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Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801.

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seiner Brust in die Nacht der Vegessenheit zu-
rücksinke.

Hier hörte er auf und legte die Guitarre
nieder. Seine Worte, die frey und ungebun-
den und doch sinnvoll und auserwählt, bald
groß und ruhig wie der Strom, den sie be-
sangen, dahin flossen, bald kühn mit dem
Gebirge sich über die Wolken erhoben,
bald wie Abendschein lieblich flimmerten, dann
die Schmerzen und Freuden seiner Seele so
wundersüß darstellten; seine schöne, reine,
accentvolle Tenorstimine, deren Töne bald von
ihm gelenkt zu werden, bald ihn zu übermei-
stern schienen; die ganz kunstlose Begleitung
die immer mit seinen Worten genau überein-
stimmte, und seine tiefsten Gefühle, das, was
keine Worte auszusprechen vermögen, in die
Brust der Zuhörer hinüberströmte: -- mit
seinem kühnen, halb nachlässigen Anstande,
mit der Begeisterung auf dem edlen Ge-
sicht, -- es war so wunderbar und ergriff
die Zuhörer so seltsam, daß sie ganz hinge-
rissen von der Erscheinung, noch immer in

ſeiner Bruſt in die Nacht der Vegeſſenheit zu-
ruͤckſinke.

Hier hoͤrte er auf und legte die Guitarre
nieder. Seine Worte, die frey und ungebun-
den und doch ſinnvoll und auserwaͤhlt, bald
groß und ruhig wie der Strom, den ſie be-
ſangen, dahin floſſen, bald kuͤhn mit dem
Gebirge ſich uͤber die Wolken erhoben,
bald wie Abendſchein lieblich flimmerten, dann
die Schmerzen und Freuden ſeiner Seele ſo
wunderſuͤß darſtellten; ſeine ſchoͤne, reine,
accentvolle Tenorſtimine, deren Toͤne bald von
ihm gelenkt zu werden, bald ihn zu uͤbermei-
ſtern ſchienen; die ganz kunſtloſe Begleitung
die immer mit ſeinen Worten genau uͤberein-
ſtimmte, und ſeine tiefſten Gefuͤhle, das, was
keine Worte auszuſprechen vermoͤgen, in die
Bruſt der Zuhoͤrer hinuͤberſtroͤmte: — mit
ſeinem kuͤhnen, halb nachlaͤſſigen Anſtande,
mit der Begeiſterung auf dem edlen Ge-
ſicht, — es war ſo wunderbar und ergriff
die Zuhoͤrer ſo ſeltſam, daß ſie ganz hinge-
riſſen von der Erſcheinung, noch immer in

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[30/0038] ſeiner Bruſt in die Nacht der Vegeſſenheit zu- ruͤckſinke. Hier hoͤrte er auf und legte die Guitarre nieder. Seine Worte, die frey und ungebun- den und doch ſinnvoll und auserwaͤhlt, bald groß und ruhig wie der Strom, den ſie be- ſangen, dahin floſſen, bald kuͤhn mit dem Gebirge ſich uͤber die Wolken erhoben, bald wie Abendſchein lieblich flimmerten, dann die Schmerzen und Freuden ſeiner Seele ſo wunderſuͤß darſtellten; ſeine ſchoͤne, reine, accentvolle Tenorſtimine, deren Toͤne bald von ihm gelenkt zu werden, bald ihn zu uͤbermei- ſtern ſchienen; die ganz kunſtloſe Begleitung die immer mit ſeinen Worten genau uͤberein- ſtimmte, und ſeine tiefſten Gefuͤhle, das, was keine Worte auszuſprechen vermoͤgen, in die Bruſt der Zuhoͤrer hinuͤberſtroͤmte: — mit ſeinem kuͤhnen, halb nachlaͤſſigen Anſtande, mit der Begeiſterung auf dem edlen Ge- ſicht, — es war ſo wunderbar und ergriff die Zuhoͤrer ſo ſeltſam, daß ſie ganz hinge- riſſen von der Erſcheinung, noch immer in

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Zitationshilfe: Schlegel, Dorothea von: Florentin. Hrsg. v. Friedrich Schlegel. Lübeck u. a., 1801, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/veitschlegel_florentin_1801/38>, abgerufen am 28.04.2024.