloren in ſich ſelbſt, ſanfte Thraͤ-<lb/>
nen gleiteten langſam uͤber das heilige Geſicht<lb/>
herab, die ſie weder zu hemmen noch zu ver-<lb/>
bergen bedacht war.</p><lb/><p>Florentin war aus der Menge ihr gegenuͤber<lb/>
getreten, um ſie genau mit der heiligen Caͤci-<lb/>
lia vergleichen zu koͤnnen, zu der ſie in ihrer<lb/>
Begeiſtrung ein wahrhaftes Urbild war. Die<lb/>
Muſik war beinah zu Ende; zu Anfang des<lb/>
herrlichen ſanft aushauchenden Schlußchors kam<lb/>
Betty wieder zu Clementinen, die ihr einige<lb/>
freundliche Worte ſagte. Betty ſah ſich hierauf<lb/>
in der Verſammlung umher; da ſie Florentin<lb/>
erblickte, gruͤßte ſie ihn freundlich. Clementine<lb/>ſchien ſie etwas zu fragen, worauf jene eine<lb/>
bezeichnende Bewegung mit der Hand machte,<lb/>
gegen Florentin. Clementine ſtand auf und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[374/0382]
nen ſchien, beten fuͤr die Erloͤſung der Buͤſ-
ſenden.
Clementine war wie in Entzuͤckung geho-
ben; ihre Augen ruhten entweder auf der Rolle,
die ſie raſch umblaͤtterte, oder ſie wendete ſie
glaͤnzend freudig in die Gegend, wo die Stim-
men der Saͤnger herabkamen; dann ruhte ſie
wieder wie verloren in ſich ſelbſt, ſanfte Thraͤ-
nen gleiteten langſam uͤber das heilige Geſicht
herab, die ſie weder zu hemmen noch zu ver-
bergen bedacht war.
Florentin war aus der Menge ihr gegenuͤber
getreten, um ſie genau mit der heiligen Caͤci-
lia vergleichen zu koͤnnen, zu der ſie in ihrer
Begeiſtrung ein wahrhaftes Urbild war. Die
Muſik war beinah zu Ende; zu Anfang des
herrlichen ſanft aushauchenden Schlußchors kam
Betty wieder zu Clementinen, die ihr einige
freundliche Worte ſagte. Betty ſah ſich hierauf
in der Verſammlung umher; da ſie Florentin
erblickte, gruͤßte ſie ihn freundlich. Clementine
ſchien ſie etwas zu fragen, worauf jene eine
bezeichnende Bewegung mit der Hand machte,
gegen Florentin. Clementine ſtand auf und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/382>, abgerufen am 08.09.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.